Cover des Buches Der Trafikant (ISBN: 9783036959092)
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Rezension zu Der Trafikant von Robert Seethaler

Eine Hommage an das Salzkammergut

von der_buchschubser vor 3 Jahren

Kurzmeinung: Summary: Tabak- und Schreibware, Siegmund Freund, Mama am Attersee, die Zahnlücke des Mädchens, das er liebt, Krieg und Judenverfolgung.

Rezension

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der_buchschubservor 3 Jahren

Hatte den Film im Kino gesehen. Fand ich okay. Wollte das Buch dazu lesen. Hab‘ ich mir dann gekauft, auch, weil es weit oben in der Indie-Bestseller-Liste stand. Es geht um Franz, den seine Mutter nach Wien schickt, um eine Ausbildung zum Trafikanten zu machen, da die Mutter für sich und ihren Sohn kein Geld mehr bekommt von den Männern, die sie sich, in ihren jungen Jahren, angelacht hat. Franz muss also nun weg aus Nußdorf am Attersee nach Wien, von der Provinz in die Großstadt ‚for a living‘, von wo aus er seiner Mutter regelmäßig Postkarten schickt, die er aus dem Laden nimmt, in dem er arbeitet. Er verkauft Tabak- und Schreibwaren an die Kundschaft, darunter der Herr Professor Siegmund Freud, mit dem sich Franz anzufreunden glaubt, weil er, Franz, ihn, Freud, mit Zigarren besticht und ihn als Doktor Sommer der 1930er Jahre missbraucht. Franz hat sich erstmals in ein Mädchen verliebt, nämlich in Anezka, eine Böhmin mit bezaubernder Zahnlücke, wie Franz findet, die des nachts strippen geht, um um die Runden zu kommen, und das findet Franz gar nicht toll. Immerhin führt er sie ja regelmäßig zum Essen und Trinken aus und miteinander geschlafen haben sie ja auch, also muss sie ihm ja gehören. Das findet Freud allerdings nicht, an den sich Franz immerzu wendet, der mittlerweile alt und verbittert geworden ist und nichts mehr von seiner Arbeit als Therapeut hält und banale, pseudophilosophische Weisheiten von sich gibt wie z.B.: „Frauen sind wie Zigarren. Wenn man zu feste an ihnen zieht, verweigern sie den Genuss.“. Aha. Franz‘ Liebeskummer und die politischen Zustände spitzen sich zu, denn es kommt eine nationalsozialistische Stimmung auf und Juden werden auch verfolgt. Franz‘ Ausbilder wird verhaftet, weil er Erotikheftchen an die Juden verkauft, Anezka vergeht sich an die Generäle und lässt Franz links liegen, Frau Mama ist zu weit weg und Freud, selbst Jude, verlässt Wien, weil es in London sicherer ist. Franz bleibt also ganz alleine in der Trafik zurück, verliert sich in surrealen Traumsequenzen, die er, auf Empfehlung Freuds hin, aufschreibt und an die Fensterlade hängt, um Kundschaft anzulocken, und zuweilen erinnert er sich an seine Kindheit am Attersee und an den Schoß seiner Mutter, vorzugsweise dann, wenn er an Anezka’s Zahnlücke denkt. Ach, schön!

Im Buch geht es hauptsächlich um die Beziehung zwischen Franz und seiner Mutter, seinem Ausbilder, zu dem Mädchen, das er nicht haben kann, und zu Siegmund Freud, der für mich jeder andere, in die Jahre gekommende, alte Mann hätte sein können, zu dem sich Franz emotional hingezogen gefühlt hat, weil er, Freud, Psychologie studiert und dicke Bücher geschrieben hat und Franz zu verstehen scheint wie kein Zweiter. Fand ich irgendwie unauthentisch, inszeniert, gekünstelt dargestellt und es scheint mir, dass es am Ende ausreicht, dem Buch einen fancy Namen zu geben, eine allbekannte Persönlichkeit nachzuzeichnen, ein (Nach-)Kriegssetting zu inszenieren und schon reißen es die Deutschen einem aus den Händen. Schon zu oft gelesen und gesehen, wenn natürlich auch immer wichtig, ein Denk- und Mahnmal zu setzen für diese entsetzlich grausame Zeit, in der der Roman spielt.

Anmerkung zur Buchverfilmung: Sex- und Masturbationsszenen waren etwas zu viele aber in Ordnung. Immerhin war Franz oft nackt im Bild und hatte einen süßen Hintern. Wiener Akzent muss man mögen. Kein Film für’s Kino, meiner Meinung nach, aber wenn er am Abend auf ZDF laufen würde, würde ich ihn mir angucken. Das Ende, im Buch und Film gleichermaßen, offen und ernüchternd.

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