Cover des Buches Keine Bewegung! (ISBN: 9783498032340)
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Rezension zu Keine Bewegung! von Denis Johnson

Versuch gescheitert

von Stefan83 vor 13 Jahren

Rezension

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Stefan83vor 13 Jahren
Ja, wenn ein hoch gepriesener Literat wie der Amerikaner Denis Johnson im Gefilde des Kriminalromans wildert, dann muss das schon was Besonderes, mehr noch, eine Ehre für das gesamte Genre sein. So zumindest der Ersteindruck bei all den Lobeshymnen, welche jegliche frei verfügbare Stelle des Buches zieren und dieses „ungemein eingängige Vergnügen“ mit Superlativen versehen. Und wenn dann noch Großmeister Jonathan Franzen höchstpersönlich Denis Johnson und Gott in einem Atemzug nennt, bleibt wohl keine andere Wahl mehr, als reflexartig zur Geldbörse zu greifen und vor Vorfreude pfeifend ekstatisch zur Kasse zu taumeln, um das knapp 200 Seiten umfassende Meisterwerk endlich genießen zu können. Blöd nur, dass man schließlich feststellen muss, dass es nicht nur keins ist, sondern auch Humor & Komik ungefähr so häufig sind wie ausschweifende Dialoge in Sexfilmen. Und der Vergleich mit letzteren cineastischen Werken ist insofern nicht weit her geholt, da „Keine Bewegung“ ursprünglich als Fortsetzungsroman für den Playboy vorgesehen war. Zum Glück für Leser und Abonnenten des Letzteren, entschied man sich letztendlich dann aber doch für den Druck in Romanform. In der Tradition der alten amerikanischen Detektiv- und Gangsterromane erzählt Johnson die Geschichte des trotteligen Friseurs und Chorsängers Jimmy Luntz aus dem kalifornischen Alhambra, dessen Hang zur Spielsucht ihn zum Schuldner bei einem Mafioso gemacht hat. Bevor an eine Flucht nur zu denken ist, gerät er in die Fänge des Geldeintreibers Gambol, der ihm zur Motivation und als Zahlungsanreiz kurzerhand das Schienbein zertrümmern will. Ein in die Ecke getriebener Friseur ist jedoch ein nicht zu unterschätzender Gegner. Luntz schnappt sich flink Gambols' Waffe und jagt diesem prophylaktisch eine Kugel in den Oberschenkel. Samt der Knarre und dem Auto tritt er nun den Rückzug an, nur um kurze Zeit später über die stockbesoffene Anita Desilvera zu stolpern, welche unter Anklage steht 2,3 Millionen Dollar unterschlagen und damit ihren Mann bestohlen zu haben. Nach ein bisschen dreckigem Sex beschließt man die Reise gemeinsam fortzusetzen, während der verletzte Gambol eine ehemalige Armee-Krankenschwester in Anspruch nimmt, um möglichst schnell die Fährte des Flüchtigen Luntz aufnehmen zu können… Ein äußerst ansprechendes Cover im nostalgische Comic-Look. Eine nach literarischem Roadmovie klingende Geschichte. Der äußere Schein von „Keine Bewegung!“ lässt bei Freunden kleiner Krimi-Kleinode die Erwartungen in die Höhe steigen, nur um diese dann bereits knappe 50 Seiten später ungespitzt in den Boden zu rammen. Viel länger dauert es nämlich nicht, bis man begreift, dass dieser „grandiose Genre-Scherz“ leider wörtlich zu nehmen ist. Johnson wartet mit einer unausgegorenen Story auf, die bereits kurz nach Beginn extrem schnell verflacht und ungefähr so lustig ist wie das letzte Bühnenprogramm von Fips Asmussen. Das Niveau der Witze segelt ganz knapp unterhalb der Radarschwelle und ist in seiner Ausführung derart offensichtlich Richtung Elmore Leonard gebürstet, dass es zum Himmel schreit. Der große Unterschied: Altmeister Leonard hätte die wenigen Seiten wohl besser zu nutzen gewusst und sich nicht wie Johnson auf den Wiedererkennungseffekt verlassen. Und überhaupt fragt man sich, was „Keine Bewegung!“ eigentlich werden sollte. Noir? Pulp? Gesellschaftssatire? Parodie? Betrachtet man sich allein die Besetzung des Romans, welche vom Hoden fressenden Psychopathen Gambol bis zum gemeinen mexikanischen Schurken (oder ist er jetzt doch Araber?) Juarez reicht, kommen Erinnerungen an Tarantinos Werke hoch. Doch was in „Pulp Fiction“ oder „From Dusk till Dawn“ zum Schreien komisch war, reizt hier gerade mal zu einem müden Lächeln. Johnsons gestelzte Komik liest sich derart banal und konstruiert, dass einem das einem das im Aufbau begriffene Grinsen im Gesicht wegstirbt und man auch unter größter Anstrengung keine Sympathie für irgendjemanden aufbringen will. Und selbst verabscheuen und hassen kann der Leser die Figuren letztendlich nicht, so farblos grau und ausgegoren wirkt das Ganze. Tja, und der rote Faden der Geschichte? Eher ein Gewirr von Knoten, das sich rasant von einer brutalen Auseinandersetzung zur nächsten Perversität windet, um zwischendurch immer wieder mit solchen Dialogen einen Angriff auf die Lachmuskeln zu proben: (…) „Wie wär's mit einem Happy End?“ „Nicht zu sterben, nachdem man angeschossen wurde, dürfte Happy End genug sein.“ „Weißt du, was ich meine? So wie bei den kleinen Masseurinnen? Ich rede davon, einen geblasen zu kriegen. Das ist ein Happy End.“ „Für Sie vielleicht. Für mich ist es ein Mundvoll Wichse.“ Ein Blindgänger auf ganzer Linie also? Nun ganz so schlimm ist es dann nicht, bleibt Johnson doch den Gesetzen des Genres treu und schreibt eine Geschichte, welche Freunde der kantigen, groberen Gangart eventuell sogar begeistern könnte. Ein Großteil der Leserschaft wird aber wohl mit dieser klischeehaft gestrickten Handlung so seine liebe Mühe und Not haben, und letztendlich dem Ende entgegenfiebern, das entsprechend den vorherigen Geschehnissen gleichsam unoriginell und platt ausfällt. Insgesamt ist „Keine Bewegung“ ein misslungener Versuch des Genre-Wechsels, der einmal mehr verdeutlicht, dass nicht jeder Romancier die Kunst der wenigen Worte beherrscht. Ein Scherz ganz sicher. Leider einer, der allzu selten zündet und aufgrund der inhaltlich dürren Geschichte jeglichen Tiefgang vermissen lässt.
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