Cover des Buches Das Erbe der Elfen (ISBN: 9783423262446)
Rezension zu Das Erbe der Elfen von Andrzej Sapkowski

Ungewöhnlich, aber überzeugend und mitreißend erzählt

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 4 Jahren

Kurzmeinung: Ich bin begeistert. Der Autor erzählt sehr ungewöhnlich, hat mich damit aber absolut mitgerissen. Ich brauche mehr!

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 4 Jahren

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Rezension

Fast alle meine Freunde haben „The Witcher 3“ gespielt. Alle Welt ist begeistert von der neuen Netflix-Serie. Die Cover der Neuauflage sehen richtig episch aus. Früher oder später musste es also dazu kommen, dass auch ich mich mal diesem Universum zuwende. Nachdem ich nun den ersten Band der Pentalogie gelesen habe, bin ich genauso begeistert, mitgerissen und gepackt wie alle anderen. Ich kann es kaum erwarten, den nächsten Band zu lesen, die Serie zu sehen und das Spiel zu spielen – obwohl ich seit Monaten, wenn nicht gar Jahren, keine Serien mehr gesehen, und obwohl ich in meinem Leben noch nie etwas anderes als Sims und LEGO Fluch der Karibik gespielt habe. Dieses eine Buch hat mich so in den Bann dieser Welt gezogen, dass ich unbedingt mehr davon brauche. Dabei habe ich erst überhaupt nicht verstanden, warum.


Rein rational betrachtet beinhaltet das Buch nämlich viele Aspekte, mit denen ich normalerweise nicht viel anfangen kann. Es beginnt schon damit, dass selbst dieser kurze, knappe Klappentext eigentlich schon übertrieben ist. Das Buch hat fast gar keine Handlung. Es liest sich vielmehr wie eine ausführliche Einleitung, denn die Welt und unterschiedliche Personengruppen und Figuren werden vorgestellt, während außer ein paar blutigen Zusammenstößen sonst nur das Training der Thronerbin Ciri beschrieben wird. Dennoch hat mich das Buch sehr gefesselt, denn zum einen hat der Autor eine sehr interessante, vielschichtige Welt geschaffen, zum anderen hat er mich nicht mit Informationen überflutet. Ich durfte in wechselnden Erzählsträngen Hexer, Zauberer, Könige, Priester, Usurpatoren, Spione, Zwerge und verschiedene Menschen kennenlernen, die jedoch nie allein um des Kennenlernen willens vorgestellt wurden. Die meisten dieser Gruppen suchen nach Ciri und ich fand es sehr spannend, die Motive und Pläne der Personen zu erfahren, die allesamt miteinander im Wettstreit liegen.

Außerdem ist es dem Autor gelungen, die verschiedenen Erzählstränge alle sinnvoll miteinander zu verknüpfen, entweder über die Orte oder über die Personen. Geralt, der Hexer, der sich meist um Ciris Ausbildung kümmert, befindet sich beispielsweise im Laufe des Buches in der Nähe einer Stadt. Dann wechselt die Perspektive auf den Barden Rittersporn, der bereits von früher bekannt ist und sich in dieser Stadt befindet. Er trifft sich mit Spionen, die Informationen für ihren König sammeln. Dieser König wiederum trifft sich in der nächsten Szene mit anderen Königen und spricht über einen Usurpator. Als nächstes schwenkt die Perspektive zu diesem Usurpator, der aufträgt, die Zauberer über das Treffen der Könige zu informieren. Im Anschluss daran wird von einer Zusammenkunft wichtiger Zauberer berichtet, bei der eine weitere Zauberin erwähnt wird, die, wie sich nach einem weiteren Szenenwechsel herausstellt, aktuell Ciri ausbildet. So schließt sich der Kreis wieder, es wurden in vielen Perspektivwechseln viele Personengruppen mit ihren Beweggründen vorgestellt, aber alles geht so fließend und sinnvoll ineinander über, dass mir gar nicht aufgefallen ist, wie wenig Handlung in den vorangegangenen Seiten und Kapitel steckte. Die Charaktervorstellung liest sich wie Handlung: Jeder Baustein baut auf dem vorherigen auf, jede Aktion provoziert eine Reaktion. Deshalb bin ich geradezu durch das Buch geflogen, obwohl es kaum Action gab.


