Cover des Buches Zuletzt die Hunde (ISBN: 9783841501257)
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Rezension zu Zuletzt die Hunde von Marita de Sterck

Vom Erwachsenwerden in Zeiten des Krieges

von Wortklauber vor 10 Jahren

Rezension

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Wortklaubervor 10 Jahren

Belgien 1917: Während sich sein Bruder Ernest, genannt Nest, auf Druck des Vaters „freiwillig“ an die Front gemeldet hat, wird der siebzehnjährige Victor wegen seiner Epilepsie über alle Maßen geschont. Die Mutter liebt ihren Sohn heiß und innig, leidet mit, wenn er von Anfällen geschüttelt wird; auch körperlich, davon zeugen die zahlreichen Narben an ihren Händen. Aber Liebe kann auch erdrücken: Seit Jahren hat Victor sein wohlhabendes Elternhaus nicht mehr verlassen, Aufregung wird konsequent von ihm ferngehalten, seine Kost wird streng kontrolliert, und um aufkeimende sexuelle Regungen im Keim zu ersticken, wird ihm Brom verabreicht. Allein in seiner Fantasie erlebt Victor Abenteuer: durch die Bücher Jules Vernes, heimlich natürlich.

So ist ihm in dem Malinois Django der einzige Freund geblieben. Der Schäferhund hat gelernt, Victors Anfälle wahrzunehmen und anzuzeigen, bevor sie Victor selbst bewusst werden. Doch eines Tages ist Django verschwunden. Ausgestattet mit einer gewissen Barschaft, einem Taschenmesser und den Feldpostbriefen seines Bruders – aus denen ihm die Eltern immer nur Auszüge vorgelesen haben – macht er sich auf den Weg, ihn zu suchen. Außerhalb des schützenden elterlichen Anwesens findet Victor eine Welt im Ausnahmezustand vor. Mit Schrecken erfährt er, dass die ausgehungerte Bevölkerung dazu übergegangen ist, Hunde und Katzen zu essen. Auf dem Armenmarkt hört er von einer Hundeschlachterei und weiß, wo er Django suchen muss.

Von Mecheln nach Boom sind es nur wenige Kilometer. Aber Entfernungen, auch kurze, können große Herausforderungen bergen, wie in einem besetzten Land und in Victors Situation. Und so wird seine Reise zum klassischen Beispiel für eine Heldenreise. Er begegnet Helfern und Widersachern, muss sich durchsetzen, sich beweisen. Nach und nach liest er die Briefe seines Bruders zum ersten Mal unzensiert. Menschen, auf die er trifft, erzählen ihm von Krieg, von ihren persönlichen Verlusten. Auch mit seinen eigenen Augen wird er Zeuge der verheerenden Auswirkungen des Krieges. So wird die grausame Realität der Zeit, in der er lebt, greifbarer für Victor als je zuvor.

Dieses Jugendbuch wird für die Altersklasse "ab 14" empfohlen. Die Grundstimmung – wie sollte es anders sein – ist bedrückend, manchmal brutal, manchmal derb. Weitreichende historische Vorkenntnisse braucht man meiner Meinung nicht unbedingt, um dieses Buch zu lesen, trotz vorhandener Andeutungen, die möglicherweise nicht ohne Weiteres verstanden werden können. Jedoch kann ein starkes Buch, das wie "Zuletzt die Hunde" (im Original "De hondeneters") für sich bestehen kann, im besten Fall weiteres Interesse wecken. Mich hat dieser Roman von der ersten Seite an für sich eingenommen. Marita de Sterck, 1955 in Antwerpen geboren, erzählt in einer starken Sprache eine individuelle Geschichte vom Erwachsenwerden in Zeiten des Krieges, ohne Scheu davor, die Dinge beim Namen zu nennen. Sie hat ein Buch geschaffen, dessen Inhalt nachhallt und das ich auch als Erwachsene noch mit großem Gewinn gelesen habe.

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