Cover des Buches Worte in meiner Hand (ISBN: 9783471351239)
kiraras avatar
Rezension zu Worte in meiner Hand von Guinevere Glasfurd

Der harte Weg einer Frau

von kirara vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Historischer Roman über ein naives junges Mädchen, das durch die extreme Benachteiligung von Frauen im Barock erwachsen wird.

Rezension

kiraras avatar
kiraravor 8 Jahren
Inhalt:
Helena kommt aus sehr einfachen Verhältnissen, hat aber durch Zufall bzw. Wissensdurst als Kind lesen und schreiben gelernt. Dennoch bleibt für sie keine andere Zukunft als als Magd bei einem Buchhändler in Amsterdam. Ihr Chef hat einen interessanten Gast, der bei ihm logiert - René Descartes, der zu dieser Zeit zwar ein brillianter Mann auf dem Gebiet der Naturwissenschaft war, aber weder ausreichende gesellschaftlcihe Anerkennung noch Verantwortungsbewusstsein hat.
Helena, jung und naiv, findet den deutlich älteren Gast beinahe sofort faszinierend. Es kommt wie es kommen muss - sie wird schwanger und muss ihren Arbeitsplatz verlassen.
Es beginnt eine Odysee, ständig neue Orte, immer versteckt, nie darf sie die Identität des Vaters des Kindes sagen, da Descartes nicht nur aus gehobeneren Verhältnissen kommt, sondern ausreichend Kritiker an seinen Werken nur darauf warten ihn diskreditieren zu können.
Helena lernt auf hartem Wege erwachsen zu werden und Verantwortung für sich und das Kind zu tragen, da weder Descartes noch die Gesellschaft ausreichend daran interessiert ist ihr ein anerkanntes Leben zu ermöglichen. Bis die Hölle über Helena hereinbricht...

Cover und Layout:
Schlicht, aber schön und passend.

Meinung zum Schreibstil:
Einfach und verständlich aber dennoch kein Schreibstil von Trivialliteratur. Sehr angenehm zu lesen und der Geschichte angemessen. Ich lege auf so etwas wert.
Der Erzählstil ist aus Helenas Sicht als Ich-Erzähler. Manchmal gibt es sogar stellen, in der der beschreibende Stil durch einen direkten Gedankenstil ersetzt wird d.h. es werden direkt Helenas Gedanken wiedergegeben. Das waren interessante Augenblicke.
Es ist also kein außergewöhnlicher und besonderer Schreibstil, aber angenehm und gut.

Meinung zur Geschichte:
Es ist wirklich eine Liebesgeschichte aus der Zeit, in der die schlimmsten mittelalterlichen Verhältnisse zwar abklingen, aber noch immer extreme Verhältnisse zwischen den Klassen herschen und Frauen noch immer keinen Wert haben. Helenas Geschichte ist die Geschichte von vielen jungen Frauen ihrer Zeit. Wider aller Vernunft und Ängste verliebt sie sich und lässt sich auf eine Liebesbeziehung ein, die im Geheimen bleiben muss, damit der Liebhalber ja keine Nachteile davonträgt. Natürlich aber passiert es, sie wird schwanger, das schlimmste, dass einem Mädchen wie ihr passieren kann. Eine einfache Magd, jung, unverheiratet, aus armen Verhältnissen stammend, auf Arbeit angewiesen, keine Zukunftsperspektive.
Sie hat Glück, dass Descartes doch etwas für sie zu empfinden schient, oder immerhin so sehr das schlechte Gewissen plagt, dass er nicht zulässt, dass sie einfach auf die Straße geworfen wird, seinen gesellschaftlichen Ruf will er für sie und das gemeinsame Kind aber nicht aufgeben.
Aber gerade dadurch lernt Helena, kann ihr Wissen und ihre Schreib- und Lesekunst und vor allem ihre Zeichenkunst ausbauen, verfasst Bücher und Abschriften, die sie sogar anonym (sie ist schließlich eine Frau) verkaufen kann. Sie geht als die selbt- und verantwortungsbewusste Person aus dieser komischen Beziehung hervor und holt für sich und das Kind das bestmöglichste heraus.
Ich fand dies besonders schön am Roman. Schade finde ich allerdings, dass der Fokus alleine auf der Liebesgeschichte liegt. Helenas Gedanken, ob nun selbstbewusst oder unterwürfig, drehen sich fast ausschließlich um Descartes. Ihr Leben bleibt ziel- und bedeutungslos, und auch ereignisarm, aber genau das spiegelt die Echtheit und die Recherchearbeit der Autorin wieder. Es ist nicht die Geschichte einer Kämpferin, die durch ihre Willenskraft eine Gesellschaft ändern kann, sondern es ist die Geschichte einer realen Person, die in ungerechten Verhältnissen gelebt hat.
Die Autorin hat nach dem Ende auch kurz einiges über ihre Recherchen erklärt, was ich interessant und ergänzend fand.

Fazit:
Es ist ein echter historischer Roman, mit realen Hintergründen und beleuchtet eine wissenschaftliche Koryphäe, der selbst ebenfalls im gesellschaftlichen Zusammenspiel seiner Zeit gefangen war und als Mann mit vielen Privilegien immer den einfachsten Weg gesucht hat, was ihn schon deutlich weniger billiant macht.
Dementsprechend bleibt die Geschichte handlungsarm und stecken in der schweren Liebesbeziehung, aber nicht minder interessant und lehrreich. Für Leser von Romanen mit echten Personen wirklich empfehlenswert.
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks