Cover des Buches Wintzenried (ISBN: 9783423142472)
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Rezension zu Wintzenried von Karl-Heinz Ott

Der wahre Rousseau?

von Xirxe vor 10 Jahren

Rezension

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Xirxevor 10 Jahren
Tut es gut, wenn man einen der ganz Großen der Geschichte zum Hanswurst herunterschreibt? Ist es ein Genuss darüber zu lesen? Nach der Lektüre dieses Buches und der Rezensionen aus professioneller und nichtprofessioneller Feder zu urteilen, behaupte ich mal schlicht ja. Alle LeserInnen hatten sich glänzend amüsiert mit dem Roman über diesen ach so großen Denker, der in Wahrheit jedoch offenbar ein ganz armseliges Würstchen war: hypochondrisch, egozentrisch bis zum gehtnichtmehr, überheblich, arrogant, wankelmütig, ein Misanthrop dem man sich nie zu begegnen wünscht. Und der Autor scheint frohgestimmt kein gutes Haar an Rousseau zu lassen. Könnte man nicht aus anderen Quellen etwas über ihn erfahren (oder vielleicht sogar schon etwas von ihm gelesen hat), würde man NIE ahnen, welch großen Einfluss dieser Mensch auf die westliche Welt ausübte.
Ich gestehe, meine Kenntnis über Rousseau war eher, nun ja, marginal. So fragte ich mich, woher der Autor seine Informationen hatte oder ob es sich um ein reines Phantasieprodukt handelte. Keine der vielen Biographien, die im Netz kursieren, gibt auch nur annähernd Ähnliches wieder. Ja, die äußeren Fakten (Aufenthalte in bestimmten Städten, Tätigkeiten usw.) stimmten, aber sonst fand sich nichts. Bis ich auf ein Werk von Rousseau selbst stieß: Bekenntnisse. Seine Autobiographie, die erst posthum veröffentlicht wurde und in der er schonungslos über sich selbst schrieb, voller Selbstkritik und Offenheit. Hier finden sich Details wieder die in Otts Buch auftauchen, womit klar sein dürfte woher der Autor seine Informationen hatte. Selbst Otts Stil entspricht im Großen und Ganzen der Schreibweise Rousseaus, sodass ich letztendlich zu dem Schluss komme: Wintzenried scheint nichts Anderes als eine Zusammenfassung der skandalöstesten Ereignisse aus den 'Bekenntnissen' zu sein, angereichert durch die unermüdliche Anwendung der Hyperbel als Stilmittel.
Begeistert hat mich das Buch durch diese beharrlichen Schmähungen nicht besonders. Statt dessen werde ich mich nun dem Original zuwenden: Die 'Bekenntnisse' sind sicherlich nicht weniger offenherzig und skandalös ;-), dafür aber garantiert nicht so einseitig. Und von den Gedanken, die Rousseau so berühmt machten, kann man auch etwas lesen.
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