alexander_engel
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Bewertung zu "Das grobmaschige Netz" von Hakan Nesser
"Hitler hasst moderne Architektur. Da haben der Füher und ich etwas gemeinsam." Diesen Satz sagt ein jüdischer Antiquitätenhändler zu dem Ermittler Bernhard "Bernie" Gunther. Mit diesem Stilmittel gelingt es P. Kerr, sich einer Zeit anzunähern, in der eigentlich nichts komisch, und vor allem nichts ironisch zu deuten wäre. Doch Kerr ist authentisch. Kerr läßt seine Figuren reden, wie sie wahrscheinlich genau zu der Zeit geredet haben. Kerr verleiht Naziverbrechern wie Himmler, Heydrich, Göring, um nur einige zu nennen, Stimmen, gibt diesen Leben, so wie andere Autoren sich Figuren schaffen. Kerrs Protagonisten sind echt, haben existiert und viele Fragen hinterlassen. Kerr, ein ebenso guter Recherchierer wie auch Schreiber, gibt Antworten, entkleidet dem Leser eine Machinerie eines Systems, in dem die Nazis ohne Skrupel wirkten., ohne Gefahr zu laufen, Symphatie mit diesen Mördern zu erwecken. Nein, Kerr schafft es, Protagonisten zu entwerfen, wie sie womöglich sagar gelebt haben, schafft damit Authentizität und Spannung gleichermaßen. Und ihm gelingt etwas sehr großes: Er beschreibt die Zeit 1936 bis 1947 an Hand von scheinbar banalen, "normalen" Verbrechen, wie sie auch im Heute stattfinden, Morde, Betrug, Gaunerein...doch sehr schnell wird klar...bei den Nazis war nichts normal, nichts banal, und vor allem: es gab keine gerechte Justiz, und damit keine Ermittlungsarbeit, die den Ermittler nicht ständig mit einem Bein im Sarg stehen läßt. Kerr wagt sich weit in die Ministerien des dritten Reiches, zeigt in allen drei Teilen, wie Verbrechen benutzt wurden, um zu manipulieren. Bernie ist eine Figur, der man viel verzeiht, vor allem sein Leben in diesem System. Bernie ist in erste LInie Polizist, aber genauso Zeitzeuge, Antiheld, einer, der eigentlich gegen die Nazis kämpfen will, es auch auf seine Art macht, doch sehr leise, sehr bedächtig, laut nur in seinen Zweideutigkeiten, und laut hinter vorgehaltener Hand. Bernies Stimme ist trotzdem kräftig, und er sagt Dinge an den richtigen Stellen...er läuft zwar mit, aber mit vielen Zweifeln und dem richtigen Biss in seinen Anschauungen.
Philip Kerr hat eine Kriminalroman-Trilogie geschaffen, in einer Zeit der deutschen Geschichte, die nicht viele Autoren zu beschreiben wagen, aus Angst, entweder für Pro gehalten zu werden, weil sie vielleicht zu neutral erzählen, oder zu polemisierend, weil sie nur Antiparolen aneinanderreihen würden. Kerr schreibt sehr sicher, er kennt sich aus in dieser Zeit und hat noch den Schneid, drei gute, spannende und fesselnde Kriminalfälle zu schildern um mir nebenbei Zusammenhänge großer politischer Schweinereien näherzubringen.
Fazit: Bisher dachte ich immer, nur Remarque oder Böll könnten mit großen Stimmen über Krieg und Nachkrieg erzählen...nun hat sich mit Kerr ein neuer großer Autor in deren MItte eingereiht.
Über mich
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- 22.05.1973
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