Rezension zu Erniedrigte und Beleidigte von Fjodor M. Dostojewski
Rezension zu "Erniedrigte und Beleidigte" von Fjodor M. Dostojewski
von oesterberg ost
Rezension
oesterberg ostvor 14 Jahren
"Wir hätten für immer miteinander glücklich sein können." In diesem Schlussatz, der das Glück, von dem die Rede ist, rhetorisch ausschließt, wird die Frage der knapp 500 Seiten diesen melodramatischen, praktisch "post-romantischen" Romans ausgesprochen: Was hindert Menschen an diesem Glück? Eingezwängt von trivialen gesellschaftlichen Zwängen, zwischen wirtschaftlichem und erotischem Kalkül, zwischen Stolz und Beleidigung nimmt hier keiner der Beteiligten den scheinbar kurzen Weg zum Glück. Erniedrigt und beleidigt, gekränkt und behindert ist es schlimmstenfalls der Stolz, aus dem heraus man auf seinem Unglück als letzter Verteidigung beharrt - statt einzuschwänken und damit die Erniedrigung anzunehmen. Diese Beobachtung ist wohl die Quintessenz und Meisterleistung dieses Romans, der sich in endlosen Kreisen immer wieder um dieselben unglücklichen, unerfüllten (Liebes-) Konstellationen bemüht: dieser "Egoismus des Leidens". Wer selbst nichts hat, genießt solange die Erniedrigung. Zwei Dreiecksgeschichten von unerfüllter und missbrauchter Liebe sind das Gerüst, in dem Dostojewski eine Vielzahl spannender Figuren "aufeinander hetzt" - und dabei Szenen schafft, die einem die Luft nehmen oder tatsächlich die Tränen in die Augen treiben.