miro76
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Odile lebt in einem Tal, umgeben von Bergen und von einem Zaun. Denn hinter den Bergen befindet sich auf der einen Seite das selbe Tal nur 20 Jahre früher und auf der anderen Seite 20 Jahre später. Die Grenze ist streng bewacht. Zu groß ist das Risiko, dass jemand in den Lauf der Zeit eingreift und so die Geschichte ändert.
Die Gesellschaftsstrukturen im Tal wirken repressiv und totalitär. Die Menschen folgen ihrer Bestimmung, scheinen nichts zu hinterfragen und fügen sich in ihre gesellschaftliche Stellung. Das Conseil ist die höchste Behörde und diese regelt die Grenzgänge. Denn manchmal wird einem Gesuch stattgegeben und jemand darf einen verstorbenen Angehörigen noch einmal beobachten oder ein zukünftiges Kind einmal sehen.
Diese Besuch werden anonymisiert durchgeführt, unter Bewachung und Einhaltung strengster Regeln. Eine kleine Abweichung veranlasst den sofortigen Abbruch, denn das Risiko, dass dadurch die Geschichte verändert wird ist zu hoch. Es droht die Auslöschung.
Odile ist eine schüchterne Außenseiterin in ihrer Schule. Sie wird kaum wahrgenommen und wenn doch, dann meistens gehänselt. Sie ist ein dankbares Opfer, denn sie wehrt sich nie. Doch eines Tages setzen sich zwei Jungs für sie ein, verteidigen sie und ändern dadurch alles. Odile beginnt zaghaft Freundschaft zu knüpfen, traut sich plötzlich etwas zu und strebt sogar einem hohen Posten entgegen, nur um dann doch wieder abzustürzen.
Doch der ganz große Absturz steht ihr erst noch bevor und Odile, die nie eine aktive Person war, versucht mit ihren Mitteln dieses Schicksal abzuwenden. Sie versucht kleine Entscheidungen anders zu treffen, fühlt sich bereits in Sicherheit und landet schlussendlich doch wieder dort, wo sie sich im Zukunftstal gesehen hatte.
Es scheint fast so, als würde die Zeit kleine Aufmüpfigkeiten einfach ausbügeln, als wären die Menschen ihrem Schicksal hoffnungslos ergeben, egal was sie machen oder zu entscheiden glauben. Vielleicht war das Eingreifen der Jungs auf dem Schulhof bereits ein Versuch, eine Zukunft abzuwenden, vielleicht war das Eingreifen aber auch erst der Auslöser für die große Tragödie? An diesen Fragen kann man sich tatsächlich das Hirn verrenken. Die Zeit wird zu einer Schleife, oder Spirale oder sonstwas. Man darf hier wirklich nicht alles logisch hinterfragen und sollte versuchen sich einfach dem sog der Geschichte hinzugeben. Denn einen Sog hat sie allemal. Ich habe mitgelitten mit Odile, die strampelnd versucht ihrer Abwärtsspirale zu entkommen. Sie muss wirklich ziemlich viel erleiden, bis sie endlich den Mut für den ganz großen Coup findet und ob der gelingt und was dann aus allem wird, wird hier natürlich nicht verraten.
Ich fand die Entwicklung Odiles sehr interessant und ich mochte dieses stille Mädchen auch, obwohl ich ihr manchmal am liebsten in den Hintern getreten hätte, damit sie in die Gänge kommt. Es braucht schon einen mächtigen Schubser, damit diese treibende Person für sich selbst einsteht.
Manche sehen in diesem Buch einen dystopischen Coming-of-Age Roman, aber das kann ich nicht unterschreiben. Das Buch thematisiert nicht das Erwachsenwerden von Odile, sondern zeichnet ein Konstrukt von Möglichkeiten und Folgen. Es ist ein Gedankenexperiment das einen stundenlang beschäftigen kann. Definitiv ein Buch das nachhallt!
Mit diesem versteckten Luxus-Retreat in den Bergen hat sich Pierre Karthee einen Traum erfüllt. Oder besser gesagt, den Traum seines Vaters, denn auch dieser wollte immer erfolgreich ein Hotel führen. Jetzt hängt er einsam an der Flasche und schafft nicht einmal mehr seine Einkäufe selbst.
Doch Pierre ist nicht sein Vater und hat alle Eventualitäten im Griff. Nichts wird schief gehen, wenn die große Victoria Kaplan mit ihren Freunden für ein Wochenende kommt, um die 1 Million Follower zu feiern. Dieser Besuch wird die Feuerprobe des Retreats. Gefällt es ihr, gibt das großartige Publicity, wenn nicht, ist alles aus, bevor es richtig begonnen hat.
Und obwohl Pierre und sein Team sich mächtig ins Zeug legen, dass alles so läuft wie es soll, scheint doch irgendwie alles schief zu gehen. Erst verspätet sich die Gruppe, wegen eines verpassten Flugs und bringt dann eine eigenartig unangenehme Stimmung mit. Die Dynamik in der Gruppe ist nicht von freundschaftlicher Liebe geprägt. Vielleicht war sie das früher mal, aber jetzt scheint etwas anderes vorzuherrschen, dem mit Yoga und Meditation nicht beizukommen ist. Es beginnt eine Abwärtsspirale, die während des Unwetters in der zweiten Nacht mit dem Mord ihren Peak erreicht.
Daher sind die Kapitel auch als Countdown übertitelt und wir starten 37 Stunden vor der Tat und die Autorin lässt die einzelnen Mitglieder der Gruppe, sowie den Hotelchef zu Wort kommen. Außerdem sind zwischendrin Jetzt-Kapitel eingeschoben, die nach dem Mord spielen und uns ganz schön lange rätseln lassen, wer denn nun tot ist. Das hat die Autorin sehr spannend hinbekommen.
