Cover des Buches Ein Mann wie Holm (ISBN: 9783442542581)
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Rezension zu Ein Mann wie Holm von Matthias Keidtel

Rezension zu "Ein Mann wie Holm" von Matthias Keidtel

von Dilbertine vor 15 Jahren

Rezension

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Dilbertinevor 15 Jahren
Felix Holm, 37 jähriger Junggeselle, ist ein neurotischer, schrulliger, kontaktscheuer, lebensfremder, egozentrischer Einzelgänger, der nach einem exakt strukturierten Tagesablauf lebt, eine Affinität für Sendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens hegt (Tagesschau und Tatort), ungern auf fremde Toiletten geht, nach 17:00 Uhr keine aufputschenden Getränke mehr zu sich nimmt, die Geräusche seiner Flatulenzen durch die Wäsche seiner Tante dämpft, noch nie eine Nacht von zu Hause weggeblieben ist (Sex eingeschlossen), (West)Berlin noch nicht verlassen und keine Ahnung von dem Freizeitverhalten seiner Altersgenossen hat. Er hat keinen Job und ist bislang nur als Konsument hervorgegangen. Seine sozialen Kontakte beschränken sich auf seine 55 jährige Tante Hede, die am südlichen Stadtrand von Berlin lebt und eine Reihe an verschrobenen Freundinnen um sich schart. *********************** „Genau genommen waren es die Rahmenbedingungen des Alters, die ihn ansprachen. Es gab keine Sexualität, keine Exzesse, keine zu erringenden Ziele mehr, nur noch eine langsam rotierende Lebensmaschine an den Rändern der geschäftigen Welt und die Hoffnung, gesund zu bleiben. Vielleicht ein Eierlikör außer der Reihe, das war´s.“ *********************** Holm vergleicht seine Lebensumstände mit denen eines Grottenolms, der schwierig zu halten ist, selten in Gefangenschaft überlebt und ausgewogen Licht, Wasser und Futter benötigt. Außerdem möchte er keine Unruhe, am liebsten liegt er den ganzen Tag da. *********************** „Der Grottenolm, sagte der Verkäufer, geheimnisvoll und drückte die Brille gegen die Stirn, ist eine zoologische Besonderheit, weil auch das erwachsene Tier Kiemenbüschel besitzt. Man könnte ihn auch als erwachsen gewordene Larve bezeichnen, die keine vollständige Verwandlung von der Kaulquappe zum Adulttier mehr durchmacht.“ *********************** Das ein nicht voll entwickeltes Wesen durchaus eine Spezies sein konnte, begeistert Holm. Seine Entschlusslosigkeit und mangelnde Tatkraft konnten also als ausgereifte Charaktereigenschaften betrachtet werden. Schlagartig wird ihm klar, dass er nur die nötigen Rahmenbedingungen benötigt, um sein Leben artgerecht genießen zu können. Zielorientiert startet er sein Projekt „Einleben“. Er nimmt einen Job als Verkäufer von karibischen Zigarren in einem Tabakladen an und sorgt erstmalig für die „Ausfransung seiner Verhältnisse“ Er raucht sich im wahrsten Sinne des Wortes in seinen Job ein. Was ihm nun noch zu seinem Glück fehlt, ist ein weibliches Pendant. *********************** „Eine Frau, die sich bei Richard Wagner und Leberwurstbroten etwas vorstellen konnte und der bei Sofa und Zigarre warm ums Herz wurde, war die Frau, mit der Holm erwachsen werden wollte.“ *********************** Holm findet diese Frau (Ulrike) in der Herrenabteilung des KadeWe. Sie stellt ihn jedoch vor weitere unlösbare Rätsel des Lebens. Umgang und Zusammenleben mit einer gleichaltrigen Frau, das übersteigt die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen eines Holms. Seine Anpassungsmaßnahmen und Feinabstimmungen in der Beziehung sind zum kläglichen Scheitern verurteilt, schließlich kann keine Frau den Vergleich mit Tante Hede bestehen. Das Ende des Romans ist der Anfang, nur das der Protagonist sich weiterentwickelt, mit lebenswichtigen und weniger lebenswichtigen Fragen auseinandergesetzt hat und nicht zu vergessen, auf seine ersten sexuellen Erfahrungen mit einer Frau zurück blicken kann. „Ein Mann wie Holm“ ist eine absurde Geschichte über den ganz normalen Wahnsinn des Alltags, betrachtet aus der Sicht eines männlichen Weltfremden, der mit der sozialen Kompetenz eines Mr. Bean ausgestattet ist. Ich habe mich köstlich in der kurzweiligen Gesellschaft von Felix Holm amüsiert. Der Kauf von Toilettenpapier, das Betanken eines Autos im verfeindeten, ostzonalen Randgebiet der Stadt Berlin, der Entsorgungsprozess von Hausmüll und viele andere Trivialitäten des Alltags haben seitdem eine völlig neue Bedeutung für mich gewonnen. „Ein Mann wie Holm“ ist ein Buch für all diejenigen, die gern hintergründige Komik mögen, Freude an Wortwitz und absurden, überzogenen Situationen haben. Glückes Geschick, tirili, Holm lebt weiter. Der Autor hat eine Triologie angekündigt. Der zweite Teil ist Anfang des Jahres als fester Einband erschienen. Ich warte sehnsüchtig auf die TB Ausgabe. Übrigens, ich weiß warum das Buch den Titel trägt „Ein Mann w i e Holm“. ;-)
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