Rezension zu "Star Trek, Die Romulaner" von Diane Duane
"Die Romulaner" ist alles andere als ein 08/15-Classic-Roman. In der ganzen Geschichte ist von der Enterprise-Crew weit und breit nichts zu sehen, abgesehen von Dr. McCoy. Die Hauptfigur ist aber auch er nicht, sondern eine Frau namens Arrhae ir-Mnaeha t'Khellian (oh je!) Diese arbeitet in der Villa eines reichen Romulaners und hat dort als leitende Hausangestellte sowohl den Haushalt als auch die übrige Dienerschaft fest im Griff. Ihr Weltbild gerät ins Wanken, als eines Tages im Hause ihres Herrn ein Gefangener versteckt wird - ein Mensch namens Leonard McCoy. Dieses Ereignis löst bei Arrhae ein Déjà-vu-Erlebnis aus, als ihr klar wird, dass sie keineswegs eine Rihannsu ist, sondern eine menschliche Agentin, die von der Sternenflotte nach ch'Rihan (bzw. Romulus) eingeschleust wurde. Innerlich hin- und hergerissen, droht ihre falsche Identität aufzufliegen...
Der zweite Teil von Diane Duanes "Rihannsu"-Zyklus findet, anders als der Vorgänger "Der Feind, mein Verbündeter", fast ausschließlich auf Romulus statt. Die Handlung ist eine gut geschriebene Agentenstory, die zwar sehr langsam aufgebaut ist, aber vor allem durch die fesselnden Charakterszenen und die intelligenten Dialoge überzeugen kann. Die Spannung ergibt sich vor allem durch die Aussichtslosigkeit der Lage, in der sich McCoy befindet, weniger durch die wenigen Actionszenen. Es ist sehr interessant, dass der Doktor hier mal auf sich allein gestellt ist, konnten wir ihn doch sonst fast immer nur im Dreierpack mit Kirk und Spock erleben. Ich habe zwar nicht so recht verstanden, warum ausgerechnet McCoy von der Sternenflotte auf die Suche nach der verschollenen Agentin geschickt wurde, aber nichtsdestotrotz freue ich mich über jeden Roman, in dem er eine größere Rolle spielt.
Die eigentliche Hauptperson Arrhae, die in Wirklichkeit Terise Haleakala-LoBrutto heißt (nochmal oh je!), ist sehr einfühlsam beschrieben worden. In ihren inneren Konflikt, als sie zwischen ihrer alten und ihrer neuen Identität entscheiden muss und dabei zwischen den Stühlen sitzt, konnte ich mich gut hineinversetzen. Die vielen komplizierten romulanischen Namen waren für mich allerdings eine Herausforderung; es war gar nicht so einfach, H'daen tr'Khellian, Maiek tr'Annhwi, Nveid tr'AAnikh und all die anderen auseinanderzuhalten. Aber es wimmelt nicht nur vor zungenbrecherischer Namen, sondern auch vor Dutzenden Wörtern und ganzen Sätzen aus der Sprache der Rihannsu. Glücklicherweise ist hinten im Buch ein kleines Wörterbuch vorhanden, aber wer hat schon Lust, jedes unbekannte Wort nachzuschlagen?
Wie gesagt, die Handlung um Arrhae/Terisa und McCoy ist recht gelungen. Es ist jedoch nicht die Agentenstory, die diesen Roman aus der Masse der vielen anderen TOS-Romane heraushebt, sondern die Tatsache, dass die Romulaner hier einen sehr ausführlichen geschichtlichen Hintergrund erhalten. Man erfährt, wie sich eine stetig wachsende Gruppe Vulkanier von den Lehren Suraks distanzierte. Später verließen Tausende von ihnen, angeführt von Suraks ehemaligem Musterschüler S'task, ihren Heimatplaneten, um sich eine neue Heimat zu suchen. Nach vielen Jahren und stark dezimiert konnten sie endlich zwei unbewohnte Planeten finden, ch'Rihan und ch'Havran, von der Föderation später als Romulus und Remus bezeichnet. Das Romulanische Reich war geboren...
Diese Geschichtskapitel wechseln sich mit der Haupthandlung ab, und ich muss zugeben, dass ich mich zuerst nicht so recht mit ihnen anfreunden konnte und sie am liebsten überblättert hätte, weil sie anfangs so trocken daherkamen wie mein ehemaliges Geschichtsbuch. Aber ab dem Zeitpunkt, an dem S'task und seine Anhänger Vulkan verließen, hat mich der "Geschichtsunterricht" doch noch gepackt. Ich persönlich kann es verschmerzen, dass sich die Romulaner und erst recht die Remaner später in TNG und den Filmen in eine andere Richtung entwickelten als beim Autorenehepaar Duane/Morwood, immerhin erschien der Roman bereits 1987. Für mich war es trotzdem sehr interessant und aufschlussreich, einen ausführlichen Blick auf das normale, alltägliche Leben der Rihannsu zu werfen.
Fazit:
1. Die Geschichte der Rihannsu beißt sich in der Zwischenzeit ganz gewaltig mit dem Kanon.
2. Außer McCoy ist niemand von der Enterprise dabei.
Könnt Ihr das verkraften? Dann viel Spaß mit diesem außergewöhnlichen, anspruchsvollen Roman - trotz einiger Längen lohnt er sich auf jeden Fall!