Cover des Buches Frostseelen (ISBN: 9783404208043)
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Rezension zu Frostseelen von Natalie Speer

Wundervolle Geschichte inmitten von Eis und Schnee

von Lovely_Lila vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Wundervolle Geschichte inmitten von Eis und Schnee.

Rezension

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Lovely_Lilavor 8 Jahren

~ Überzeugendes Fantasy-Debüt einer deutschen Autorin. Der wundervolle Schreibstil, die faszinierende Welt, die dreidimensionalen Personen, eine Protagonistin, die einem immer mehr ans Herz wächst und viele unerwartete Wendungen machen diese Geschichte zu einer unvergesslichen Reise. ~


Inhalt

Im Norden des Landes wütet der Krieg. Thea meldet sich freiwillig, um als Brennerin (Feuermagierin) die Republik zu verteidigen. Unverzüglich wird sie mit anderen jungen Rekruten in den Norden geschickt. Die Realität des Krieges ist jedoch anders als Thea es erwartet hat, denn auf beiden Seiten geschieht Unrecht. Und dann gibt es auch noch Gerüchte über eine Krankheit, die sich immer weiter ausbreiten soll...


Meine Meinung

Wer könnte bei einem solchen verführerischen Cover und einem so toll gewählten Titel diesem Buch widerstehen? Ich weiß es nicht, ich jedenfalls gehöre nicht zu diesen Leuten und so war für mich schnell klar, dass ich es lesen würde.

Nach kleinen Startschwierigkeiten bin ich gut in die Geschichte hinein gekommen. Am Beginn ist relativ wenig passiert und lange Beschreibungen nehmen viel Raum ein. Auch gibt es nur wenige Dialoge (am Beginn, später werden es mehr). Generell liest sich meiner Meinung das Buch nicht gut nebenbei, da die Handlung schon recht komplex ist und man sich darauf konzentrieren sollte. Dennoch: Lasst euch bloß nicht von den ersten Seiten abschrecken, denn ihr würdet es vermutlich sehr bereuen! Was danach nämlich kommt, weiß zu begeistern, überzeugen und bezaubern.


"Sie räumen den Tisch ab und weichen uns dabei so geschmeidig aus, als wären sie Wasser, das um uns herum fließt." S. 49


Der Schreibstil ist für ein "typischer" Fantasy-Schreibstil, allerdings typisch auf eine gute Weise. Die Sätze sind öfters lang, enthalten viele Beschreibungen (nur selten für meinen Geschmack ein bisschen zu viele) und wundervolle sprachliche Bilder und Metaphern entführen einen mit Leichtigkeit in eine fremde, gut ausgearbeitete Welt. Der Schreibstil ist für mich das Beste am ganzen Buch: Er ist angenehm und gleichzeitig abwechslungsreich, enthält keinerlei störende Wortwiederholungen, dafür hat die Autorin einen reichen Wortschatz eingewebt. Erinnert hat mich der Schreibstil etwas an jenen von Lynn Raven. In einem Wort zusammen gefasst: Der Schreibstil ist wundervoll!


"Steht gerade", blafft er. "Ihr seid hier nicht in eurer verdammten Akademie. Ich werde weder auf einer Tafel herumkritzeln noch Fleißnoten verteilen. Spart euch also eure Fragen. Und stolziert nicht herum, als wärt ihr Helden." Er schnaubt. "Das ihr hier seid, ist kein Zeichen von Mut, sondern von Dummheit." S. 72


