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Cover des Buches Der gefesselte Eros (ISBN: 9783423047111)
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Rezension zu "Der gefesselte Eros" von John J. Winkler

Rezension zu "Der gefesselte Eros" von John J. Winkler
Sokratesvor 13 Jahren

Vorliegender Titel, der als dtv-Ausgabe noch antiquarisch erhältlich ist und in diesem Format suggeriert, eine auch für den wissenschaftlichen Laien verständliche Publikation zu sein, beschäftigt sich im Wesentlichen mit zwei Themenbereichen: der Altphilologie, also der antiken Literaturwissenschaft, und der Sexualwissenschaft als Teil der Kulturwissenschaft.

Ausgehend von einem immens umfangreichen Quellenmaterial, was der Autor auch minutiös durcharbeitet und vor dem Leser ausbreitet, gelangt er irgendwann ab gut der Hälfte des Buches zu seinen wissenschaftlichen Schlüssen. Gegenstand seiner Untersuchung ist die Frage, inwieweit die griechische Gesellschaft wirklich so freizügig im Hinblick auf Sexualität und Geschlechterrollen war, wie man heute gemeinhin annimmt bzw. anzunehmen glaubt. Ergebnis seiner Untersuchungen ist jedenfalls, dass auch die griechische Gesellschaft von patriarchalen Strukturen geprägt war, dass sich auch eine vermeintlich "freie" Erotik nur innerhalb dieser Muster hat entwickeln können. Erotik/Sexualität der Frauen hat sich nur in Nischen entwickelt; den Rahmen für irgendeine Entwicklung gab die von Männern dominierte Gesellschaft vor. Knabenliebe entlarvt der Autor nicht als Indiz für eine sexuell freizügige und allen Interessen gegenüber aufgeschlossene Gesellschaft, sondern vielmehr als ein wohl durchdachtes Machtsystem, mit dem ebenfalls geherrscht und beherrscht werden sollte. Von einer "freie" Gesellschaft kann in letzter Konsequenz eben doch nicht gesprochen werden. Die angeblich so charakteristische Freizügigkeit der Griechen - uns übermittelt in antiken Texten und bildhaften Darstellungen - ist nach dem Urteil von Winkler alles in Allem lediglich das, was wir wahrnehmen, weil es uns bildhaft oder mit den Mitteln der Sprache übermittelt wird; die Wahrheit der Verhältnisse treffen diese Darstellungen indes nicht, denn alles war weitgehend ein Instrument zur Kontrolle und Beeinflussung gesellschaftlicher Abläufe, weitgehend von Männern dominiert und geprägt.

John J. Winkler, 1943 in St. Louis geboren, studierte zunächst Altertumswissenschaften und schloss sich nach seinem Studium dem Benediktinerorden in England an. Doch bereits 1966 kehrte er in die USA zurück, verließ gleichzeitig den Orden, wurde schließlich Professor. 1990 starb er an Aids.

Ein schwieriges Buch. Einerseits ist die Sprache des Autors sehr komplex, andererseits arbeitet er hochwissenschaftlich. Wer also Lust auf dieses Buch bekommen hat, der sollte geübt sein im Lesen hochanspruchsvoller wissenschaftlicher Literatur sein und nicht darauf vertrauen, dass das vorliegende Buch - da bei dtv erschienen - eine auch für den interessierten Laien verständliche Materie ist, mglw. noch mit vielen Bildern versehen. Beides ist nicht der Fall. Winkler arbeitet - und das ist bei einer altphilologischen Materie auch zwingend notwendig - sehr eng an der Quelle; mind. die Hälfte seines Buches ist emsige Quellenrecherche, eng am Text, jede Nuance wird dokumentiert und dargestellt, für den Leser auch zu lesen, nicht nur als Endergebnis präsentiert. Wenn man sich einmal durch diesen ersten Teil "gequält" hat, gelangt man in die Deutung, aber auch hier finden sich ständig Textfragmente. Die Auswertung der Quellen wird auch hier breit durchgeführt. Abschließende Deutungen, Bewertungen, muss man suchen, so weit liegen sie vertreut zwischen antiken Texten, die zitiert werden.
Zwar habe ich Übung mit dem Lesen wissenschaftlicher Literatur, aber das hier überstieg meine Möglichkeiten. Wer sich also lieber mit den Ergebnissen der Forschung des John J. Winkler befassen will, dem sei eine andere Lektüre zu empfehlen. Dieses Buch ist wahrlich nur etwas für Hoch-Interessierte bzw. Wissenschaftler, die es für ihre Arbeit brauchen.

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