Cover des Buches Und der Duft nach Weiß (ISBN: 9783958180451)
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Rezension zu Und der Duft nach Weiß von Stefanie Gregg

Zwei Romane in einem - unbedingte Leseempfehlung

von mabuerele vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Eine junge Frau erzählt vom Leben in Bulgarien und Schiwkow, von Flucht und Neuanfang. Beeindruckendes Buch!

Rezension

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mabuerelevor 9 Jahren

„...Ich lernte schnell zu schweigen und ganz selten in Leerstellen zu sprechen...“

Wir schreiben das Jahr 1968. Im Präsidentenpalast in Sofia wird der Schriftsteller Georgi Markow empfangen.

Dann wechselt die Geschichte in eine kurze Szene ins Jahr 1987. Dort wird die Flucht aus Bulgarien in einem Lastkraftwagen beschrieben.

Im Jahre 1995 trifft sich Anelija mit ihrem Freund Enno.

Das sind nur drei Splitter aus dem Anfang des Buches. Daraus hat die Autorin einen spannenden und beeindruckenden Roman gestrickt. Eigentlich sind es sogar zwei Bücher in einem, denn zwischen den beiden Geschichten gibt es zwar inhaltliche Gemeinsamkeiten, aber nur zwei Berührungspunkte, einmal fast am Anfang und einmal am Ende.

Das Buch lässt sich gut lesen. Das liegt zum einen an dem fesselnden Inhalt, zum anderen an dem Schriftstil der Autorin.

Im Mittelpunkt der einer Erzählung steht Anelija, die ihr Leben erzählt, als sie mit ihrem Freund Enno im Jahre 1995 zu einem Besuch in ihre Heimat Bulgarien reist. Die zweite Geschichte beschreibt das Leben von Georgi Markow.

Anelija ist fünf Jahre alt, als ihre 22jährige Mutter Bulgarien verlässt, um einen Deutschen zu heiraten. Anelija wächst bei Großmutter und Urgroßmutter auf. Die beiden Frauen geben ihr Halt und Sicherheit. Besonders ihre Großmutter ist eine resolute Frau, die sich gekonnt dem System anpasst, ohne sich zu verbiegen. Mit 18 Jahren verlässt auch Anelija das Land und geht zur Mutter. Die zeigt sich wenig begeistert, aber Franz, ihr Mann, nimmt sich des Mädchens an und hilft ihr.

Der Schreibstil der Autorin hat mir sehr gut gefallen. Es gelingt ihr, die Unmenschlichkeit des Lebens in Bulgarien überzeugend darzustellen. Dazu nutzt sie kleine Bemerkungen der Großmutter, aber auch Anelijas Erfahrungen bei Arbeitseinsätzen und im täglichen Einerlei. Trotzdem findet Anelija immer wieder Menschen, die ihr weiterhelfen, sie fördern und sie an entscheidenden Stellen in ihrem Leben begleiten. Besonders ausführlich dargestellt sind Anelijas erste Eindrücke von Deutschland. Das Weiß und die Sauberkeit sind für sie wesentliche Elemente der neuen Welt. Allerdings sieht sie auch deren Schattenseiten. Nicht nur dadurch kommt es zu Spannungen mit ihrer Mutter. Eine Rolle spielen auch die unterschiedlichen Lebensvorstellungen und Lebenspläne der beiden Frauen. Mehr möchte ich dazu nicht ausführen. Das Vergleichen bleibt dem zukünftigen Leser überlassen. Die Autorin beherrscht die Zweideutigkeit der Sprache, wie sie in Diktaturen gang und gäbe ist. Das zeigt obiges Zitat. Gleichzeitig vermag sie, die Emotionen ihrer Protagonistin gekonnt darzustellen. Ich denke dabei nicht nur an die zarte Liebesszenen zu Beginn des Buches. An vielen Stellen finden sich treffende Metapher. Dort ist die Sprache fast blumig.

Kursiv eingeschoben sind die Abschnitte, in denen der bulgarische Schriftsteller Georgi Markow eine Rolle spielt. Auch er musste ins Ausland fliehen. Doch selbst dort konnte er den Fängen des bulgarischen Geheimdienstes nicht entkommen. Dessen Handlanger genießen das Leben im Westen und fühlen sich sicher und unangreifbar. In dem Teil ist deshalb auch die sprachliche Gestaltung eine andere. Hier dominieren Fakten und knallharte Befehle.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeichnet ein umfangreiches Bild des Lebens in Bulgarien anhand zweier konkreter Lebensläufe. Wenn Anelija fast zum Schluss sagt, dass ihre Wurzeln in Bulgarien sind, sie aber dort nicht leben kann, weil es bis heute keine Freiheit gibt, zeigen sich deutlich die unterschiedliche Entwicklungen in Europa nach dem Zusammenbruch des Kommunismus.

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