Rezension zu Die Entdeckung der Langsamkeit von Sten Nadolny
Rezension zu "Die Entdeckung der Langsamkeit" von Sten Nadolny
von Vane
Rezension
Vanevor 13 Jahren
Was wäre wenn... - von diesem Gedankenspiel lebt die erzählende Literatur. Der Autor Nadolny hat den im 19. Jahrhundert berühmten englischen Nordpolfahrer John Franklin mit historisch nicht verbürgten Körper- und Charaktereigenschaften ausgestattet und lässt ihn auf große Fahrt gehen. John Franklin - keine Erinnnerung, diesen Namen jemals gehört zu haben. Seine Schiffsfahrten zum Nordpol? - Ja, schon mal was darüber aufgeschnappt. Das Buch kommt mit in den diesjährigen Sommerurlaub. Es sollte etwas mit "Meer" und "Abenteuer" sein. Im letzten Jahr begleitete mich Moby Dick - eine große Überraschung als Lektüre und es handelte natürlich auch vom Meer. Jetzt also "Die Entdeckung der Langsamkeit". Seltsam dieser John Franklin. Er sieht sich selbst als Uhr, die immer nachgeht. In seiner Kindheit ist er unfähig, Lauf-, Fang- und Wurfspiele zu machen. Er reagiert einfach zu langsam. Also hält er den anderen die Schnur bei ihren Ballspielen. Hält und hält, wie ein Denkmal, und nutzt die Zeit zum Denken. John ist anders als die anderen, das ist ihm klar. Kann ihm trotzdem im Leben etwas gelingen? Er kann zur Schule gehen. Auch sein großer Kindheitstraum, auf dem Meer zu segeln, erfüllt sich. Er heuert auf einem Schiff an, erlebt Seeschlachten gegen Frankreich, wird traumatisiert, bewährt sich, weil er sich Zeit zum Denken und Planen nimmt. Seine Genauigkeit führt dazu, dass ihm Schiff und Mannschaft anvertraut wird und er zu einer Erkundungsfahrt zum Nordpol aufbricht. Hier beginnt eine außerordentliche Abenteuergeschichte, die sich im Großen und Ganzen historisch tatsächlich zugetragen hat. Spannend! - Richtig spannend! Leider endet die Fahrt für die meisten Besatzungsmitglieder tödlich. Dennoch kann Franklin ein zweitesmal ein Expeditionsschiff führen. Er verwertet die Erfahrungen der ersten Reise und erlebt diesesmal einen grandiosen Erfolg, da er Schiff und Mannschaft unversehrt zurückbringt. Zwar kann Franklin aufgrund seines langsamen Denkens mit langen Sätzen über die Welt nichts anfangen, doch er hat verinnerlicht, was ihm ein Lehrer einmal über das Lernen der Menschheit über die Zusammenhänge der Welt sagte:" Es liegt daran, dass die Tüchtigen ständig versuchen, das wenige von der Welt zu verändern, was sie kennen. Eines Tages werden sie die Welt entdecken, statt sie zu verbessern. Und nicht mehr vergessen, was sie schon entdeckt haben." Franklin wurde zu einem großartigen Entdecker - auch wenn seine letzte Expedition scheiterte und er mit der gesamten Schiffsmannschaft den Tod fand.