Rezension zu Fragen, die wir unseren Eltern stellen sollten (solange sie noch da sind) von Marc Fischer
Rezension zu "Fragen, die wir unseren Eltern stellen sollten (solange sie noch da sind)" von Marc Fischer
von Clari
Rezension
Clarivor 14 Jahren
„Ein existenzielles Fragebuch“. Wenn man das Buch aufschlägt, erwartet uns eine Überraschung: lauter Fragen ohne Antworten! Die Fragen aber haben es in sich, denn sie schlüsseln auf, wie wenig wir von unseren Eltern und ihrem Innenleben wissen. Mit der Eingangsfrage: “ Ein Erdbeben verschluckt Euer Haus. Nichts bleibt übrig. Wo fangt Ihr neu an?“ wird geschickt übergeleitet in eine Vielzahl von Fragen, die die Liebesbeziehung zwischen Eltern betreffen, die Erwartungen aneinander und an die Kinder; die Hoffnungen und Wünsche ansprechen und Enttäuschungen und Vorlieben, ja, auch die körperliche Liebe nicht ausklammern. Gibt es einen Himmel oder die Hölle? Was wollt Ihr über mich wissen, womit habt Ihr Euch oder mich enttäuscht? Es geht um eine ganze Lebensbilanz, die mit den Fragen angerührt wird. Niemand, der sich in die Fragen vertieft, bleibt unberührt, was alles im zwischenmenschlichen Bereich zwischen Eltern untereinander und zwischen ihren Kindern unbeantwortet sein könnte. Ob es der Musikgeschmack ist, die allgemeinen täglich zu verrichtenden Dinge, Müdigkeit, Freude, Trennungen oder die Frage, was wäre, wenn die Eltern sich nie getroffen hätten. Wo gab es Kummer, welche Kunstwerke schätzen sie und welche Musik gehört zu ihren Vorlieben; es wäre müßig, hier alle Gedanken aufzuführen, die sich in den Fragen spiegeln. Die anfängliche Überraschung, mit der man irritiert an die Fragen herangeht, weicht einer angenehmen Stimulation, sich den existenziellen Fragen zu stellen. Eltern und Kinder sparen viele Dinge voreinander aus. Ob es sinnvoll ist, die Generationenschranke einzuhalten, wie sie von Psychologen häufig angemahnt wird, oder ob mehr Offenheit und damit eine mögliche Nähe sinnvoll ist, sei hier einmal dahingestellt. Sorgen, Gedanken und Hilfestellung, wie sie viele Eltern ihren schon in die Jahre kommenden Kindern anbieten, sind nicht immer erwünscht. Auch können Kinder ihren Eltern zuweilen tief in ihrem Inneren nicht verzeihen, dass sie ihnen einmal den Popo abgewischt haben. Neue Strukturen im Familienleben aber haben heute dazu geführt,dass es größere Offenheit gibt als zu Zeiten früherer Generationen. Insofern bietet dieses Buch Anregung, stimmt nachdenklich und ist umfassend in seiner in den Fragen verborgenen Analyse der Beziehungen zwischen den Generationen. Mit der letzten Frage „ und ich, wer bin ich“ zeigt der Autor Marc Fischer, dass es ihm um mehr geht: wollen wir nicht alle viel mehr wissen über uns und unsere Vorfahren? Das „ Fragebuch“ bietet ausreichend Anschauungsmaterial, sich den existenziellen Fragen unseres Daseins und des Daseins unserer Eltern zu öffnen. Es ist ein schönes, intimes und ehrliches Buch geworden, indem man selber bei der einen oder anderen Frage nach Antworten suchen wird. Marc Fischer ist Journalist und lebt in Berlin.