Massimo Montanari

 4,7 Sterne bei 3 Bewertungen

Alle Bücher von Massimo Montanari

Cover des Buches Spaghetti al pomodoro (ISBN: 9783803113542)

Spaghetti al pomodoro

 (2)
Erschienen am 20.08.2020
Cover des Buches Der Hunger und der Überfluß (ISBN: 9783406377020)

Der Hunger und der Überfluß

 (1)
Erschienen am 22.09.1993

Neue Rezensionen zu Massimo Montanari

Cover des Buches Spaghetti al pomodoro (ISBN: 9783803113542)
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Rezension zu "Spaghetti al pomodoro" von Massimo Montanari

Der Lebensmittelhistoriker liefert interessante historische Eckdaten, das aber im Plauderton, gepaart mit Humor
Gwhynwhyfarvor 2 Jahren

«Pasta. Keiner isst ‹Pasta ohne alles›. beim Kochen geht es um Produkte, das ist klar, vor allem aber um die Rezepte. ‹Rezept› vom lateinischen recipio: Ich nehme (von diesem, von jenem) und stelle zusammen. Selbst die autochthonsten Rezepte, jene, die auf lokalen Produkten basieren, werden niemals so ausschließlich lokal sein, als dass sie sich Einflüssen unterschiedlichen Ursprungsverwehren würden.»


Il tricolore, die Flagge Italiens: Spaghetti, Tomatensoße, zwei Basilikumblätter, Parmesankäse. Gibt es etwas, das typischer für Italien ist als Spaghetti al pomodoro? Wer war zuerst da? Klar, die Nudel. Wer hat die Nudel erfunden – und wer die Tomatensoße? Elegant und aus seinem großen Forschungswissen schöpfend erzählt der Mediävist und Lebensmittelhistoriker der Universität Bologna, Massimo Montanari, die Geschichte dieses Gerichts und räumt dabei mit all den kursierenden Halbwahrheiten und Vorurteilen auf.


Wir erfahren, wie die Pasta als Variante des orientalischen Fladenbrots entstand, dass bereits die Römer Nudeln aßen, allerdings keine getrockneten; wie die Araber einen neuen Typ aus Hartweizen verbreiteten und in Sizilien bereits im 12. Jahrhundert die industrielle Fertigung eingeführt wurde (kein bisschen handgemacht von der Mamma). Die getrocknete Pasta wurde zwei Stunden gekocht, weit entfernt von «al dente». Pfeffer und Hartkäse kommen ins Spiel, Tomaten in Form der «spanischen Sauce» auf den Teller. Sehr früh benutzten die Sizilianer die Gabel, die einfacher zu handhaben war, als Finger und Löffel. Die Raffinesse zieht ein mit Peperoncino, Knoblauch und Zwiebel, die Farbe mit dem Basilikum. Montanari zeigt, wie das Lob des Herkunftsgebiets zu Intoleranz und Fanatismus führt und die Ursprünge der Pasta mystifiziert werden. Eine leicht genießbare, aber gehaltvolle und unterhaltsame Lektüre. Und die Ursprünge der Pasta in China? Fake news!


«Aber der Historiker ist mehr an der Entwicklung als an der Herkunft interessiert. Der Sinn der Geschichte ist, wie sich die Dinge entwickelt haben und warum. Die Ereignisse, die ich in meinem Buch geschildert habe, sollen zeigen, dass ohne Veränderung, ohne Ereignisse, ohne Geschichte, nichts geschehen würde.»


Die erste Pasta war eine Variante von Brot, dünn mit einem Nudelholz ausgewalzt, ungesäuert, eventuell auch getrocknet, man nannte sie in Persien während der sasanidischen Zeit «lakhsha». Und als «rishta»  bezeichnete man in Streifen oder Fäden geschnitten nudelähnlichen Teig. Möglicherweise stammt das Wort aus dem Sumerischen, abgeleitet von «risnatu», das in der Keilschrifttafeln von vor fast 4000 Jahren Erwähnung findet, in der akkadischen und sumerischen Esskultur. Bei den Römern spielte die «Nudel» keine große Rolle, diente aus frischem Teig als Suppeneinlage. Im 3. Jahrhundert n. Chr. wird im Jerusalemer Talmud die Art des Koches in Wasser erwähnt – also nicht im Ofen oder Pfanne gebraten. Auf keinen Fall hat Marco Polo die Nudel von China nach Italien gebracht – auch wenn die Chinesen viel mit Nudeln arbeiten – die gab es in Italien schon lange. Das griechische làganon, im lateinischen lagana war der Vorläufer der Lasagne, wobei diese Teigblätter noch wie Pfannkuchen gebraten oder trocken wie Zwieback gegessen wurden. Im 7. Jahrhundert eroberte die arabische Welt die getrocknete Pasta und trug sie in die Welt – die itriyya; auch die fidawsh, eine kleine Suppennudel wurde gereicht.


Die neue Pasta aus Hartweizengries brachten die Araber auf Sizilien im 11. Jahrhundert zum Blühen, denn hier entstand der erste Industrialisierungsprozess der Nudel! Die Massenware itriyya wurde von hier verschifft und in die arabischen und christlichen Länder verkauft. Sizilien war der Angelpunkt der Pastakultur – und bis ins 16. Jahrhundert nannte man die Sizilianer noch abschätzig «Mangiamaccheroni». Denn die Spaghetti gab es noch nicht. Es ist interessant zu lesen, wie die Maccheroni hergestellt wurden! Es gibt eine Menge Wissenswertes über die Nudel zu erfahren. Amerika war noch nicht entdeckt – wie also aß man die Pasta? Doch nicht trocken! Hier kommt der Käse ins Spiel, der mit der Pasta seinen schlechten Ruf verlor – und auch die Butter.


