Cover des Buches Liebesgeschichte (ISBN: 9783908777373)
Rezension zu Liebesgeschichte von Louise de Vilmorin

Rezension zu "Liebesgeschichte" von Louise de Vilmorin

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 15 Jahren

Kurzmeinung: Eine wundervolle, kleine Geschichte um den Glauben an die Liebe... Die Sprache erinnert mich an die Kurzgeschichten des 19. Jahrhunderts, da...

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 15 Jahren
„Ach! Könnte er sich doch nur in ein anderes junges Mädchen verlieben.“ Sie kannte die Großen der Großen. Sie war mit André Malreaux befreundet, war für ein Jahr mit Graf Pál Pálffy de Erdöd, einen ungarischen Playboy, verheiratet, hatte eine Affäre mit Jean Cocteau und war geliebt und bewundert von Künstlern, Tänzern und Literaten wie Paul Meurisse, Anaïs Nin und René Clair, dem sie das vorliegende Buch auch widmete. Mit Antoine de Saint-Exupéry gar ist sie 1923 verlobt gewesen. Louise de Vilmorin soll zudem von entzückender Schönheit und mit den schönsten violetten Augen gesegnet gewesen sein. Ihre Histoire d’aimer, dieses Jahr in Deutschland im Dörlemann Verlag unter dem schlichten Titel Liebesgeschichte wieder aufgelegt und neu übersetzt von Patricia Klobusiczky, erschien 1955 in Frankreich und in Anbetracht dieser Jahreszahl darf man ob dieser in seiner Form sehr klassischen Novelle mit Briefromancharakter nur staunen. Sie wirkt, als wäre sie aus dem 19. Jahrhundert, diese Geschichte. „Während Catherine Valle-Didier als verheiratete Frau zur Verschwiegenheit neigte, führte ihre Freundin Marise Lejeand, die keinen Ehemann mehr hatte, ein recht offenes Leben.“ Dieser erste Satz eröffnet wahre Welten. Doch Madame Valle-Didier, immer darauf bedacht, den gesellschaftlichen Standard zu erfüllen, und der Freigeist Marise sind wirklich gut miteinander befreundet. Beide Frauen haben zwar ihren eigenen Standpunkt, auf den sie stolz sind, darum necken sie sich insgeheim auch, aber das tut ihrer beider Freundschaft keinen Abbruch. Ins allzu Persönliche lassen die zwei ihre Zusammenkünfte sowieso nicht abdriften. Aber, da sie sich wirklich sehr zugetan sind, ist es auch kein Verwundernis, „dennoch war es reiner Zufall, dass sie sich im Juni im selben Hotel an der normannischen Küste wiederfanden.“ Während eines Spaziergangs treffen Madame Valle-Didier und Marise auf eine Bekannte, die sie zum Tee in die nahe gelegene Pâtisserie einlädt und darauf besteht, dass sie ihren Urlaub bei ihr, in ihrem Haus, beenden, denn im Hotel zu wohnen, das sei doch Unsinn! Beim Tee erzählt die alte Dame dann von ihrem Enkel Peter von L., der „gerade seinen Genesungsurlaub bei mir verbringt.“ Vom Krieg zum Pflegefall degradiert, familienlos gemacht und verarmt, wird auch er in dem Haus der reichen Ausländerin, die namenlos bleibt, wohnen bis er genesen ist. Ein Weiteres vertraut die alte Dame den Freundinnen an: „Ja, den armen Peter erwartet eine furchtbare Nachricht, die wir ihm aufgrund seines Zustands noch nicht mitteilen durften. Sie könnte ihm zum Verhängnis werden. Die Ärzte haben es ausdrücklich gesagt: Wir müssen Zeit gewinnen. Die Wahrheit ist: Das Mädchen, das Peter liebt, ist tot.“ Die beiden Freundinnen sind unsäglich vor Mitleid um den jungen Mann und versprechen der reichen Frau, ihm gute Gesellschaft zu leisten. Mit diesem Versprechen, dem Einzug der beiden so unterschiedlichen Freundinnen in das Haus der reichen Ausländerin und dem wahrlich reizenden Peter von L. beginnt das Dilemma der Novelle. Auf dem Cover sind drei liebreizende Damenrücken zu erspähen. Unter diesem Bild steht deutlich ‚Roman‘ geschrieben. Der Roman ist eine epische Großform, die vor allem durch ihre vielschichtigen Erzählstränge und ihre oft ambivalenten Charaktere lebt. Seine letztendliche Daseinsberechtigung erlangte diese Gattung im 18. Jahrhundert, der Romantik, als der damalige ‚Literaturbetrieb‘ nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten suchte, um in jener Zeit vor allem auch moralische und gesellschaftliche Aspekte darstellen zu können. In der vorliegenden Geschichte allerdings finden sich bereits in Madame Valle-Didier und Marise Lejeand recht flache Charaktere, die sich durch ihre stereotype Gestaltung sehr einfach einordnen lassen und der Geschichte in all ihrer offensichtlichen romantischen Tragik einen nicht zu verachtenden ironischen und leichtfüßigen Charakter geben. Der Leser hat es hier offensichtlich mit einer Art der Verwechslungskomödie zu tun. Und daran begründet sich auch der Begriff der Novelle, mit dem Vilmorins Liebesgeschichte hier bezeichnet wird. Die Novelle entstand ihrerseits im italienischen Raum und kann ihre Karriere bereits einige Jahrhunderte früher einschlagen. ‚Als in Florenz die Pest umgeht, entschließen sich sieben junge Damen und drei Männer, um der Seuche zu entgehen, auf einen Landsitz vor der Stadt. Sie lenken sich ab, indem sie sich in zehnten Tagen 100 Geschichten erzählen, die alle von Liebe, Geiz, Großmut, Geistesgegenwart und Glück handeln, teilweise durchaus recht drastisch und eindeutig sind.‘ Im 14. Jahrhundert wird durch Giovanni Boccaccios Dekamerone die Novelle zum Vorbild für viele folgende Novellensammlungen. Zwar ist Boccaccio nicht der erste, der die abendländische Novelle schuf, doch, in der Geschichte von Louise de Vilmorin wird deutlich, dass diese Tradition bis heute nicht abgebrochen ist. Goethe bezeichnete die Novelle geradlinig als eine „unerhörte Begebenheit“. Diese findet sich in der Liebesgeschichte zweifellos. Sowohl Madame Ville-Didier als auch Marise sind dem jungen, charmanten Peter sofort verfallen und buhlen um seine Gunst. Der ehrliche Gentleman ahnt davon nichts und amüsiert sich mit den zwei Frauen einfach prächtig. Zwischen den Freundinnen entspinnt sich so ein unausgesprochener Kampf. Der dritte Rücken auf dem Cover könnte Madame Valle-Didiers Tochter gehören, die ihre Mutter in dem Haus der reichen Ausländerin besuchen kommt und das Chaos perfekt macht, denn Catherines 18-jährige Tochter findet außerordentlichen Gefallen an dem allseitig begehrten Peter. Wie sich diese Verwirrung entspinnen mag, lesen sie am besten selbst! Fazit: Die auf 126 Seiten sich entwickelnde Geschichte ist kurzweilig und entwickelt sich zu einem köstlichen Briefwechsel, der zwischenmenschliche Missverständnisse mit einem Augenzwinkern schildert. Dieses Buch sollten sie sich für einen Regentag im Urlaub reservieren!
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks