Rezension zu "Das Herz auf dem rechten Fleck" von Berte Bratt
„Ich habe drei Vaterländer und weiß nicht, wo ich geboren bin. Ich habe drei Muttersprachen oder jedenfalls zweieinhalb.“ S. 4. So beginnt die junge Schneiderin ihre Geschichte über den Sommer, der ihr das Glück brachte.Bernadettes norwegische Mutter Ester Bruland lernt als Spitzenturnerin einen italienischen Trapezkünstler kennen, als dessen Zirkus in ihrer Kleinstadt Heirevik gastierte – Bernardo Bonassi. Ihm folgte sie bald als Ehefrau nach Norditalien, auf den kleinen Bauernhof mit seinem Vater und seiner aus Frankreich stammenden Mutter, dort lebte sie, während Bernardo weiterhin mit dem Zirkus reiste. Ein Sturz der bald schwangeren Ester vor dem Einstieg in einen Zug führte dazu, dass das Baby im Simplontunnel geboren wurde – ob nun auf Schweizer oder italienischer Seite, wusste niemand. Als Tochter von Bernardo wurde das Baby Bernadette, Benny, genannt – durch einen Absturz ihres Vaters vom Trapez wuchs sie als Halbwaise auf, zunächst wegen des Kriegs in Norwegen, dann ab ihrem 7. Lebensjahr in den Ferien bei den Großeltern in Italien, ab ihrem 12. Lebensjahr nach dem Tod des Großvaters in der französischsprachigen Schweiz, wohin die Großmutter gezogen war, um bei ihrer Tochter zu leben, Tante Cosima. In Villeverte nun musste Bernadette deutsch, französisch und italienisch sprechen.Die junge Frau hat Talente in Gymnastik und Nähen, lässt sich ausbilden und arbeitet nach der Schule als Hausschneiderin. Als die Mutter Onkel Thomas heiratet, zieht die nun 18jährige aus in eine eigene Wohnung. Als sie bei Witwe Grather zum Nähen eintrifft, öffnet ihr deren großgewachsener Neffe Asbjörn – sie soll dem Naturfotografen einen Anorak nähen; die Tante bekommt immer Stoffe geschenkt mit einem Webfehler. Fortan muss Bernadette viel an den jungen Mann denken – selbst noch beim Besuch im Wallis bei Tante Cosima, Onkel Ferdinand und grand mère. Auf dem Berg entdeckt sie jedoch eines Tages einen Anorak – und fortan folgen neue Aufgaben, aber auch manche Enttäuschung und sogar ein Diebesduo und eine gefährliche Kletterei. Das Motto von Bernadette und ihrer Familie ist „warum sollte ich nein sagen, wenn ich ebensogut ja sagen kann?“ Sie hat ein Füllhorn an Lebensfreude und Güte, gibt gerne, ist es aber auch gewohnt, selbst verwöhnt zu werden. Das wird ein Problem, als die winzige Schneiderin mit dem baumlangen Fotografen zusammentrifft, der es nach dem Tod seiner Eltern hatte lernen müssen, sich selbst der nächste zu seinen und strikt seine Pläne durchzusetzen. Doch die beiden raufen sich zusammen.Wieder ein schöner Re-Read, aber irgendwie sind mir einige der anderen Bücher der Autorin lieber. Woran liegt es? Hier gibt es ja einiges an Dramatik, dafür fehlen mir die sonst viel häufiger verteilten Lebensweisheiten bis auf den Part mit dem Füllhorn. Trotzdem toll. 4,5 Sterne, abgerundet.