Ein weiteres großes Kompliment an die Autorin für die Welt, die sie in diesem Buch erschaffen hat. Selten habe ich eine so gut ausgearbeitete Welt gesehen, in der alles, was passiert, tatsächlich Sinn ergibt. Trotz der Komplexität der Welt, war ich niemals verwirrt, weil die Autorin dem Leser alles super erklärt. Es gibt wundervolle Wortneuschöpfungen und glücklicherweise nicht zu viele fremde Worte und Ortsnamen. Die Welt, in der die Geschichte spielt, ist von Gegensätzen geprägt: Der eisige Norden steht dem heißen Süden gegenüber, Vernunft dem Glauben an verschiedene Gottheiten, wunderschöne Landschaften tödlichen Naturgewalten. Es ist ein Genuss diese Welt zu entdecken, denn man weiß, wenn man sich umsieht, wird man nicht an Grenzen stoßen, weil die Autorin alles mit so viel Liebe zum Detail genau durchdacht hat. Eine besonders tolle Erfindung finde ich die Frostseelen, die wirklich unheimlich sind und an eines meiner Lieblingsgenres (in Buch und Film) grenzen. Ein weiterer Pluspunkt in einer langen Liste von Pluspunkten.

Thea ist natürlich eine wundervolle Protagonistin für diese Geschichte. Sie ist ein kritischer Mensch, der sich stets selbst Gedanken macht, und viele Dinge hinterfragt, auch wenn es einfacher wäre, sie einfach so hinzunehmen wie sie sind. Am Beginn erscheint sie etwas unterkühlt, doch nach und nach wird man als Leser mit ihr warm - und auch Thea selbst scheint im Laufe der Geschichte immer mehr Emotion und Empathie zu zeigen. Thea ist deshalb eine tolle Heldin, weil sie so dreidimensional ist. Sie ist unsicher, handelt oft impulsiv, und macht Fehler wie jeder andere Mensch auch. Starke Frauen wie sie liebe ich einfach in Büchern. Es ist schließlich kein Zufall, dass "Die Tribute von Panem" und "Die Beschenkte" zu meinen Lieblingsbüchern gehören. Zu Katniss sehe ich hier tatsächlich ein paar Ähnlichkeiten. Dennoch ist Thea auch immer wieder schwach. Die Autorin erlaubt ihr zu zweifeln, Angst zu haben und Schwäche zu zeigen - so entsteht eine Heldin, mit der man mitfühlt und mitfiebert - und die man im Laufe des Buches immer mehr ins Herz schließt.

Aber auch die anderen Personen wissen restlos zu überzeugen. Egal ob ein Mensch Thea von Anfang bis Ende begleitet, oder ob er nur auf ein paar Seiten vorkommt - alle dieser Menschen passen nicht in den engen Rahmen von Klischees, hier macht es sich die Autorin wahrlich nicht leicht. Immer wieder trifft man im Laufe der Geschichte auf faszinierende oder schillernde Figuren, die man nicht so recht einzuschätzen weiß, oder deren Charme man einfach nicht widerstehen kann (wer das Buch gelesen hat, wird nun schon wissen, wen ich neben Thea am liebsten mochte). Das führt oft zu wilden Spekulationen, Vermutungen und viel Rätselraten. Ebenso wie Thea muss man seine Meinung oft revidieren. Das trägt sicherlich zur Spannung bei.

Hauptsächlich jedoch wird die Spannung durch den Schreibstil und die Handlung kreirt. Immer wieder lockt einen die Autorin auf falsche Fährten, überrascht - und schockiert auch manchmal. Am Beginn des Buches kann man nicht erraten, wohin die Geschichte noch führen wird. Keine Wendung wirkt konstruiert, sondern sie scheinen ganz natürlich aus der Geschichte zu entstehen. Lediglich ein wenig mehr Spannung (und weniger ausführliche Beschreibungen) hätte es an manchen Stellen noch sein dürfen, dann wäre dieses Buch perfekt.

Es gibt keine einzige schlechte Szene in "Frostseelen", jedoch gibt es sehr wohl Szenen, in denen bleibt einem fast der Atem stehen, und zwar aus Begeisterung, Faszination oder purer Leserzufriedenheit. Wenn sich ein Lächeln auf mein Gesicht stielt, das sich einfach nicht von dort vertreiben lässt, oder wenn man kurz an die Wand starrt, weil man über die Perfektion eines Satzes nachdenkt - dann ist man als Leser angekommen. Diese magischen Momente passieren sehr selten bei mir und doch hat es die Autorin hier einige Male geschafft, solche zu erschaffen.

