Einiger des Reiches
Es war keine einfache Zeit, in der Otto der I. letztlich nach der Macht Griff, sich in diesem Kampf durchsetzte und im Folgenden das deutsche Reich in seiner damaligen Form einte, militärisch, aber auch als „Friedensfürst“ nach all diesen Kämpfen und Schlachten.
Zum 1100. Geburtstag des Kaisers legt Matthias Becher eine äußerst lebendig verfasste und durchaus breite Strömungen der Zeit aufnehmende Biographie des Nachfolgers Heinrich I. nun vor. Durchaus als gelungen zu bezeichnen sind hier zunächst die Beschreibungen der „Vorläufer“ der Herrschaft Ottos.
Wie war der Zustand in Deutschland? Was geschah, nachdem die Krone aus dem Geschlecht der Karolinger in das Liudoflinger wechselte und Heinrich I. seine Regentschaft antrat? Wie stellte sich die durchaus unklare und umkämpfte Situation der Nachfolge Heinrichs dar? Fragen, die Becher aufnimmt, ausführlich beantwortet und damit den Leser gut mit hinein nimmt in die vielfachen Strömungen, Intrigen, Machtspiele und Interessen zu jener Zeit, in der auch Otto nach der Krone griff.
Gepaart mit dem flüssigem Stil des Buches entsteht für den Leser ein lebendiges Bild der Zeiten und der handelnden Personen, das gut 30 Seiten starke Kapitel über die schwierigen Anfänge Ottos des Großen nötigt im Nachgang noch einmal und wiederum Respekt vor der Leistung Ottos ab, sich nicht nur in Person durchzusetzen bis auf den Herrscherthron, sondern aus dieser Ausgangslage heraus auch mit klaren Schritten, wo nötig harter Hand, immer aber mit dem Blick auf eine dauerhafte Einigung des Reiches gerade in und für Friedenszeiten seien Vision umgesetzt zu haben.
Bis dahin, dass „um 950 herum hatte Otto der Große alle Widerstände im Innern seines Reiches überwunden und eine regelrechte Familienherrschaft errichtet“. Zudem hatte Otto im Vorfeld für ihn logische Expansionsschritte nach Westfrankreich, Böhmen und Dänemark beschritten, so dass um 950 das Reich in bisher nicht gekannter Größe, Macht und Einheit stabil im Raum stand. Doch neue Spannungen im Inneren ließen nicht auf sich warten. Nicht alle der Familie waren mit Ottos Wahl seines Sohnes Liudolf als späteren Nachfolger auf den Thron einverstanden, innerer Streit der familiären Herrschaft entbrannte mehr und mehr. Neue Kämpfe in und gegen Italien traten hinzu, wirkliche Ruhe war Otto nicht beschert bis hin zu einem Aufstand (mit nachfolgender Versöhnung) Liudolfs gegen seinen Vater.
In seiner Gesamtwürdigung verweist Becher zum Ende hin zu Recht auf die maßgebliche Rolle, die Otto bei der Schaffung eines erstmalig „deutschen Reiches“ zukam. Ignoriert aber auch nicht die Wichtigkeit der Einigkeit der deutschen Fürsten, zu jener Zeit ein gemeinsames Oberhaupt anzuerkennen und so eine gemeinsame Stärke anzustreben. Auch wenn persönliche Interessen und Eitelkeiten immer wieder die fragile Verbindung in Gefahr brachten. Indem aber Otto grundlegend auf regionale „Beinamen verzichtete und den Titel des „Kaisers“ annahm, schuf er ins einer eigenen Person jene Klammer, die das Reich zunächst einte.
Flüssig, lebendig und äußerst detailliert verfolgt Becher den Lebensweg Ottos in seiner Zeit und führt die vielfachen handelnden Personen und deren Verbindungen untereinander geschickt ein in das Geflecht der politischen Lage Mitte des 9. Jahrhunderts. Mithin eine überaus gelungene Darstellung von Zeit und Leben Ottos des Großen.