Cover des Buches Die verkaufte Kindheit (ISBN: 9783570551721)
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Rezension zu Die verkaufte Kindheit von Susanne Gaschke

Rezension zu "Die verkaufte Kindheit" von Susanne Gaschke

von WinfriedStanzick vor 13 Jahren

Rezension

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WinfriedStanzickvor 13 Jahren
Dass die Kindheit heute nicht mehr das ist, was sie früher war, dass die Orte unbeschwerten und vor allen Dingen ungefährlichen Spielens und Tobens längst Vergangenheit sind, das wissen Eltern von Kindern schon seit längerer Zeit. Dass aber die Kindheit zu einem Objekt von Geschäften verkommen ist, dass sie regelrecht „verkauft“ wird von Firmen und Medien, für die Kinder der ideale Kunde sind, das ist ein Phänomen, das es noch nicht so lange gibt und gegen das sich die ZEIT-Redakteurin Susanne Gaschke in einem engagierten Zwischenruf unter dem Titel „Die verkaufte Kindheit“ wehrt. Gefragt, was sie denn bei all ihrer Kritik unter einer glücklichen Kindheit verstehe, hat Susanne Gaschke geantwortet: „Das wird jeder Mensch unterschiedlich beantworten. Aber einige Dinge gehören dazu: Geborgenheit und Verlässlichkeit, Liebe, Zuwendung, Gelobtwerden, Verstandenwerden. Kinder brauchen ein ‚Draußen’, sie müssen die Welt erklettern und erkriechen. Sie müssen ausreichend schlafen. Und sie brauchen Bücher.“ Doch die meisten Kinder erfahren diese Summe von für ihre Entwicklung wichtigen Dingen nicht mehr. Sie verbringen mehr Zeit vor dem Fernseher oder dem PC als jede andere Generation vor ihnen Zeit und werden heute von Werbung und Marketing in einer ganz neuen Weise angesprochen, eine Weise, die effektiv ihre Kindheit verkürzt. Zentraler Begriff dabei ist das Wort „Coolness“. Cool sein heißt im Verständnis der Werbefachleute, dass das Kind nicht mehr kindlich und neugierig sein darf, sondern abgeklärt daherkommen soll wie die Erwachsenen. Die Werbung nicht nur in den Kanälen, die von Kindern vorzugsweise angeschaut werden, stellt die Erwachsenen oft dar als doofe Figuren dar, die gar nicht richtig kapieren , wie cool das gerade angebotene Produkt doch ist. Die Eltern selbst, insbesondere die der Mittelschicht sind unsicher, wissen nicht recht, was sie tun oder lassen sollen. Kann meine Tochter das wirklich schon? Muss mein Sohn das, weil er sonst als Loser gilt? Was ist wichtig in der Wissensgesellschaft? Kann und darf ich meinen Kindern elektronische Medien vorenthalten? Wie stark darf der Druck der Gruppe von Gleichaltrigen sein? Susanne Gaschke, die selbst als berufstätige Mutter genau weiß, von was sie schreibt, tut es nicht anklagend, sondern sie will mit ihrem Buch gerade auch berufstätige Eltern ( es ist wohltuend, dass sie berufstätige Mütter für ganz normal hält) ermutigen. Sie hat die Hoffnung, dass es bewusste Eltern schaffen, wieder souveräner zu werden gegenüber dem, was von außen auf sie und ihre Kinder einstürmt. Sie sollen endlich wieder selbst urteilen, auch wenn der Rechtfertigungsdruck, unter dem sie stehen groß ist. Warum soll mein Kind dies oder das n i c h t dürfen? Susanne Gaschke möchte, dass Eltern wieder den Mut zu solchen eigenen Entscheidungen haben und will mit ihrem Buch in der Gesellschaft eine Art Beweislastumkehr erreichen: Nicht Eltern, die ihren Kindern verbieten, stundenlang fernzusehen oder Computerspiele zu spielen, müssen sich rechtfertigen. Sondern diejenigen, die potentiell schädliche Produkte für Kinder anbieten. Der Rezensent ist skeptisch, ob es soweit kommen wird. Er teilt aber aus eigener Erfahrung den Optimismus der Autorin, dass es möglich ist, dass Eltern souveräner werden, selbstbewusster, kritischer – auch gegenüber dem eigenen Konsum. Ihre Kinder werden es ihnen nicht immer sofort danken, weil sie das elterliche Nein zunächst als „uncool“ erleben, aber Elternsein hat schon immer bedeutet, erwachsen zu sein oder es zumindest dabei zu werden. Das ist letztlich die eigentliche Aufgabe, dass Eltern erwachsen sind und handeln, damit ihre Kinder möglichst lange Kinder bleiben können. Vergleiche dazu auch die gerade im Hanser Verlag erschienene Streitschrift der FAZ-Redakteurin Melanie Mühl „Die Patchwork-Lüge“.
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