Als ein neuer Patient in dem Krankenhaus eingeliefert wird, in dem Bakteriologe Carl-Jakob Melcher arbeitet, ist dieser gleich in mehrfacher Hinsicht interessant für Carl: Der Patient zeigt Symptome der Schlafkrankheit, mit der sich Carl Berufs wegen beschäftigt, hat sich vermutlich in Afrika angesteckt, wo er mit Robert Koch geforscht hat, den Carl sehr bewundert und ist darüber hinaus noch ein alter Schulkollege von ihm. In den wenigen, kurzen lichten Momenten, die ihm die Krankheit lässt, macht er Carl-Jakob gegenüber Andeutungen von Unregelmäßigkeiten, die er in Ostafrika beobachtet haben will. Als er dann kurz darauf stirbt und die Ärzte von einem Tod in Folge der Erkrankung ausgehen, führt Carls Wissen um den Verlauf der Krankheit dazu, dass er ein Tötungsdelikt vermutet und beginnt, auf eigene Faust Ermittlungen zu unternehmen.
Carl-Jakob lässt den Leser als Ich-Erzähler an seinen Ermittlungen und Erfahrungen teilhaben. Der Fall ist geschickt aufgebaut und durch einige Wendungen und falsche Fährten bis zum Ende spannend. Durch viele Kleinigkeiten und Details ergibt sich eine dichte Geschichte, in der auch die Arbeitsbedingungen der damaligen Zeit, der Stand der Frau und die Auflehnung dagegen und vor allem die Kolonialpolitik ihren Platz finden.
Mit Carl-Jakob als Hauptcharakter musste ich erst warm werden – er war mir leider zu Beginn nicht ganz sympathisch. Da es sich bei diesem Buch schon um den zweiten Band rund um den ermittelnden Bakteriologen handelt, kann es gut sein, dass mir einfach ein paar Infos aus dem Vorgängerband gefehlt haben. Für die eigentliche Geschichte sind aber keine Vorkenntnisse erforderlich und so lässt sich Band 2 gut schon von Band 1 lesen. Da in Band 2 aber viel aus Band 1 aufgegriffen (und aufgeklärt) wird, ist es vielleicht dennoch ratsam, die Reihenfolge einzuhalten, wenn man beide Bücher lesen möchte.
Auch die Nebencharaktere haben mich ein bisschen gespalten zurückgelassen: einige, wie zum Beispiel Carls Freundin, waren mir zu blass, und dass, obwohl ihre Backgroundstory sehr außergewöhnlich wäre, andere dagegen haben mir sehr gut gefallen, wie zB sein bester Freund Martin oder auch Wirbelwind Agatha.
In die Erzählung der Ermittlung sind viele Themen und Besonderheiten der Zeit und Hamburgs eingewebt, die ein abwechslungsreiches Bild der Lebenswirklichkeit von Carl-Jakob und der Gesellschaft zu dieser Zeit ergeben. Für mich waren es beinahe zu viele Themen, die da beleuchtet werden sollten, weil einige auch eher irrelevant für den Fall waren und daher ein bisschen „konstruiert“ wirkten. Das hat dann auch dazu geführt, dass mir an anderen Stellen die Details gefehlt haben.
Ich hätte mir ein bisschen mehr den Schwerpunkt auf Wissenschaftsgeschichte gewünscht, nicht umsonst ist Carl-Jakob zuallererst einmal Bakteriologe, und weniger vielleicht auf der Frauenbewegung – die natürlich für sich selbst genommen auch spannend ist, in diesem Roman aber ein bisschen den Rahmen sprengt.
Die Auflösung führt alle Fäden zusammen und klärt alle offenen Fragen auf, sodass ein logischer Schluss gefunden wird. Das Buch hat mich sehr gut unterhalten und sollte sich für Carl-Jakob mal wieder ein Fall ergeben, werde ich ihm vermutlich bei seinen Ermittlungen zusehen.