Cover des Buches Zuhause in Fukushima (ISBN: 9783218009065)
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Rezension zu Zuhause in Fukushima von Judith Brandner

Fukushima ist zu schnell vergessen!

von wandablue vor 10 Jahren

Kurzmeinung: bereichernd !

Rezension

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wandabluevor 10 Jahren
Furusato – Heimat – sie ist verstrahlt! Sie ist über Generationen hinweg verstrahlt und deswegen für immer verloren. Darüber trauern die Japaner: diejenigen, die aus der Evakuierungszone um den (AKW) - Standort herum ausgewiesen wurden und diejenigen, die als sogenannte „freiwillige Flüchtlinge“ der wirklich sehr knapp bemessenen Zone eines Sicherheitsgürtels nicht trauen und ebenfalls das Weite suchten. Problematisch: sie bekommen nicht die geringste Entschädigung, denn offiziell sind sie nicht gefährdet, sagen die Regierung und Tepco.

Viele betroffene Menschen in Japan haben sich seit dem 11. März 2011, einem weiteren Schicksalstag Japans, nämlich dem Tag der Nuklearkatastrophe, verändert: Dies ist eine Chance für die japanische Gesellschaft. Werden alte, überlebte und überkommene Strukturen aufbrechen? Vor allem Frauen legen die Hände nicht in den Schoß, oft gründen sie NGOs, wenn es sein muss im Alleingang, die sich darum bemühen, die Bevölkerung aufzurütteln, ihnen den Ausstieg aus der nur vordergründig günstigen Atomenergie nahe zu bringen und gleichzeitig den Opfern der Katastrophe Hilfe zu geben: Arbeitsplätze, Lebenssinn. Denn viele Bauern und Fischer, denen die Lebensgrundlage entzogen wurde, neigen dazu, sich und ihre Familien aufzugeben.

Auch Journalisten und Ärzte stellen ihre Kraft der Allgemeinheit zur Verfügung. Viele Japaner fühlen sich mitverantwortlich, weil sie vorher blauäugig darauf vertrauten, es werde schon alles gut gehen und die Regierung werde es schon richten. (Kommt einem bekannt vor dieses Verhaltensmuster!)

Aber noch immer machen die Behörden den Menschen falsche Hoffnungen, behaupten zum Bespiel, die meisten könnten bald auf ihre Höfe zurückkommen, denn die Dekontaminierungsarbeiten schritten zügig voran.

Und die Büros der Internationalen Atomenergiebehörden gewinnen rasch wieder an Einfluss, so dass der Arzt Toshihiko Hashimoto frustriert ist: „Es sei, sagt er, völlig irrelevant, ob die Politik einmal für und einmal gegen den Ausstieg eintrete. Das Sagen haben ohnehin die Unternehmen, die mit der Atomenergie Geschäfte machen und letztendlich werden sich diese [Kräfte] durchsetzen.“

So steht es auf der Kippe, was sich in Japan wirklich durchsetzen wird: das einerseits erwachte Bewusstsein von Verantwortung und notwendigem Engagement des einzelnen über den eigenen Tellerrand hinaus oder die Resignation und die Desinformationspolitik der Regierung und der Atomenergieunternehmen.

Gehalten sind die Porträts in sehr sachlicher Manier, meines Erachtens dem einzig angemessenen Stil, angesichts einer Katastrophe, deren Auswirkungen auf lange Sicht nicht aufhebbar sind und den Betroffenen alles abverlangt. Die Autorin hat darauf verzichtet Emotionen „auszuschlachten“: dies zeugt von Respekt gegenüber den Opfern und gegenüber dem Leser, der hier ungern zum Voyeur degradiert würde.

Fazit: Judith Brandner hat in den verschiedenartigsten Porträts von Menschen in diversen Regionen Japans viele Informationen untergebracht, die es wert sind, gelesen und behalten zu werden, sowohl über die Katastrophe als nebenbei auch über die Mentalität Japans, einem Land, das doch vielen fern und fremd ist. Fukushima wird zu schnell vergessen!

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