Cover des Buches Wüstenblume (ISBN: 9783426619483)
Code-between-liness avatar
Rezension zu Wüstenblume von Waris Dirie

Wüstenblume von Waris Dirie

von Code-between-lines vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Beeindruckende Lebensgeschichte. Manche Passagen waren mir jedoch etwas zu sprunghaft geschildert.

Rezension

Code-between-liness avatar
Code-between-linesvor 8 Jahren

Zum Inhalt: Ihr Vorname, Waris, bedeutet auf Somali Wüstenblume. In einem Interview sagte die Autorin Waris Dirie, dieser Name passe so gut zu ihr, weil sie, wie die Blumen in der afrikanischen Wüste, unverwüstlich ist und in ihrem Leben so viele Male wieder neu zum Leben erwachen musste.

Aufgewachsen als Tochter einer Nomadenfamilie, lernte sie ein entbehrungsreiches Leben kennen, in welchem die Gesetze der Natur das Leben der Menschen bestimmen. Doch das prägendste Ereignis ihrer Kindheit war, als sie im Alter von nur 5 Jahren Opfer einer rituellen Beschneidungszeremonie wurde. Schwer traumatisiert und an Leib und Seele verwundet kämpfte das kleine Mädchen darum, dieses Ereignis zu überleben und wurde mit dem Bewusstsein groß, dass die Welt nicht gut zu den Frauen Afrikas ist.

„Dabei hatte ich zu diesem Zeitpunkt die wichtigsten Verhaltensregeln für eine Afrikanerin schon gelernt, ohne es zu merken: Du musst dich im Hintergrund halten und dein Leid willenlos und hilflos ertragen wie ein Kind.“ (S. 74)

Im Alter von 13 Jahren schließlich ändert sich ihr Leben grundsätzlich, als sie, vollkommen auf sich allein gestellt, vor einer Zwangsverheiratung mit einem viel älteren Mann und damit von ihrer Familie davonläuft.

Fremd ist das Leben in der somalischen Hauptstadt Mogadischu, wo sie, das Nomadenmädchen, das bislang unter freiem Himmel schlief, zunächst bei Verwandten unterkommt. Und noch viel fremder wird die Welt, als Waris ihre Chance nutzt und mit dem Haushalt eines Onkels, der als somalischer Botschafter für vier Jahre nach London entsandt wird, in die englische Hauptstadt zieht.

„Und soweit ich zurückdenken kann, war ich mir stets sicher, dass mein Leben anders verlaufen würde als das derjenigen, die um mich waren; nur wusste ich nicht, wie anders.“ (S. 115)

Die Lebensgeschichte von Waris Dirie, die in London schließlich als Fotomodell entdeckt wird und, obwohl als Ausländerin mit illegalem Aufenthaltsstatus in England, schließlich auf den Covern der großen Hochglanzmagazine erscheint, ist beeindruckend, nie geradlinig und von einem großen Kampfeswillen geprägt. Doch ihr größtes Anliegen ist der Kampf gegen die noch immer in so vielen Ländern Afrikas praktizierte Beschneidung von Mädchen und jungen Frauen. Heute kämpft sie diesen Kampf als UN-Sonderbotschafterin und beeindruckt weltweit mit ihrer eindringlichen Botschaft und ihrer ungebrochenen Stärke.

„Über viertausend Jahre lang hat man in afrikanischen Kulturen Frauen verstümmelt. Viele sind der Ansicht, der Koran würde das vorschreiben, die dieser Brauch hauptsächlich in moslemischen Ländern verbreitet ist. Doch weder im Koran noch in der Bibel steht, dass die Beschneidung der Frau ein gottgefälliges Werk sei. Vielmehr wird diese Praktik schlicht von Männern unterstützt und gefordert, von unwissenden, egoistischen Männern, die sich damit ihr alleiniges Anrecht auf die sexuellen Dienste ihrer Frauen sicher wollen.“ (S. 338/339)

Eigene Meinung: In groben Zügen kannte ich die Geschichte und die Botschaft Waris Diries, bevor ich dieses Buch gelesen habe. Schließlich ist das Buch bereits 1998 erschienen und ist ein über elf Millionen Mal verkaufter Weltbestseller. Dennoch konnte mich ihre Geschichte, die so unverfälscht und mit der der Autorin eigenen Bescheidenheit erzählt wird, sehr beeindrucken. Immer wieder entsteht zwischen den Zeilen den Eindruck, dass Waris Dirie selbst im Nachhinein vom Verlauf ihres Lebens überrascht ist.
Sehr beeindruckend fand ich auch, dass Waris Dirie, obwohl sie in ihrer Heimat so viel Entbehrung und auch Leid erfahren musste, im Herzen eine Afrikanerin geblieben ist und ihrer Familie nichts nachträgt.

„Heute bin ich stolz auf diese Beine, denn sie haben eine Geschichte, sie sind Teil meiner Vergangenheit. Diese Beine haben mich Tausende von Meilen durch die Wüste getragen, und mein langsamer, wiegender Gang ist der einer Afrikanerin – ein Vermächtnis meiner Heimat.“ (S. 271)

Was mir nicht so gut gefallen hat, war der Stil, in dem das Buch geschrieben ist. Vollkommen klar, dass Waris Dirie, die eine so beeindruckende Persönlichkeit ist und erst im Erwachsenenalter Lesen und Schreiben lernte, nicht zwangsläufig auch eine gute Autorin sein muss. Da das Buch jedoch gemeinsam mit der Autorin Cathleen Miller verfasst wurde, hätte man beim Stil etwas mehr rausholen können. Die Sprache ist sehr einfach gehalten, viele Aspekte werden angerissen, aber nicht zu Ende erzählt, andere Erzählstränge, von denen ich gern mehr erfahren hätte, laufen ins Leere. Einen weiteren kleinen Minuspunkt gibt es von mir für die recht ausführlichen Passagen, in denen die Autorin vom Leben auf dem Laufsteg und vor der Kamera erzählt. Dies ist natürlich etwas ungerecht, denn dadurch kam es nun mal zum mindestens zweiten Mal im Leben der Autorin zu einem riesigen Wendepunkt – aber meinem ganz persönlichen Interesse haben diese Passagen nicht besonders zugesagt und das Lesen wurde mir dadurch zum Teil etwas schleppend.

Nichtsdestotrotz – ein lesenswerter und schockierender Lebensbericht, zumal das Thema der weiblichen Beschneidung noch lange nicht Geschichte ist, sondern ganz im Gegenteil, auch in den eingewanderten afrikanischen Populationen mitten in Europa und den USA von Bedeutung ist.

Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks