Cover des Buches Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki (ISBN: 9783442749003)
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Rezension zu Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki von Haruki Murakami

Distanziert, gekünstelt, bemüht philosophisch

von Weltensucher vor 7 Jahren

Rezension

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Weltensuchervor 7 Jahren
Haruki Murakami – ein beliebter Name in der gegenwärtigen Literatur. Ich habe mir schon lange vorgenommen, etwas von diesem japanischen Autor zu lesen, wo er doch weltweit Bekanntheit und Anerkennung genießt. „Die Pilgerreise des farblosen Herrn Tazaki“ fiel mir eher zufällig in die Hände und leitete schließlich meine erste und leider vermutlich letzte Murakami-Probe ein.

Im Zentrum des Geschehens steht Tsukuru Tazaki, ein Bahnhofsingeneur Mitte dreißig. Seit er vor sechzehn Jahren ohne jede Erklärung von seinen vier besten Freunden aus ihrer Clique verstoßen wurde, leidet er unter dem traumatischen Verlust jener Freundschaft, die ihm alles bedeutete. Auf eine anfängliche Lebenskrise und Selbstmordgedanken folgt eine erzwungene Abfindung seinerseits mit den vergangenen Geschehnissen und Tazaki lebt sein Leben als Einzelgänger weiter. Erst als seine Freundin Sara ihm rät, sich mit seiner Vergangenheit auseinander zu setzen, sucht er Jahre später nach Erklärungen und den Kontakt zu seinen alten Freunden...

Mir hat das Lesen nur sehr wenig Spaß bereiten. Das lag vermutlich vor allem an dem Erzählstil, mit dem ich wirklich gar nichts anfangen konnte und an dem ich mich schon ab den ersten Seiten störte.

Auf Passagen, die eher einer Berichterstattung ähneln als einem Roman folgen hölzerne Dialoge fern jeder realistischen Kommunikationsformen - mal bemüht philosophisch, dann in einem so seltsamen Ton, dass das Gefühl vermittelt wird, Tsukuru spreche mit einem Psychologen statt mit seinen Freunden. Ständig ergänzen sich die Figuren auf wirklich eigenartige Weise, ständig fallen absichtliche, um Weisheit bemühte Sentenzen, die mir stets fremd und unpassend erschienen. Zwischen mir und dem Roman blieb bis zum Ende jedenfalls eine gewisse Distanz, die sich wahrscheinlich vor allem auf meine Abneigung gegenüber dem Sprachstil begründete, den ich selten so gekünstelt erlebt habe.

Dementsprechend konnte ich mich auch mit keinem der Charaktere anfreunden. Allesamt blieben für mich tatsächlich „farblos“, platt und distanziert. Ihre Beschreibungen haben mir gar nicht gefallen – auf einer halben Seite wurde zu jeder Person eine kleine und scheinbar beliebige Hintergrundgeschichte platziert, jeder ein mehr oder minder interessantes Hobby angedichtet, kurz das Hauptmerkmal seines Charakters genannt, vielleicht auch seine schulischen Leistungen und später der Beruf – und das war es auch schon. Worauf die Freundschaft zwischen den fünf Hauptpersonen sich begründete, blieb mir schleierhaft – schließlich gab es weder gemeinsame Szenen noch Dialoge zwischen ihnen.

Diese hätte man meiner Meinung nach aber leicht unterbringen und stattdessen die ständigen Wiederholungen, die sich durch den gesamten Roman ziehen, streichen können. Immer wieder wurde die Geschichte des Herrn Tazaki und sein Leben generell noch einmal von vorne geschildert, als könnte der Leser die Basisdaten dazu – denn darüber ging das Ganze ja auch nicht hinaus – wieder vergessen haben.

Auch die Handlung war für mich an den meisten Stellen langweilig. Ich hatte zumindest auf ein spektakuläres Ende gehofft, in dem alle Fragen geklärt und sich die Einzelheiten zu einem großen Ganzen fügen, doch auch in dieser Hinsicht wurde ich enttäuscht. Dabei bleibt auch vieles, was Erwähnung fand, einfach unberücksichtigt – mir stellt sich nun die Frage nach dem Sinn und Beitrag zu der Handlung jener meiner Meinung nach vollkommen überflüssigen Aspekte (auf die ich ohne zu Spoilern nicht näher eingehen kann).

Insgesamt war mein erster Murakami-Roman eine sehr große Enttäuschung und rief vor allem großes Unverständnis für seine Beliebtheit in mir hervor. Ob es wohl an der Übersetzung lag, an kulturellen Differenzen? Ich weiß es nicht. Mir hat „Die Pilgerreise des farblosen Herrn Tazaki“ jedenfalls rundum einfach nicht zugesprochen und es wird sicherlich eine ganze Weile dauern, bis ich mich wieder an diesen Autor heranwagen werde.

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