Cover des Buches Was die Welle nahm (ISBN: 9783791511108)
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Rezension zu Was die Welle nahm von Vera Kissel

Rezension: "Was die Welle nahm" (Vera Kissel)

von Anchesenamun vor 10 Jahren

Rezension

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Anchesenamunvor 10 Jahren

Zum Inhalt:

Der vierzehnjährige Lukas hat vor 10 Jahren bei dem großen Tsunami in Thailand seinen Vater verloren. Seitdem lebt er alleine mit seiner Mutter in Berlin und leidet unter Albträumen, der Vater wird von Mutter und Großeltern konsequent totgeschwiegen. Als Lukas ein paar Wochen sturmfrei hat, beginnt er nachzuforschen - und stößt auf ein Geheimnis, das seinen Vater in einem völlig neuen Licht dastehen lässt...

Meine Meinung:

Die Geschichte ist aus Lukas' Sicht geschrieben. Er ist ein stiller, zurückgezogener Junge, der nur einen Freund hat und seine Ferien größtenteils alleine mit Schwimmen und Lesen verbringt. Zu seiner Mutter, die er beim Vornamen nennt, hat er ein freundschaftliches, mitunter auch angespanntes Verhältnis.

Schon nach wenigen Kapiteln stößt Lukas auf das Geheimnis um den Tod seines Vaters. In der Geschichte geht es also eher darum, wie Lukas dieses Geheimnis auf- und verarbeitet und letztendlich seine Familie damit konfrontiert, warum sie all die Jahre geschwiegen haben. So erleben wir hautnah mit, wie Lukas mit Verlust, Wut und Trauer umgeht und letztendlich daran reift.

Der Tsunami an sich tritt hier übrigens in den Hintergrund. Im Endeffekt hätte Lukas' Vater auch bei einem Autounfall ums Leben kommen können. Der Tsunami bietet sich aber natürlich auch für kraftvolle Bilder an, allein schon beim Titel "Was die Welle nahm", und dann auch bei den Albträumen, in denen Lukas meist von einer riesigen Welle verfolgt wird, oder dass er jeden Tag wie ein Wahnsinniger im Schwimmbad trainiert.

Lukas blieb mir leider bis zum Schluss fremd. Ich konnte keine Beziehung zu ihm aufbauen, er war mir jetzt nicht unsympathisch, aber ich konnte nicht so viel mit ihm anfangen, und gerade am Anfang fand ich ihn sehr langweilig. Interessant fand ich Lukas' besten Freund Birol, den ich von Anfang an nicht mochte, da er eine große Klappe und ein kriminelles Naturell hat (Hier gab es für meinen Geschmack vielleicht doch zu viel Klischee mit dem kleinkriminellen Türken.). Allerdings hat Birol dann doch noch meinen Respekt gewonnen, da er sich als wirklich guter Freund entpuppte. Die (Nicht-)Liebesgeschichte zwischen Lukas und Annika jedoch war meiner Meinung nach überflüssig. Vielleicht sollte sie auch einfach Lukas' Charakter deutlicher machen, der doch recht schüchtern und wenig selbstbewusst ist.

Leider hatte ich einige Probleme mit dem Schreibstil. Ein Beispiel:

>>> Ich werd es nicht aus dem Bett schaffen.
Nicht.
Aus dem.
Bett.
[...]
Ich will nicht.
Will nicht mehr, nicht mehr.
Weinen.
[...]
Mein Vater ist da.
Du.
Bist da.
Hältst meinen Kopf.
Hältst mich fest. <<<

Das Buch ist aus Lukas' Sicht geschrieben, wir erfahren seine Gedanken und Emotionen. Der sehr abgehakte Stil, in dem Sätze teilweise nur aus einem Wort bestehen, soll quasi den Prozess zeigen, wie Lukas nach und nach seine Gedanken formuliert, Erkenntnisse gewinnt, Eindrücke verarbeitet. Als Gegenstück dafür gibt es "hastige" Sätze ohne Punkt und Komma. An und für sich finde ich das ein sehr interessantes und mutiges Stilmittel, für das die Autorin ein Lob verdient. Aber trotzdem muss ich sagen, ich kam damit nicht ganz klar, es hat mich enorm im Lesefluss gestört. Ich bin jemand, der solche wohldurchdachten Stilmittel nicht so wirklich würdigen kann, wenn darunter der Lesefluss leidet, so leid es mir tut. Ich konnte mich aber einigermaßen daran gewöhnen, und generell kam ich sehr flott durch das Buch.

Mit "Was die Welle nahm" legt Vera Kissel ihr gelungenes Debüt im Bereich Jugendroman vor. Ein unaufgeregtes Buch, das respektvoll mit den Gefühlen seines Protagonisten umgeht und zeigt, was es in jungen Menschen anrichten kann, wenn Erwachsene aus falscher Vorsicht essentielle Dinge verheimlichen. Lukas' Geschichte hat mich gut unterhalten, aber letztendlich blieben mir die Charaktere trotz all der Emotionen bis zum Schluss fremd, und deshalb berührte mich das Buch nicht so sehr, wie es vielleicht sollte.
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