Cover des Buches Der Alpdruck (ISBN: 9783351035785)
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Rezension zu Der Alpdruck von Hans Fallada

"Sie lieben nichts mehr und sie leben eigentlich auch nicht mehr.

von TochterAlice vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Ohne Hoffnung, hoffnungsvoll, traurig, heiter, ratlos, zuversichtlich und vom großen Fallada direkt nach dem 2.Weltkrieg verfaßt: Lesenswert

Rezension

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TochterAlicevor 10 Jahren

Sie haben nichts mehr und sie sind nicht mehr." (S. 125): Der Protagonist dieses Romans Dr. Doll - ein Alter Ego Hans Falladas - und seine junge Frau Alma.

In diesen und vielen anderen Sätzen wird die Verlorenheit geschildert, die viele Deutsche gleich nach Kriegsende empfanden - vor allen in und um Berlin, wo dieser Roman spielt: Im eigenen Vorwort schreibt Fallada: "Es war nicht erfreulich, diesen Roman zu schreiben, aber das Buch schien dem Verfasser wichtig." (S. 14) und erwähnt gleich darauf Wilhelm Busch: kein Wunder, denn mit diesem Buch bringt sich Fallada ganz in dessen Nähe. Was Busch gezeichnet hat, schreibt Fallada: kleine Karrikaturen, denen in diesem Falle allerdings eine viel stärkere, vom Zeitgeist geprägte Tragikomik innewohnt.
Ich bin begeistert und schockiert - beides gleichzeitig, dieses Buch nimmt mich ganz schön mit. Hier geht es viel um die seelische, nicht die körperliche Erniedrigung der Menschen.. alles sehr eng an Falladas Realität und gerade dadurch so erschütternd. Seine persönlichen Probleme und die seines Umfelds werden thematisiert, er geht schonungslos mit sich, seinen Mitmenschen und vor allem mit Berlin um. Schonungslos, aber nicht hoffnungslos. Eindrucksvoll und schmerzhaft sind auch wieder die Hoffnungen geschildert,denen sich Doll und Alma immer wieder voller Naivität hingaben und erfahren mussten, dass sie sich sowohl an den Umständen als auch vor allem an den Menschen getäuscht haben, sie erleben sowohl Ausbeutung und Ablehnung, als auch - teilweise komplett unerwartete - Unterstützung.

Dieses Buch hat mich gleichzeitig begeistert und schockiert - es ist sehr kraftvoll. Auch wenn es immer wieder heitere Passagen gibt: Die Todessehnsucht, die aus anderen in dieser Zeit verfassten Werken deutscher Autoren wie Klaus Mann spricht, ist auch hier stark zu spüren. Trotzdem empfand ich das Ende des Buches als eines mit Hoffnung: umso mulmiger war mir, als ich darüber nachdachte, dass Fallada danach nur noch wenige Monate gelebt hat und nichts, aber auch gar nichts für ihn gut ausging. Und es ist frappierend, wenn man sich ins Bewußtsein ruft, wann das Buch geschrieben wurde: wie kurz der Krieg tatsächlich erst vorbei war, was alles noch NICHT geschehen ist von dem, was wir heute wissen! Ein Zeitzeugenroman, aber einer von hohem künstlerischen wie auch gesellschaftspolitischen und historischen Wert, der das Chaos in der Hauptstadt gleich nach dem Krieg sehr gut spiegelt. Ein Buch, das mit Umsicht und mit viel Zeit gelesen werden könnte - um das der interessierte Zeitgenosse aber einfach nicht herumkommt. Ein Buch, das teilweise schwer zu ertragen, aber dadurch umso wertvoller ist und das ich aus ganzem Herzen empfehle!


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