Rezension zu "Die Spur der Tränen" von Mark Neustädter
Vor zwei Jahren verschwand die fünfjährige Ann-Kathrin beim Familienurlaub in Asturien/Nordspanien spurlos. Nun stellt die Polizei die Ermittlungen ein, da sich keinerlei Spuren mehr ergeben haben. Der Vater und Psychiater Karsten Amrhein hat seine Tochter noch nicht aufgegeben und eine Postzustellung mit einem Glas Honig aus einem Bergdorf in Asturien, gibt seiner Hoffnung Nahrung. Er ist der festen Überzeugung, dass in diesem Glas Honig die Tränen seiner Tochter konserviert sind. Aber kann dies wirklich sein? Amrhein beauftragt den Journalisten Fritz Zweiheiliger mit der Suche nach seiner Tochter. Und so reist Zweiheiliger nach Nordspanien, auf der Suche nach der kleinen Ann-Kathrin. Lebt die Kleine noch? Was ist mit ihr geschehen? Und vor allem, ist Zweiheiliger der Richtige für diesen Job?
Der Einstieg in die Geschichte ist mal ein richtiges Brett vor den Kopf :), denn Mark Neustädter aka Oliver Kern beginnt diese gleich mit einem Geiseldrama im Sudan. Wir erleben, wie Fritz Zweiheiliger schonungslos alle Details der Qualen seiner Gefangenschaft und der seiner Mitgefangenen schildert. Hier geht es richtig zur Sache und ich dachte schon, unser Protagonist kommt nicht lebend aus dieser Nummer heraus! Aber weit gefehlt, dank einer Lösegeldzahlung kommen er und weitere Gefangene frei. Diese Art der Folter und Erniedrigungen, der Entzug von Licht, Wasser, Nahrung und Intimität gehen natürlich nicht spurlos an einem vorbei. Fritz leidet unter Depressionen, Selbstmordgedanken, Verfolgungswahn und anderen Symptomen.
Sechs Monate später befinden wir uns gemeinsam mit Fritz in einem Schnellimbiss und hören die Geschichte um die verschwundene Tochter von Karsten Amrhein. Amrhein möchte, dass Fritz mit seinem journalistischen Gespür und Hartnäckigkeit die Suche nach seiner Tochter fortführt. Widerwillig nimmt Fritz diese Aufgabe an, nicht ahnend welche Folgen dies für Ihn und seine Psyche haben wird...
Die Region, in der Ann-Kathrin verschwunden ist, kann man als abgeschieden beschreiben. Hoch in den Bergen Nordspaniens gibt es hier nur kleine Ansammlungen von Häusern oder Dörfern. Selbstredend kennt man sich und weiß alles voneinander. Doch Fremden etwas zu erzählen - nein, dies geht zu weit! Und so erleben wir nicht nur den Kampf von Fritz gegen "seine Ängste und den Dämonen", sondern auch einen fast aussichtslosen Kampf gegen die Dorfbewohner und ihr hartnäckiges Schweigen.
Vor allem beschäftigt Fritz die Frage nach dem Glas Honig, welches Karsten Amrhein hier aus dieser Gegend zugesandt bekommen hat. Wer war es? Hat die betreffende Person mit dem Verschwinden der kleinen Ann-Kathrin zu tun? Unterstützung erfährt Fritz von der ehemaligen Polizistin Alejandra Gomes, genannt Xana. Sie hat damals bei den Ermittlungen, den Comissario Albert Aixut, unterstützt.
Gemeinsam an der Seite von Fritz kämpfen wir uns durch die nordspanischen Berge, auf der Suche nach Antworten und Ann-Kathrin. Was ist damals wirklich passiert und ist es möglich die Tränen im Honig zu konservieren?
Mark Neustädter aka Oliver Kern hat in diesem Buch eine sehr lebhafte und detailreiche Sprache gewählt, welche mich persönlich, nicht gestört hat. So wurden einzelne Orte oder besondere Plätze genau beschrieben und man bekam so ein Bild von dieser Region. Die Geschichte hat zwar eine gewisse Grundspannung, allerdings steht vor allem die Person Fritz Zweiheiliger im Vordergrund. Er ist ein sehr interessanter Charakter, mit vielen Ecken und Kanten und bei der Suche nach Ann-Kathrin bringt ihn dieses bis an die Grenzen seines Verstandes. Fritz kam mir wie selbst verloren vor, da er sich schon fast aufgegeben hat und doch weckt die Suche nach Ann-Kathrin seinen Lebenswillen. Auch die anderen Charaktere waren gut ausgearbeitet, besonders Xana ist eine Person, von der ich gerne noch mehr erfahren würde. Ab den letzten knapp 80 Seiten nimmt die Geschichte mehr und mehr Fahrt auf und gipfelt in einem sehr heftigen und außergewöhnlichen Schluss.