Cover des Buches Blutklingen (ISBN: 9783453314832)
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Rezension zu Blutklingen von Joe Abercrombie

Fantasy meets Wild Wild West

von kornmuhme vor 11 Jahren

Rezension

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kornmuhmevor 11 Jahren
Warum kann ich nicht 6 Sterne vergeben? Oder gleich 10??? Der neue Roman von Joe Abercrombie bietet wieder gewohnt alles, was ich von einem starken Fantasy-Roman erwarte: ausgefeilte Charaktere, Reisen durch unbekannte Länder und Landschaften, Kämpfe, Blut und Sarkasmus bis zum geht nicht mehr!

Inhalt:
Leicht hat es Scheu Süd nun wirklich nicht. Sie lebt in einer Siedlung irgendwo am Ar*** der Welt, betreibt dort einen Bauernhof mehr schlecht als recht und kümmert sich um ihre beiden jüngeren Geschwister, ihren Stiefvater Lamm (ein Feigling vor dem Herrn) und einen uralten Hilfsarbeiter. Ihre Vergangenheit und das karge Leben haben sie zynisch und hart werden lassen. Eines Tages kehrt sie nach Verhandlungen im Dorf zu ihrem Hof zurück - und findet ihn völlig heruntergebrannt vor. Der Hilfsarbeiter ist tot, die Kinder verschwunden. Mit ihrem Stiefvater Lamm macht sie sich auf den Weg, die Kinder zu finden und schließt sich einem Treck von Abenteureren und Glücksrittern an, die auf dem Weg in das weit entfernte Gebirge sind, um dort ihr Glück zu machen und Gold zu finden.
Dann ist da noch Tempel, Rechtskundiger in der Armee der Gerechten Hand, die von dem Verrückten Nicomo Cosca abgeführt wird. Im Prinzip besteht die Truppe aus Mördern, gescheiterten Existenzen und Halunken, die als Söldnerarmee plündernd und mordend durchs Land ziehen. Doch diesmal bekommt Cosca für seine Truppe einen Auftrag: Im Namen des Königs der Union sollen Aufständische aufgespürt und vom Großinquisitor verhört werden. Tempel zweifelt mehr und mehr an dem Vorgehen der Armee und des Inquisitors.
Irgendwann kreuzen sich natürlich die Wege von Tempel, Scheu, Treck und Armee ...

Meinung:
So liebe ich Fantasy: grim & gritty, hart, desillusioniert, sarkastisch, blutig. Bisher bin ich bei Abercrombie auch noch nie enttäuscht worden, so auch diesmal nicht!
Getragen werden seine Romane zum einen durch starke, ausgefeilte Charaktere und eine sehr bildhafte Erzählweise.
Scheu Süd ist eine taffe Frau, zäh, hart im Nehmen und sehr misstrauisch. Aufgrund ihrer Vergangenheit - von der der Leser immer mal wieder ein Häppchen vorgelegt bekommt, aber nie zu viel - hat sie dieses Leben, wie es jetzt ist, gewählt und kommt über die Runden. Aus ihrer Sicht wird auch der Großteil der Geschichte erzählt. Scheu kommt sehr realistisch rüber, ihre Zweifel, Ängste, aber auch ihr Schneid und ihre Zielstrebigkeit machen sie zu einem glaubhaften Charakter. Genauso ist es bei Tempel, der anderen Point-of-View-Figur. Tempel ist ein Zweifler, ein Zögerer und Zauderer, der bisher immer den Schwanz eingezogen hat und abgehauen ist, wenn's brenzlig wurde. So scheint er in seiner jetzigen Position als Rechtskundiger bei Nicomo Cosca (herrlich irre!!) in einer Sackgasse zu stecken. Er findet es widerwärtig, was die Söldnertruppe tut - aber aussteigen kann er in Ermangelung besserer Ideen auch nicht. Ich fand auch Tempel sehr authentisch gezeichnet, sein Dilemma kommt glaubhaft rüber. Eigentlich will er immer das Richtige tun, moralisch sein und gut handeln, er scheitert aber regelmäßig.
Der undurchsichtigste Charakter ist Lamm, und Abercrombie-Lesern wird sicherlich recht schnell aufgehen, wer hinter dieser Figur steckt. Mehr will ich nicht verraten :-).
Die Geschichte selbst ist eigentlich recht unspektakulär: Scheu macht sich auf die Suche nach ihren Geschwistern, schließt sich einem Treck von Abenteureren an und erlebt dabei natürlich viele Gefahren, Kämpfe, Widrigkeiten. Gut, aber das Rad muss m.E. nicht neu erfunden werden, viel wichtiger ist es, WIE ein Autor seine Welt entwirft, beschreibt und seine Figuren darin agieren lässt - und DAS beherrscht Abercrombie meisterlich! Nach den ersten paar Seiten ist bei mir schon das Kopfkino angesprungen, Land und Leute sind derart bunt und lebendig, dass die Seiten nur so dahinfliegen! Die Dialoge sind spritzig, deftig, auch mal tiefsinnig, die Kämpfe blutig und heftig. Und auch unsere Protagonisten werden nicht geschont und müssen so einiges abkönnen!
Im Prinzip handelt es sich bei der Geschichte um eine Reise durch den "Wilden Westen": endlose Prärie, Indianer, Glücksritter, Halunken, Goldsucher, Neubesiedlung unbekannter Gebiete. Aber es ist und bleibt ein Fantasy-Roman.

Fazit:
Fantasy im Breitbildformat - so heißt es im Klappentext (zumindest auf anderen Abercrombie-Büchern). Und das stimmt auch! Man meint, man sieht einen Blockbuster im Kino! Mit dem Vorteil, dass Charakterentwicklung, Gedankengänge der Figuren und Dialoge nicht zu kurz kommen. Wer Figuren jenseits der typischen Heldenzeichnung und Schwarz-Weiß-Malerei schätzt, blutige Kämpfe und dreckige Dialoge mag und eine ordentliche Portion Desillusionierung und Zynismus abkann, ist bei diesem Roman absolut richtig!
Satte 5 von 5 Sternen!

P.S.: Das Buch ist ein Einzelband und kann ohne Vorkenntnis der anderen Abercrombie-Bücher gelesen werden. Es spielt allerdings im selben Universum.
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