Antje_Haugg

Die liebenswerte Martine Lestrat  schreibt über ihr Buch: " Es wird Ihnen guttun. Versprochen" 

Ein mutiges Versprechen, finde ich, als ich das Buch in Händen halte. Ich schlage es auf und beginne zu lesen. Jeden Abend vor dem Einschlafen eine kleine Geschichte, damit ich mit guten Gedanken den Tag beende, das ist mein Vorsatz. Leider kann ich ihn nicht einhalten, denn nach der ersten Geschichte fällt mein Blick auf das Elfchen auf der rechten Seite, Nur noch das lesen. Die nächste Überschrift zumindest noch, damit ich weiß, was mich morgen erwartet. Ich lese weiter, blättere weiter, Die kurzen Geschichten, Szenen mitten aus dem Leben, dazwischen eingestreute Elfchen (kleine Gedichte) und wunderschöne Collagen mit Herzmotiven, von der Autorin auf ihren Spaziergängen festgehalten - alles so schön, so stimmig. 

Plötzlich ist es fast Mitternacht, ich bin durch mit dem Büchlein - am ersten Abend. Herzerwärmend war es, darin zu schmökern, und viel zu schnell war ich durch. Aber es blieb auf meinem Nachttisch liegen, immer mal wieder nahm ich es in die Hand. Schon allein das Cover macht gute Laune, fröhliche bunte Farbkleckse sind darauf verteilt. Und wenn ich es zwischendurch aufschlage und nur mal kurz reinschmökere, dann wird diese gute Laune vertieft durch das, was ich lese. Am allerbesten wird meine Laune übrigens beim Echo-Elfchen, das zaubert sofort ein Lächeln auf mein Gesicht.

Jetzt allerdings wird das Büchlein weiterziehen zu einer guten Freundin, die zur Zeit im Krankenhaus liegt. Sie braucht nämlich dringend kleine Geschichten, die ihr guttun ;-)

Ein siebzehnjähriges Mädchen wird vermisst, ihre Zwillingsschwester Aurelia bleibt alleine, quasi halbiert, verzweifelt zurück. Von ihren Freunden fühlt sie sich im Stich gelassen und unverstanden, dazu kommt das beklemmende Gefühl, dass das Verschwinden ihrer Schwester erst der Anfang ist von etwas Drohendem, Unheimlichen, das wie ein dunkler Schatten über allem schwebt.

Die Autorin schafft es auf raffinierte Art und Weise, den Leser mit hinein zu ziehen in das düstere Geschehen, schafft es, Gänsehaut zu erzeugen, die sich bis zum Schluss nicht wieder legen will. 

Das liegt mit Sicherheit zu einem guten Teil daran, dass die komplette Geschichte aus der Sicht Aurelias geschrieben ist. Das lässt den Leser eins werden mit der Gefühlswelt der Protagonistin, lässt ihn mit ihr hoffen und zittern, sorgt dafür, dass man nicht mehr weiß als Aurelia selbst, dass man mit ihr im Dunkeln tappt, leidet, liebt. 

Aber auch der Erzählstil selbst gibt dem Leser das Gefühl, auf der Überholspur zu fahren, getrieben vom Geschehen, gejagt von den Ereignissen, ohne etwas tun zu können. 

Hinzu kommt das Misstrauen, das geschickt gesät wird. Misstrauen, das Aurelia immer verwirrter und verwundbarer macht. Misstrauen fast jedem, auch engen Freunden, gegenüber. Misstrauen, das nachvollziehbar ist und auch nachempfunden werden kann, bis man sich plötzlich selbst gefangen sieht im Strudel des Bösen.

Ein Buch, das ich nicht aus der Hand legen wollte, sondern in einem Zug durchgelesen habe, um es anschließend sofort meinen Töchtern zu empfehlen.