Cover des Buches Ludwig Erhard jetzt (ISBN: 9783898799164)
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Rezension zu Ludwig Erhard jetzt von Ulrich Horstmann

"Kein Staat kann seinen Bürgern mehr geben, als er ihnen vorher abgenommen hat"

von Dr_M vor 9 Jahren

Rezension

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Dr_Mvor 9 Jahren
Dieses Zitat von Ludwig Erhard stammt aus einem Zeitungsartikel von 1958 und lautet im Zusammenhang: "Jeder ist seines Glückes Schmied. Es herrscht die individuelle Freiheit und dies umso mehr, je weniger sich der Staat anmaßt, den einzelnen Staatsbürger zu gängeln oder sich zu seinem Schutzherren aufspielen zu wollen. Solche 'Wohltat' muss das Volk immer teuer bezahlen, weil kein Staat seinen Bürgern mehr geben kann, als er ihnen vorher abgenommen hat - und das noch abzüglich der Kosten einer zwangsläufig immer mehr zum Selbstzweck ausartenden Sozialbürokratie. Nichts ist darum in der Regel unsozialer als der sogenannte 'Wohlfahrtsstaat', der die menschliche Verantwortung erschlaffen und die individuelle Leistung absinken lässt."

Es ist heute unvorstellbar, dass irgendein aktueller Politiker von Ehrhards Partei so etwas über seine Lippen bringen würde. Bereits als Ehrhard 1966 von den eigenen Leuten gestürzt wurde, konnte man definitiv vom Ende der sozialen Marktwirtschaft ausgehen. Wenn dieser Begriff heute irgendwo in der aktuellen Politik auftaucht, dann tut er das in der Regel mit einem völlig verfälschten Inhalt, der nur noch Propagandazwecke erfüllt und Menschen irreführen soll. Umso dringlicher erscheint es deswegen, dass man sich irgendwo über den von Erhard gemeinten und praktisch umgesetzten Inhalt dieses Begriffes informieren kann. Mit diesem Buch geht das ganz gut, wenngleich man wohl besser mit "Wohlstand ür Alle" fährt, dem Original von Ehrhard, aus dem in dieser Broschüre andauern zitiert wird.

Zunächst erfährt der Leser, warum die Rückkehr zur sozialen Marktwirtschaft Deutschland aus seiner Stagnationsfalle befreien würde, die gegenwärtig offenbar für viele noch nicht greifbar ist, weil ihre Auswirkungen zeitverschoben eintreffen werden. Anschließend kritisiert Gottfried Heller die aktuelle Politik aus der Sicht von Ehrhard. Danach folgt ein relativ langer Abschnitt mit dem Titel “Erhard – Vermächtnis und Vision für die Zukunft”, in dem verschiedene Autoren zunächst über Erhards wissenschaftliche und politische Vita und dann über Maßnahmen, die ausgehend von der Lage Deutschlands jetzt anzugreifen wären. In diesem Abschnitt beschreibt Günter Ederer übrigens auch, wie man seit einigen Jahren die Ehrhardschen Konzepte mit außerordentlichem Erfolg in Neuseeland umsetzt. In Deutschland passiert genau das Gegenteil.

Da Ehrhard in seiner eigenen Partei gescheitert war und gegen Ende seines Lebens zunehmend pessimistischer wurde, was eine Umsetzung seiner Ideen anbelangt, so muss man sich wohl fragen, ob es überhaupt eine Chance für ein Wiederbeleben seiner Politik in Deutschland gibt. Im Gegensatz zu den Autoren dieses Buches muss man da wohl eher an Ehrhards Stimmung anknüpfen. Man darf nicht übersehen, dass sein anfänglicher Erfolg eine geschichtliche Komponente aufweist. Zu Beginn seiner Wirtschaftspolitik lag Deutschland am Boden. Verbände und Interessensgruppen aller Art waren zerschlagen. Doch nach und nach begann deren Auferstehung und parallel dazu der Kampf gegen die Ehrhardsche Politik, die mit seinem Sturz endete. Eine soziale Marktwirtschaft kann nur funktionieren, wenn Kartelle und Interessensverbände in festen Schranken gehalten werden. Inzwischen aber wird Deutschland von solchen Verbänden am Gängelband geführt. In einer sozialen Marktwirtschaft nach Ehrhard haben alternativlose Bankenrettungen, ausufernde Schuldenmacherei, Rettungsprogramme für Totgeburten, Mindestlöhne und andere Eingriffe in die Wirtschaft keinen Platz. Der Staat hat sich um seine Grundaufgaben zu kümmern, die auch darin bestehen klare, harte und faire Wettbewerbsregeln in Form einer prinzipienfesten Ordnungspolitik durchzusetzen. Wäre dies geschehen, dann wären uns einige Krisen erspart geblieben.

Wenn man sich über Ludwig Ehrhards Politik ein gewisses Bild aus aktueller Sicht machen möchte, dann nutzt dieses Buch mit Sicherheit. Ein durchgängiger Autor und eine gewisse Straffung hätten dem Text sicher besser gemacht. Dennoch erfüllt das Buch seinen Zweck.
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