Cover des Buches Eine Frau bei 1000° (ISBN: 9783608501124)
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Rezension zu Eine Frau bei 1000° von Hallgrimur Helgason

Rezension zu "Eine Frau bei 1000°" von Hallgrimur Helgason

von anyways vor 12 Jahren

Rezension

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anywaysvor 12 Jahren
Alt, faltig, bettlägerig, vulgär, scharfzüngig und mitleidlos – so in etwa könnten eine kurze Auswahl an ein paar Attribute der 80 jährigen Herbjörg Maria Björnsson lauten. Eine erst uneheliche Enkelin des ersten Präsidenten Islands, mit einer Mutter aus einem einfachen Stand, weswegen sich ihr Vater auch erst in ihrem siebten Lebensjahr an die Zeugung und die damit einhergehende Verantwortung erinnert. Der Vater hatte aber nicht nur diese charakterliche Schwäche sondern trat als einer der wenigen der Wehrmacht bei. Ein Umstand der Herr( wie sie von allen gerufen wird) ein Leben lang begleiten wird. (Hier erhebe ich schon den ersten Einwand, angeblich sollen authentische Biographien mit eingebaut worden sein, nur lässt sich bis auf ersten Präsidenten nichts recherchieren. Schade.) Sie ist und war alles, alte Frau auf einem Abstellgleis, wohnhaft in einer umgebauten Garage mit Internetzugang und Pflegedienst, glückliches Kind, behütetes Kind, plötzlich neureiches und angesehenes Kind in der politischen Welt Islands, verzogene Göre, verunsicherter und später geschändeter Teenager, verruchte Hure, liebevolle und lieblose Mutter mit ebenso lieblosen Kindern und geldgierigen Schwiegerkindern. Sie hat ein multiples Leben hinter sich und den Tod vor sich. Achtzigjahre reflektiert, wovon ein Großteil die Kriegsjahre 1941-45 einnehmen. Alle anderen kommen ein wenig zu kurz. Eine Person die Länder und Männer bereiste. Aus einem unglücklichen Zufall in den Kriegswirren von ihren Eltern getrennt ist sie danach mehr als zwei Jahrzehnte auf einer Odyssee- nur nach was oder wem erschließt sich mir nicht. Der Sprachstil des Autors ist ebenso schwer einzuordnen. Mal ist er distanziert und nur auf Fakten versessen, dann appelliert er an mein Mitgefühl, meist jedoch ist er laut, schnell, sprunghaft, vulgär und obszön. Genauso bin ich seiner Geschichte um die, wie mir zu Anfang schien, recht toughe Großmutter, gefolgt, angezogen von Neugier, die nie wirklich ganz befriedigt wurde, meistens jedoch abgestoßen von der sehr gossenhaften Sprache. Viele Erzählstränge wurden für mein Empfinden zu schnell abgebrochen und bei der Wiederaufnahme wurde die Geschichte nicht wirklich zu Ende erzählt sondern blieb im Dunkeln. Einzig die Einflechtung von Begegnungen mit Zeitzeugen, wie Marlene Dietrich und John Lennon, politischen Aspekten der damaligen und heutigen Zeit fand ich interessant und gut umgesetzt. Ganz ehrlich eine Frau die wirklich alles Schöne und alles Schlechte auf dieser Welt gesehen hat, die schon zu Lebzeiten in der Hölle war, hat ein Recht auf eine bildhafte Sprache, nur diese Frau deren Geschichte der Autor erzählt, ist keine Frau sondern ein Mann und als solches handelt, denkt und agiert er/sie und aus diesem Grund hat mich die Geschichte wenig berührt, sie wirkt nicht ehrlich. Ein Sache fiel mir noch auf, ohne zu viel zu verraten ,den Vorgang den der Autor auf der letzten Seite beschreibt ist schlichtweg Blödsinn, denn die Leichenstarre beginnt nach 24-48 Stunden sich wieder zu lösen, dann wäre der Gegenstand leicht zu entfernen gewesen.
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