Cover des Buches Ida (ISBN: 9783839816523)
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Rezension zu Ida von Katharina Adler

Eine widersprüchliche Persönlichkeit

von EvelynM vor 6 Jahren

Rezension

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EvelynMvor 6 Jahren

Ida ist keine einfache Persönlichkeit: sie hat an allem und jedem etwas auszusetzen, gibt sich sogar als moralische Instanz ihres eigenen Geschlechts aus, meckert unzufrieden herum, erscheint oft egoistisch, wortkarg und selbstgerecht. Somit hatte ich von Ida keinen allzu guten Eindruck. Im Laufe des Buches wird jedoch klar, warum sie so geworden ist, wie die Menschen in ihrem Umfeld versucht haben, sie zu manipulieren und auszunutzen. Bereits in ihrer Kindheit hatte sie, aber vor allem auch ihr Vater mit allerlei Wehwehchen und Krankheiten zu kämpfen. So scheint es, als würde Ida immer dann physische Beschwerden entwickeln, wenn ihr etwas unangenehm ist oder sie eigentlich aus ihrem Leben ausbrechen wollte. Ihrem Bruder Otto ist sie tief verbunden und er spielt neben ihrer Cousine Elsa eine große Rolle in ihrem Leben.

Mein „Wissen“ zu Sigmund Freud ist recht oberflächlich. Doch nachdem, was ich hier über ihn erfahren habe, steht mir nicht der Sinn danach, dies zu ändern. Dr. Freud thront geradezu über seiner jungen Patientin, die auf einem Diwan liegend von ihm abgewandt die Therapie über sich ergehen lassen muss. Der Arzt klappert derweil mit seiner Uhrenkette, was Ida noch Jahre später in Erinnerung bleibt, und interpretiert ihre Träume und Handlungen als sexuell motiviert oder frustriert, ohne so recht auf ihr Leben und ihre Person einzugehen. Ich hatte stets den Eindruck, dass er eine vorgefasste Meinung hatte und Ida ging es genauso. Ihren Mut, die Therapie abzubrechen, kann ich nur bewundert. Schließlich war sie eine junge Frau und von ihrem überzeugten Vater zum Arzt geschickt worden. Die Behandlung bei Sigmund Freud nimmt nur einen kleinen Raum in der Lebensgeschichte von Ida Adler, geborene Bauer, ein. Vielmehr füllt Katharina Adler den Roman „Ida“ mit der Lebensgeschichte ihrer Mutter, historischen Ereignissen und dem Wesen dieser Frau – nicht strikt biografisch, sondern auch mit Fantasie.

Das Hörbuch hat mich vor eine Herausforderung gestellt. Zunächst kam ich mit der monotonen Stimme von Petra Morzé nicht gut klar, was sich allerdings im Laufe der Zeit legte. Die Färbung durch ihren österreichischen Sprachgebrauch passte ganz gut zu der Geschichte. Schwerer tat ich mir hingegen mit den Zeitsprüngen, die mich in Idas Leben hin- und hergeworfen haben. Als diese ausblieben, habe ich mich besser in den Geschehnissen zurechtgefunden. Die historischen Ereignisse – von der Kaiserzeit bis hinein in den Nationalsozialismus und den 2. Weltkrieg – waren sehr interessant und haben Idas Leben geprägt. Es wird ganz klar, dass „Der Fall Dora“ - die Therapie bei Sigmund Freud - nur ein Aspekt im Leben von Ida Adler war und diese Frau dahinter interessant ist und widersprüchliche Gefühle im Leser hervorruft. Katharina Adler hat das Leben ihrer Urgroßmutter sicherlich gründlich recherchiert und die Lücken mit ihrer Fantasie gefüllt. Es erzeugt durchaus Spannung und zieht den Leser vor allem während Idas Flucht in seinen Bann. Ihr Schreibstil ist intensiv und gekonnt, wenn ich an die vielen kleinen Details in der Beschreibung von Idas Wesen denke.
Leider konnte ich den Schwerpunkt auf der politischen Karriere von Otto Bauer nicht nachvollziehen. Auch hätte ich mir gewünscht, dass die Auswirkungen der Therapie auf Ida mehr hervorgehoben worden wären. Dies bleibt etwas im Dunkeln.

Insgesamt finde ich „Ida“ sehr interessant und auch sprachlich gut gelungen. Die Verbindung aus Biografie und Geschichte gefällt mir und zum Ende hin konnte ich mich sogar etwas mit Ida anfreunden, was ich von Dr. Freud nicht behaupten kann. Ich würde es als Buch gerne weiterempfehlen, denn als Hörbuch fand ich es schwierig zu verstehen. Doch es ist auf jeden Fall lesenswert und gibt Einblicke in die Anfänge von Dr. Sigmund Freud aber vor allem gibt es dem „Fall Dora“ als Ida Adler (Bauer) ein Gesicht und eine Stimme.

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