Das genaue Gegenteil zum fließenden Übergang bei der Vorstellung der interessanten Figuren bilden die Szenen, in denen Ciris Training beschrieben wird. Wobei „beschrieben“ eigentlich gar nicht das richtige Wort ist, denn größtenteils handelt es sich dabei um reine Dialoge ohne jegliche Beschreibungen. Schwertstreiche, Fingerbewegungen und Co. werden in Form von kurzen Anweisungen wie „Parade! Pirouette!“ in wörtlicher Rede geschildert. Dabei überlässt der Autor es in gewisser Weise dem Leser, sich vorzustellen, wie die Szene wohl aussehen könnte, denn ob Ciri eine Übung erfolgreich absolviert hat, lässt sich beispielsweise nur aus ihrer verbalen Reaktion ableiten, daran, ob sie „Geschafft! Hast du's gesehen?“ oder „Au! Was habe ich falsch gemacht?“ sagt. Es wird tatsächlich ziemlich wenig explizites Material geliefert. Orte werden einmal beschrieben, danach besteht die dort stattfindende Handlung nur noch aus Dialogen. Üblicherweise mag ich es gar nicht, wenn ich mir Dinge selbst ausmalen muss. Ich gehöre zu den Leuten, die wie bei einem Film Gesichtsausdrücke und Bewegungen der Figuren gerne vorgekaut bekommen würden. Hier hat der Autor es allerdings tatsächlich geschafft, dass ich mich nicht gezwungen gesehen habe, mir etwas auszudenken, obwohl er selbst keine expliziten Beschreibungen geliefert hat. Implizit lassen sich nämlich alle wichtigen Informationen den Dialogen entnehmen. Ich finde es höchst beeindruckend, dass die Dialoge dabei trotzdem völlig natürlich und authentisch klingen. Der Autor hat unfassbar viele Wörter gespart dadurch, dass ein vollkommen natürliches Gespräch so viele implizite, subtile Informationen über die ablaufende Mimik und Gestik beinhaltet, dass ich es vor mir sehen konnte, ohne dass er ein Wort darüber verloren hat.

Überhaupt verwendet der Autor keine Worte auf nicht unmittelbar relevante Dinge, wie besonders bei Ciris Training deutlich wird. Zwischen zwei Szenen gibt es beispielsweise nur sehr, sehr selten sanfte Übergänge. Stattdessen endet eine Szene abrupt, wenn Ciri endlich aufhört zu diskutieren und sich der Übung widmet, wonach die nächste Szene mitten in einer Unterhaltung beginnt. Diese Sprünge sind lediglich durch Leerzeilen markiert. So springt das Buch wild von Szene zu Szene und manchmal auch in der Zeit umher. Trotzdem hatte ich keinerlei Mühe, dem roten Faden zu folgen. Außerdem haben diese Sprünge nichts anderes getan, als das Tempo der Geschichte zu erhöhen. Sie waren langsam genug, um mich nicht in hektischen Stress verfallen zu lassen, aber schnell genug, um den Puls zu erhöhen und mich gefesselt mitzureißen.


Fazit

Der Autor hat das ganze Buch auf eine Art und Weise erzählt, die ich normalerweise nicht mag, aber jeden einzelnen Punkt dabei so umgesetzt, dass ich begeistert und mitgerissen bin. Ich mag lange Einleitungen ohne Handlung nicht, aber die Charaktervorstellungen gingen hier so fließend und sinnvoll ineinander über wie es normalerweise die Handlung tun sollte und die vielschichtige Welt wurde interessant erläutert, ohne mich mit Informationen zu überfluten. Auch dialoglastiger Text sagt mir selten zu, aber hier sind in reinen, vollkommen natürlich wirkenden Dialogen so viele subtile, implizite Informationen enthalten, dass Beschreibungen überflüssig waren. Außerdem bin ich kein Fan von wilden Handlungs- und Zeitsprüngen, aber hier haben sie das Tempo der Geschichte auf eine perfekte Geschwindigkeit erhöht, um mich zu fesseln und mitzureißen. „Das Erbe der Elfen“ hat mich zu meiner eigenen Überraschung so begeistert, dass ich unbedingt mehr davon brauche und fünf Schreibfedern dafür vergebe.

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