Cover des Buches Unsichtbare Blicke (ISBN: 9783499216176)
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Rezension zu Unsichtbare Blicke von Frank Maria Reifenberg

Rezension zu "Unsichtbare Blicke" von Frank Maria Reifenberg

von Sineous vor 11 Jahren

Rezension

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Sineousvor 11 Jahren
"Unsichtbare Blicke" ist ein gutes Beispiel dafür, warum ich ungern diese typischen Krimi- und Thriller-Stories lese, in denen meist ein oder zwei Ermittler einem Killer auf der Spur sind und ihm zuvorzukommen versuchen. Inhalt Stella und ihr japanischer Kollege Miki suchen nach dem Mörder der Mädchen, der seine Signatur in Form einer Zahl bei ihnen hinterlassen hat; 011 und 013. Beide wurden nicht geschändet und nicht am Fundort umgebracht, sondern vorher ertränkt. Eine Gemeinsamkeit ist, dass beide adoptiert wurden, aber ob sie das weiterbringt? Josie ist ein eher in sich gekehrtes Mädchen. Sie arbeitet im Altenheim und darf nur selten ausgehen, denn ihre Eltern sind recht streng mit ihr. Dennoch gibt es zwei Männer in ihrem Leben; Felix, mit dem zusammen sie in einen Busunfall gerät und sie sich einander näher kommen. Und Geronimo, ihren Chat-Freund, dem sie sich seit Monaten anvertraut. Als Josie sich schließlich für Felix entscheidet, weiß sie, dass sie keinen Kontakt mehr zu Geronimo haben kann. Doch als dieser austickt und ihr private Fotos aus ihrem Zimmer schickt – Josie wie sie sich eincremt, im Morgenmantel und sogar von ihr und Felix auf der Klassenfahrt –, weiß sie, dass er äußerst gefährlich ist. "Vielleicht setzte sie sich noch ein, zwei Minuten auf die Bettkante, weit oben, direkt neben dem Nachttisch, manchmal tat sie es, dann hatte er sie voll im Bild, er liebte es, wenn sie dort sitzend vor sich hin starrte, mit weit aufgerissenen Augen. Sie wirkte so unverstellt in diesem Moment, vielleicht wartete sie darauf, dass der Rest eines Traums verklang." Der Schreibstil hat mich von vorneherein gefangen gehalten. Mal distanziert, dann wieder kalt und fast gruselig klar formuliert Reifenberg so, dass man unweigerlich nach jedem Bisschen Wärme zwischen den Zeilen sucht, die jedoch knapp bemessen ist. Die Perspektive wechselt zwischen der von Josie, Stella, dem Täter in der Gegenwart und seinen Rückblenden, die dem Leser viel über ihn als Menschen verraten. Die Story an sich ist gut – als Inspiration diente dem Autor ein echter Fall, bei dem ein Mann unbemerkt 100 Mädchen über ihre Webcam beobachtet hatte. In Unsichtbare Blicke empfand ich diesen Part aber nicht einmal als wesentlich, da die Beobachtung für den Täter nur Mittel zu einem bedeutenderen Zweck darstellt. Viel passender hätte ich gefunden, aus dem Stoff eine Stalker-Paranoia-Geschichte zu stricken, bei der die Auswirkungen der Beobachtung auf die Psyche des Opfers deutlich werden. So kamen mir im Laufe der Geschichte einige Dinge unvollkommen vor. Am meisten gestört hat mich jedoch das Hierarchie-Gerangel zwischen den Ermittlern und Polizisten – was ich bereits aus vielen (schlechten) Thrillern und Krimis kenne. Könnte ein Stilmerkmal sein, um dem Leser die Ahnungslosigkeit bzw. fehlende Betroffenheit vor Augen zu führen – mir macht es die Charaktere immer extrem unsympathisch. Zumal auch noch die "Landbevölkerung" als dermaßen dümmlich dargestellt wird. Alles in allem eine nette Idee, aus der sicher mehr hätte herausgekitzelt werden können und die mich persönlich wegen der überheblich auftretenden Ermittler sehr angestrengt hat. Die Schreibweise allerdings nimmt den Leser gefangen und macht vieles wieder wett.
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