Sebastian Scholz

 3 Sterne bei 1 Bewertungen

Lebenslauf

Sebastian Scholz hat den Lehrstuhl für die Geschichte des Frühmittelalters am Historischen Seminar der Universität Zürich inne.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Sebastian Scholz

Cover des Buches Die Merowinger (ISBN: 9783170225077)

Die Merowinger

 (1)
Erschienen am 28.10.2015
Cover des Buches Damnatio in memoria (ISBN: 9783412222833)

Damnatio in memoria

 (0)
Erschienen am 01.10.2014

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Cover des Buches Die Merowinger (ISBN: 9783170225077)
A

Rezension zu "Die Merowinger" von Sebastian Scholz

Die Merowinger. Ein Herrschergeschlecht zwischen Spätantike und Frühmittelalter
Andreas_Oberendervor 3 Jahren

Die Merowinger gehören zu jenen Dynastien der europäischen Geschichte, die jeder historisch interessierte Mensch kennt, über die man aber wenig Konkretes zu sagen weiß. Man assoziiert mit den Merowingern die Übergangszeit zwischen Spätantike und Frühmittelalter. Die Geschichte dieses fränkischen Herrschergeschlechtes ist seit jeher ein schwieriger Gegenstand für Historiker. Das ist der dürftigen Quellenlage geschuldet. Nur wenige erzählende Quellen aus der Merowingerzeit sind erhalten geblieben, etwa die Geschichtswerke des Bischofs Gregor von Tours und des Fredegar. Die einzelnen merowingischen Könige werden als Individuen und Persönlichkeiten nicht greifbar. Historiker können kaum mehr tun, als ein rudimentäres Gerüst der Ereignisgeschichte zu rekonstruieren. Viele Aspekte der Geschichte des Frankenreiches unter den Merowingern sind auch heute noch unklar und schemenhaft. Der Topos vom "dunklen Mittelalter" hat im Falle der Merowinger immer noch eine gewisse Berechtigung, wenn man ihn auf die problematische Quellenlage bezieht. Einer Annäherung an die Geschichte des Frankenreiches zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert sind enge Grenzen gesetzt. Umso bemerkenswerter ist es, dass in jüngster Zeit etliche neue Gesamtdarstellungen zur Geschichte der Merowinger erschienen sind. Zu den älteren Darstellungen von Eugen Ewig und Patrick Geary sind die Bücher von Martina Hartmann und Matthias Becher hinzugekommen. Nun hat auch der Kohlhammer-Verlag ein neues Merowinger-Buch herausgebracht. Was der Verlag und der Autor, Sebastian Scholz, damit bezwecken, ist allerdings unklar. Erst vor vier Jahren erschien bei Kohlhammer der "Klassiker" von Eugen Ewig in sechster Auflage. Seit der Erstveröffentlichung 1988 war Ewigs Buch "Die Merowinger und das Frankenreich" das Standardwerk für alle, die sich einen Überblick über die Geschichte der Merowinger verschaffen wollten. Inhaltlich sind Ewigs und Scholz’ Bücher weitgehend deckungsgleich. Nun machen sie sich gegenseitig Konkurrenz - eine merkwürdige Situation.