«Die Toatensoße hielt im 17. Jahrhundert Einzug in die Kochbücher und wurde dort häufig als ‹spanische Soße› bezeichnet.»


Bis ins Hochmittelalter aß man mit seinem Löffel, den man bei sich trug oder mit den Händen. Die Gabel schien aber zweckdienlicher für das Essen von Pasta; so eroberte sie von Italien aus die Welt. Weiße Pasta: mit Käse, Butter, mit Gewürzen wie Pfeffer, wenn man es sich leisten konnte; aber auch Öl und Speck werden hier und da erwähnt. Selbst Goethe beschreibt 1787 die in Neapel in Wasser gekochte Maccheroni, die mit geriebenem Käse gereicht werden. Wann kam die Tomate ins Spiel? Amerika war entdeckt, aber der Tomate gab man noch keine Bedeutung. Die Neapolitaner entdeckten dann die ‹spanische Soße›, die den Käse auf der Pasta ablösen könnte; aber doppelt gewürzt schmeckt eben besser. Bis zum Basilikum war es noch ein weiter Weg. Massimo Montanari erklärt auf unterhaltsame Weise den Weg eines Volksessens, das die Welt einmal erobern wird. Der Lebensmittelhistoriker liefert interessante historische Eckdaten, das aber im Plauderton, gepaart mit Humor, räumt auf mit Halbwahrheiten und Vorurteilen. Ein Sachbuch, das sich spannend liest, ein Schmöker für kulinarische Freunde und Pastaliebhaber.



Massimo Montanari, 1949 geboren, unterrichtet Geschichte des Mittelalters an der Universität von Bologna, wo er den Studiengang ››Geschichte und Kultur der Ernährung‹‹ leitet. Der Historiker gilt als hervorragender Spezialist für europäische Ernährungsgeschichte.

https://literaturblog-sabine-ibing.blogspot.com/p/spaghetti-al-pomodoro-von-massimo.html

Cover des Buches Spaghetti al pomodoro (ISBN: 9783803113542)
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Rezension zu "Spaghetti al pomodoro" von Massimo Montanari

Kulturgeschichte für jedes Leckermäulchen
aus-erlesenvor 4 Jahren

Sie sind die Universalwaffe, wenn der Nachwuchs bei Tische wieder einmal den Aufstand probt: Spaghetti. Mit Tomatensauce hat man die Schlacht automatisch schon gewonnen. Rund um den Erdball sind die dünnen Fäden – ob nun aus Eiern oder Hartweizen hergestellt – der Renner auf den Tellern. Sie waren immer da, sind es bis heute und werden es auch immer bleiben. Den Ruf als globales Mahl wird ihnen keiner streitig machen können. Auch wenn so genannte Fernsehköche (ist das überhaupt ein Ausbildungsberuf? Und wenn ja wie hat er sich im „Spiegel der Zeit“ mit der Erfindung der Flachbildschirme entwickelt?) in so genannten „Kochsendungen für Männer“ den Burger als Synonym für Fleisch als Allheilmittel des lukullischen Aha-Erlebnisses propagieren. 

Massimo Montanari taucht hinab in die Tiefen der Geschichte dieses Gerichtes. Woher kommen denn nun eigentlich die Nudeln, die die Welt beherrschen? China? Weil Marco Polo, ein Italiener, eigentlich Venezianer, was zu seiner Zeit noch einen bedeutenden Unterschied ausmachte, im Osten herumschipperte und sie angeblich einschleppte? No. Nudeln wurden schon immer irgendwo auf der Welt hergestellt, wo Weizen angebaut wurde. Die Methode des Trocknens, um sie haltbar zu machen, war ebenso verbreitet, die das Wissen darum, dass, wenn sie in Wasser gekocht werden, sie nicht nur schmackhaft, sondern vor allem auch nahrhaft sind. Auch dem Mythos al dente rückt Montanari auf den Pelz. Stundenlang sollen sie vor Jahrhunderten gekocht worden sein. Nix mit cinque minuti und ab an die Wand klatschen. 

Doch zu Pasta gehört – der Titel des Buches verrät es ja bereits – auch eine Sauce. Aus Tomaten. Bringt Farbe ins Spiel. Und Geschmack. Zucker und Zimt waren eine Zeitlang die bevorzugten Zugaben - wenn man das heute Kindern erzählt, ist das Thema gesunde Ernährung auch durch. 

Die Tomate kam mit den rückkehrenden Eroberern Amerikas über Spanien auf den Apennin. Selbst die Medici ließen sich mit den roten Früchten, immer noch als Zierde eines jeden Gartens oder generell als Schmuckstück gehandelt, beschenken. Nach und nach wurden dem weißen Teig und der roten Sauce Zutat um Zutat beigefügt. Pfeffer und Käse haben sich bis heute gehalten. 

Nun ist es nicht so, dass mit dem Genuss des Buches der Genuss der Pasta im Allgemeinen und der Spaghetti al pomodoro im Speziellen beeinträchtigt wird. So viel Einfluss hat auch der belesene Autor nicht. Doch wenn es bei Tisch darum geht ein bisschen über das Essen zu philosophieren, hat man ein Pfund in der Hand, im Mund, aber garantiert im Kopf, mit dem man wuchern kann. Einfach mal die Worte „lakhsha“ und „risnatu“ in die Runde werfen. Wenn man Glück hat, kann sich unter dem Eindruck des Erstaunens die eine oder andere Nudel mehr vom Teller des Gegenübers klauen. Na, das ist es doch wert, oder?!


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