Rezension zu "500 Zugreisen" von Sarah Baxter
Und das alles mit dem Zug. Wer möchte da nicht mitfahren oder wenigstens einige Ideen sammeln? Dieser umfangreiche Paperback-Band nimmt sich also viel vor. Und er richtet sich an ausgesprochene Eisenbahnfans. Offenbar gehören sowohl der Verfasser des Vorworts als auch die Autorin zu dieser Gruppe von Menschen, denn sie romantisieren das Reisen mit Zügen auf eine Weise, die ich nicht ganz nachvollziehen kann. Vermutlich bin ich zu oft in überfüllten Zügen und durch die falsche Gegend gefahren. Bei den 500 in diesem Buch vorgestellten Zugreisen soll das natürlich ganz anders sein. Ob es dann auch tatsächlich so ist, muss ein Praxistest zeigen, der sich jedoch meinen Möglichkeiten entzieht.
Schon beim ersten Blättern in diesem Buch entstehen zahlreiche Fragen. Zum Beispiel: Werden tatsächlich 500 Zugreisen vorgestellt? Die Antwort ist ein klares Nein. Ich habe die tatsächlich nachvollziehbaren Vorstellungen nicht gezählt – sie sind jedoch in der eindeutigen Minderheit. Die meisten Reisevorschläge bestehen nämlich aus ein oder zwei Sätzen und der Nennung der Bahnlinie. Man findet sie nach oder neben den ausführlichen Vorstellungen geordnet nach einer gewissen Ähnlichkeit mit der ausführlich beschriebenen Reise.
Da stehen also beispielsweise neben der einigermaßen detaillierten Darstellung einer Reise von Nairobi nach Mombasa (Reise 296) am Rand drei weitere Reisen (297-299): Elevador do Bom Jesus (Braga, Portugal), Madrid-El Escorial, Zahnradbahn Sassi-Superga in Turin. Man fragt sich sofort, worin denn nun die Ähnlichkeit besteht. Und dann erkennt man, dass es um geweihte Stätten geht. Bei der Reise von Nairobi nach Mombasa kommt man zum Fort Jesus, erbaut 1593-1596. Das ist alles etwas seltsam, was zu nächsten Frage führt. Und die lautet: Was ist eigentlich das Grundkonzept dieses Buches?
Ich hätte erwartet, dass man solche Reisen nach Erdteilen oder Themen ordnet. Doch im Kopf der Autorin entstand die seltsame Idee, sie nach Zeiten zu systematisieren: Urgeschichte, Altertum, Mittelalter, Frühe Neuzeit, 19. Jahrhundert, 20. Jahrhundert und danach. Wenn man also durch die Wüste Namib rattert, dann ist man in der Urgeschichte, weil diese Wüste vor 55 bis 80 Millionen Jahren entstand. Die Autorin zieht diese reichlich willkürliche Ordnung gnadenlos durch. Wirklich verstehen kann man das im Sinne des Lesers nicht.
Neben den ausführlichen Vorstellungen und den kurzen Erwähnungen existiert noch so eine Art Mittelding in Form einer etwas ausführlicheren Darstellung in Form von mehr als zwei Sätzen, gewöhnlich ohne Bilder und ohne Karten. Selbst bei den ausführlichen Beschreibungen fehlen oft Skizzen zum Streckenverlauf.
So gut die Idee zu diesem Buch auch sein mag – die Autorin hat sie aus meiner Sicht nicht wirklich gut umgesetzt. Statt sich auf die wenigen tatsächlich nachvollziehbar beschriebenen Reisen zu beschränken und diese dann besser, ausführlicher und nach einem einheitlichen Schema abzuhandeln, was übrigens auch praktische Hinweise beinhalten sollte, ordnet sie ihre Vorschläge nach irgendwelchen Epochen, was man nicht wirklich immer begreifen kann. Beispielsweise würde die oben erwähnte Tour durch die Namib auch in die Zeit der Erbauung der Strecke passen. Wer also einen Reisevorschlag sucht, muss wissen, welche Zeit die Autorin damit verbindet. Das ist ehrlich gesagt ziemlich sinnbefreit.
Immerhin findet man am Ende des Buches wenigstens einen Index. Dort kann man ein Land seiner Wahl suchen und sieht dann unter diesem Stichwort eine Liste der im Buch vorgestellten Touren in ihm mit den entsprechenden Seitenzahlen. Dem deutschen Verlag kann man wegen des aus meiner Sicht missratenen Konzepts keinen Vorwurf machen, weil es sich um eine Übersetzung eines englischen Originals handelt.
Sieht man von diesem konzeptionellen Fehlgriff einmal ab, dann hat man dieses Buch als einen sehr guten Ideengeber benutzen.