Eher Jugenddrama als Horror-Roman...
von PeWa
Kurzmeinung: Eher Jugenddrama als Horror-Roman...
Rezension
Ein Feriensommer in den Achtzigern. Es ist nicht viel los in der kleinen Stadt, doch unter der Erde hat sich das Grauen eingenistet. Auf dem örtlichen Friedhof sinken reihenweise die Gräber ein, Menschen verschwinden und tauchen grausam verstümmelt wieder auf. Was für die Freunde Timmy, Doug, Barry als ein Ferienabenteuer beginnt, entwickelt sich zu einem tödlichen Albtraum. Dort unter dem Friedhof lauert das Böse, das sie bisher nur aus ihren Comicheften kannten.
Im Mittelpunkt der Geschichte stehen drei zwölfjährige Jungen, die Mitte der Achtzigerjahre in einer kleinen amerikanischen Stadt aufwachsen. Ihr Leben dreht sich um Comics, Musik und Videospiele. Der ebenfalls zu dieser Zeit aufgewachsene Leser fühlt sich zuhause, wimmelt es doch von Zitaten aus der Zeit von Frogger, Prince und Footloose. Eingebettet in dieses vertraute Setting ist Leichenfresser – der Titel ist hier unmissverständlich – eine Horrorgeschichte. Sie möchte es zumindest sein.
So wird der Roman von Verlagsseite pärsentiert. Ich folge dem nur bedingt. Der Verlust der kindlichen Unschuld ist tatsächlich Thema, doch eigentlich unabhängig von dem Horror, der vordergründig Gegenstand des Romans ist. Nicht zuletzt, meiner Meinung nach im Wesentlichen, ist Leichenfresser ein soziales oder Familiendrama. Menschliche Abgründe wie Kindesmisshandlung, Alkoholismus und Inzest finden sich in derarter Häufung, dass es fast schon zuviel des Guten ist. Jeder der Jungen erlebt hier sein eigenes Grauen, so dass selbiges, das unter dem Friedhof lauert, fast schon als das harmloseste wirkt.
Als Geschichte in der Tradition von Stand By Me, in der Kinder bei ihrem großen und gefährlichen Abenteuer weitgehend auf sich gestellt sind, ist Leichenfresser eine gute und spannende Geschichte. So sollte man sie zunächst aufnehmen. Allerdings, furchterregend fand ich sie nicht.
Dort unter dem Friedhof lebt der Leichenfresser, ein Ghoul. Die Bemühungen Keenes um eine überzeugend erschreckende Darstellung dieser Kreatur verfehlen bei mir ihr Ziel. Im Hinterkopf hatte ich während des Lesens stets eine eher rumpelstilzcheneske Figur. Anders als Ghoule, über die ich in der Vergangenheit gelesen habe, spricht dieser und handelt intelligent und zielgerichtet – hier ist vielleicht eher meine Erwartungshaltung das Problem. Selbst die Eskalation zum Schluß der Geschichte empfand ich nicht als annähernd so erschreckend, wie ich sie mir erhofft hätte. Die Höhepunkte finden sich eher in Momenten der “sozialen Eskalationen” denn in den Begegnungen mit dem Horror.
Fazit: Der Leichenfresser hat Schwächen, vor allem in seiner Funktion als Horror-Roman. Aber vor allem der Leser in den Vierzigern, der auch soziale Probleme als Thema zu schätzen weiß, wird ihn wahrscheinlich trotzdem zumindest mögen.