Scholz bietet eine konventionelle Darstellung der Merowinger-Zeit. Er schlägt einen Bogen von der Ethnogenese des fränkischen Volkes und der Landnahme der Franken in Gallien über die schrittweise Errichtung des Frankenreiches bis hin zum allmählichen Niedergang der merowingischen Dynastie seit dem letzten Drittel des 7. Jahrhunderts. So wie die Franken aus dem Dunkel der Geschichte gekommen waren, so sanken die letzten Merowinger-Könige ins Dunkel der Geschichte zurück. Die letzten Vertreter der Dynastie besaßen keine Macht mehr. An ihrer Stelle regierten die sogenannten Hausmeier. Mitte des 8. Jahrhunderts erfolgte der Dynastiewechsel zu den Karolingern. Scholz behandelt alle wichtigen Aspekte, die zu einer Geschichte der Merowinger gehören: Das Verhältnis zwischen Franken und Gallorömern in der Spätantike; die fränkische Landnahme in Gallien und der Aufbau des Frankenreiches unter Chlodwig und seinen Nachfolgern; Auseinandersetzungen zwischen Franken und anderen Germanenreichen (Westgoten, Burgunder); die Beziehungen zu Byzanz; königliche Herrschaft und Rechtswesen; Kirche und Religion. Die Entwicklung der Kirche auf fränkischem Boden erfährt bei Scholz besondere Berücksichtigung. Ob gerade dieser Aspekt für Studierende und historisch interessierte Laien von vordringlichem Interesse ist, erscheint allerdings zweifelhaft. Die Schilderung von Bischofssynoden und das Referieren von Synodalbeschlüssen nehmen im Buch zu viel Raum ein. Ausführlich geht Scholz auf die innerdynastischen Zwistigkeiten der Merowinger ein. Die Machtkämpfe und Gewalttaten unter den Nachfolgern Chlodwigs waren im 19. Jahrhundert ein beliebtes Thema der Historienmalerei. Immer wieder kam es unter den Merowingern zu Erbteilungen, die zu Rivalitäten führten und sich destabilisierend auf das Reich auswirkten. Brüder kämpften gegen Brüder, Vettern gegen Vettern, Onkel gegen Neffen. Im Gewirr der endlosen Konflikte zwischen den Familienzweigen geht der Überblick schnell verloren. Die fremd klingenden Personennamen tun ein Übriges, um Verwirrung zu stiften. Auch aus diesem Grund ist die Geschichte der Merowinger kein besonders dankbarer Gegenstand für Historiker.

Das Buch endet, ohne dass Scholz eine Bilanz zieht. Übergeordnete Fragen interessieren ihn nicht. Welche Bedeutung für die Geschichte (West-)Europas kommt den Merowingern aus heutiger Sicht zu? Warum muss man sich heute noch mit ihnen beschäftigen? Sind Eroberungen, Machtkämpfe, Intrigen und Morde alles, was an ihnen erinnernswert ist? Das von Chlodwig begründete Frankenreich war, um Friedrich Prinz zu zitieren, "die Keimzelle Europas". Aus römischem und fränkischem Erbe entstanden neue Lebens- und Herrschaftsformen, die Europa für Jahrhunderte prägten. Eine Geschichte des Frankenreiches unter den Merowingern bietet die Gelegenheit, nach Kontinuitäten und Brüchen im Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter zu fragen. Scholz setzt sich nirgendwo explizit mit dieser Frage auseinander. Zwar macht er hier und da deutlich, dass der Untergang des Römischen Reiches nicht mit dem Verfall jeglicher Kultur und Zivilisation gleichzusetzen ist. Das Frankenreich mag "archaisch" und "primitiv" anmuten, aber man darf die Archaik nicht überzeichnen. Wie Scholz zeigt, griffen die Merowinger Elemente der römischen Verwaltungs- und Steuerpraxis auf. Das Frankenreich war in den internationalen Handel eingebunden. Eine schmale Elite kümmerte sich um die Pflege des antiken Bildungserbes. Es hätte nicht geschadet, wenn Scholz sich nicht nur auf die politische Geschichte und die Kirchengeschichte konzentriert, sondern abschließend auch die Frage nach der Bedeutung des merowingischen Frankenreiches für die weitere Geschichte Europas erörtert hätte. Bei anderen Autoren und Mediävisten (z.B. Friedrich Prinz, Arnold Angenendt) findet man dazu interessante Überlegungen. Scholz bietet dem Leser nichts, was eine Bevorzugung seines biederen und anspruchslosen Buches gegenüber anderen Werken über die Merowinger rechtfertigt. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im April 2016 bei Amazon gepostet)

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