Trotz der Menge an Handlung, die die Autorin in dieses Buch gepackt hat, nimmt sie sich dennoch die Zeit, wichtige Botschaften zuvermitteln. Diese Geschichte erhält noch viel mehr als man auf den ersten Blick erahnen mag. Es geht um Vorurteile, Disziplin, Zusammenhalt. Was ist die "richtige" Seite in einem Krieg? Was tut man, wenn ein Befehl allem widersprechen, das man ist? Diese Fragen und noch viel mehr werden in diesem Buch eindrucksvoll behandelt.

Einen Wunsch habe ich noch: Ich wünsche mir eine Verfilmung dieser Geschichte und hoffe, dass es eines Tages so weit sein wird. Natürlich wird (wie fast immer) das Buch besser sein als ein solcher Film, aber ich denke, dass es wundervoll wäre, diese Landschaften und Bilder statt im Kopf auch auf der Leinwand zu sehen.


Olaf über Schnee: "Er riecht nach den Winden, die ihn heranbringen. Er riecht nach Winter und Sternenlicht, nach erfrorenen Rosen und der Erinnerung an etwas, das niemals wiederkehrt. Er riecht nach Sterben." S. 187


Mein Fazit

Überzeugendes Fantasy-Debüt einer deutschen Autorin. Der wundervolle Schreibstil, die faszinierende Welt, die dreidimensionalen Personen, eine Protagonistin, die einem immer mehr ans Herz wächst und viele unerwartete Wendungen machen diese Geschichte zu einer unvergesslichen Reise.

An alle Fans von Lynn Raven, George R. R. Martin, Fantasy und guten Geschichten im Allgemeinen: Lasst euch diese Geschichte nicht entgehen.

Kleiner Tipp: Am besten liest dieses Buch sich natürlich in der kalten Jahreszeit - aber ich bin mir sicher, auch wenn man es als Sommerlektüre erwählt, wird man beim Lesen die Schneeflocken beinahe auf der Haut spüren zu können.


Übersicht

Stärken:

* Schreibstil (einfach wundervoll)
* Personen (dreidimensional, überzeugend, keine Klischees)
* Hauptperson (wächst ans Herz)
* Welt (überzeugend, nicht zu kompliziert), Frostseelen
* unerwartete Wendungen & Spannung
* wichtige Botschaften, tiefgründig
* Titel und Cover (muss hier einfach erwähnt werden, weil so schön)

Schwächen:
* Spannung nicht immer gleich stark vorhanden, hätte noch ein bisschen mehr sein dürfen (teilweise auch ein bisschen zu viele Beschreibungen)
* Keine wirkliche Schwäche, mehr ein Wunsch: hätte mir noch einen Epilog gewünscht, mir war das Ende ein kleines bisschen zu abrupt

Erzählstil: Ich-Erzähler, Präsens;
Perspektive: aus weiblicher Perspektive (Thea)

Bewertung:

Idee: 5 Sterne ♥
Ausführung: 4,5 Sterne
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Personen: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Spannung: 4,5 Sterne

Zusatzkriterien bei diesem Buch:

Botschaft: 5 Sterne
Welt: 5 Sterne ♥

Insgesamt:

❀❀❀❀❀ ♥


Normalerweise würde ich aufgrund den (für meinen Geschmack) manchmal zu vielen Details und der nicht immer extrem stark vohandenen Spannung 4,5 Lilien vergeben, doch weil ich so viele Dinge an diesem Buch wirklich geliebt habe, runde ich diese mit Vergnügen auf 5 auf! Dieses Buch kommt in mein Favoritenregal.

Für mich ein Jahreshighlight! Ich warte schon jetzt sehnsüchtig auf das nächste Buch der Autorin!


Ist dieses Buch Teil einer Reihe? – Nein, jedoch hat die Autorin in der Leserunde verraten, dass ein weiterer Roman in dieser Welt spielen wird. Freue mich schon sehr darauf!
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