Cover des Buches Das Bildnis des Dorian Gray (ISBN: 9783458360841)
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Rezension zu Das Bildnis des Dorian Gray von Oscar Wilde

Eitelkeit und ihre Folgen

von katharose vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Literarischer Hochgenuss und Zynismus vom Feinsten

Rezension

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katharosevor 7 Jahren

Dorian Gray ist ein junger und besonders gut aussehender Mann – dieser Sache ist er sich jedoch kaum bewusst, bis ihm Lord Henry begegnet und ihm den Wert von Schönheit erklärt. Als gerade ein Portrait des jungen Mannes fertig wird, was der Künstler als seine beste Arbeit erklärt, spürt Gray einen neuen Wunsch in seinem Herzen: Das doch das Bild anstelle von ihm altern würde und er für immer in seiner Blüte der Jugendlichkeit bleiben könne.

Ein bisschen erinnert das ganze an Faust: Ein Wesen, in diesem Fall Lord Henry, fungiert in der Rolle des Mephistopheles: Er probiert seinen Einfluss an einem Menschen aus, in dem er ihn mit Aphorismen, Sprüche und Träumen füttert und sein Herz ins Unglück und Verderben reißt – zumindest mehr oder minder übertragen. Den junge Dorian lernen wir als eine komplett unverdorbene und zarte Seele kennen und nach und nach wird der Einfluss Henrys deutlicher: Als erstes natürlich in der plötzlichen Anwandlung, seiner eignen Schönheit bewusst geworden zu sein – und später immer mehr und mehr vom Leben genießen zu wollen, koste es, was es wolle.

Die Moral spielt hier eine besonders schöne Rolle: Der Dandy Lord Henry und sein Malerfreund Basil Hallward fungieren wie Teufel und (mehr oder minder) Engel auf den Schultern Dorians, nur dass letzterer die Gefahr, die von Henry ausgeht und die ganze Manipulation als Erkenntnis wahrnimmt und dafür Basil verdammt – die Rollen also umgedreht. Und tatsächlich nehmen Lord Henry pseudophilosphische Monologe einen enorm großen Teil des Romans ein: Man müsse Versuchungen stets nachgehen, Affären führen und Frauen würden schließlich eine Liebelei durch ihren Versuch, etwas unendlich machen zu wollen stets verderben – um ein paar Beispiele zu nennen. So wirklich sympathisieren kann man mit keinem in diesem Roman – der Lesende hat vielmehr eine beobachtende Rolle und vielleicht auch die desjenigen, der moralisch gebildet werden soll.

Mit ausgeklügelten Sarkasmus, symbolischem Zynismus und einer herrlich blumigen Sprache schafft Wilde einen zu schockieren – und zu begeistern! Einerseits ist es amüsant Henrys überhebliche Einstellungen zu lesen, doch langsam lernt man als Leser die Gefahr. Sowohl inhaltlich als auch sprachlich ist dieser Roman ein Genuss – alleridngs ein sehr düsterer und teils auch abartiger.

Zum guter letzt möchte ich etwas nennen, was mir durchgehend aufgefallen ist, mich nicht gestört hat, aber zur Recherche verleitet hat. Wilde ist heute relativ bekannt für seine Homosexualität, die für ihn das große literarische Aus bedeutet hat. Nun gibt es einige Stellen in den Roman, wo die drei wichtigen Männer (Basil Hallward, Lord Henry, Dorian Gray) miteinander diskutieren und für mein modernes Verständnis hatte ihre Art sich zu Necken etwas beinahe schon homoerotisches, weil es mich an Flirten erinnert hat – was eigentlich amüsant war, aber vor allem sehr speziell. Wahrscheinlich ist dies ein gewisser Spiel- und Freiraum für Ideen und Interpretationen, den uns Wilde hinterlassen hat, wichtig ist nur, das es den Roman einen besonderen Schliff gibt.

Fazit: Zweifelsohne wird von nun an „Das Bildnis des Dorian Gray“ zu einem meiner liebten Klassiker gehören. Ein hervorragendes, mitreißendes und sehr clever geschriebenes Stück Weltliteratur, das ich jedem ans Herz legen kann. 4,5 von 5 Sternen.

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