Auch das Spiel mit den wechselnden Tatverdächtigen klappt gut. Irgendwie scheinen auf einmal alle ein Motiv zu haben und jede Person sich der Tat verdächtig zu machen. Der Aufbau des Buches ist wirklich gut gelungen. Die wechselnden Perspektiven, die zwei Zeitebenen und die Einschübe der Instagram-Beiträge lockern auf und sorgen für wachsende Spannung.
Das Setting ist ebenfalls toll. Ein Retreat in den Bergen, umgeben von Wald, völlig in der Einöde, weit und breit keine Nachbarn die etwas mitkriegen könnten - geruhsam und gleichzeitig gruselig. Je nach dem, wie es gerade beschrieben wird. Die Grenze ist da wackelig, was am Tage heimelig wirkt, kann bei Nacht leicht verstören.
Was mir nicht gefallen hat, war die Dynamik unter den Pseudofreunden, die Oberflächlichkeit ihrer Gespräche und die Unfähigkeit sich mal fallen zu lassen und zu genießen. Ich weiß ja, warum diese Sein & Schein Welt nichts für mich ist!
So schwanke ich in meiner Bewertung zwischen 3 und 4 Sternen und runde deshalb einfach auf, denn gut unterhalten hat mich das Buch allemal.
Bewertung zu "Die Zeit im Sommerlicht" von Ann-Helén Laestadius
Jon-Ante, Else-Maj, Anne-Risten, Marge und viele andere samische Kinder mussten schon mit sieben Jahren ihr Elternhaus verlassen. Sie wurden ins Internat der Nomadenschule gezwungen, wo sie nicht mehr samisch reden durften und schwedische Namen verpasst bekamen. Und wo Hausmutter ein überstrenges Regiment geführt hat. Schläge gehörten zur Tagesordnung genauso wie seelische Gewalt. Einziger Lichtblick für die Kinder war bei Betreuerin Anna, die tröstende Worte und Umarmungen in aller Heimlichkeit für sie hatte.
Ann-Helén Laestadius hat eine traurige Beziehung zu diesem Roman, denn auch ihre Mutter musste diese Schule besuchen. Nach ihren Erlebnissen ist dieser Roman entstanden.
Die Autorin erzählt diese Geschichte aus der Sicht der verschiedenen Kinder und lässt uns gleichzeitig teilhaben, an ihrem Erwachsenenleben. Wir lesen parallel von ihren Traumata in der Schule und wie diese ihren Alltag später beeinflussten. Wir lesen vom Versuch, das Erlebte zu Verdrängen, im Alkohol zu ertränken oder mit Schmerztabletten zu betäuben. Nur reden wollen sie alle nicht darüber, dann das würde die Dinge zu sehr aufrühren.
Manche der Kinder tragen ein lebenslanges Zeichen mit sich. Die Narben am Körper verschwinden nicht und erinnern für immer an die Gewalt. Dennoch schaffen es die meisten ein gutes Leben zu führen, ihren Kindern gute Eltern zu sein und zu lieben, auch wenn manche von ihnen länger dafür brauchen.
Beim Begräbnis von Anna kommen sie alle wieder zusammen und erste Mauern beginnen zu bröckeln. Die erwachsenen Schüler und Schülerinnen der Nomadenschule beginnen in Worte zu fassen, was ihre Leben so lange beschwert hat. Somit ist das Buch auch eine Ode an die Resilienz!
Ich fand dieses Buch hervorragend erzählt. Die wechselnden Perspektiven halten die Geschichte abwechslungsreich und spannend und es hat mich beeindruckt, wie viel manche Menschen tragen können. Über das traurige Schicksal der samischen Bevölkerung habe ich schon öfter gelesen und immer wieder macht es mich traurig, wie viel dieses beeindruckende Volk zu erleiden hatte. Leider begegnen sie wohl noch immer Rassismus und Ablehnung, dabei sollten wir von den Traditionen dieses naturverbundenen Volkes lernen.
Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung für dieses Buch, dass auch irgendwie die Geschichte der Mutter der Autorin erzählt und die bestimmt viel Mut brauchte, um ihre Tochter in ihre Erlebnisse einzuweihen!
Marlene hat endlich ihr Studium beendet und weiß nicht wirklich wohin mit sich. Um sich abzulenken und Geld zu verdienen bewirbt sie sich für einen Job auf der Insel Strand. Fast die ganze Insel ist ein einziger Freizeitpark mit geschichtsträchtigem Handwerk und Läden aus längst vergangenen Zeiten. Für die Mitarbeiter*innen gilt die Kostümgrenze. Auch an freien Tagen dürfen sie das Dorf nicht in Jeans durchqueren, denn die Rolle muss für die Tourist*innen aufrecht gehalten werden.
Die Ankunft Marlenes auf der Insel und ihre Begegnungen mit lauter neuen Leuten fand ich interessant zu lesen. Es war auch schön, die aufkeimende Liebe zu Janne zu begleiten und tiefer in die Geschichte der Insel einzutauchen. Nur das angekündigte Geheimnis lässt ziemlich lange auf sich warten. Erst wenn man es kennt, erkennt man auch die Andeutungen, die sich wohl durch die Geschichte ziehen. Leider bauen diese kleinen Hinweise nicht wirklich Spannung auf und man muss sich fast bis zuletzt gedulden, um dem Ganzen auf die Spur zu kommen. Dann weiß man auch, was mit den "Leuten von früher" wirklich gemeint ist.
Mich hat das Buch ganz gut unterhalten. Die Geschichte plätschert unaufgeregt dahin, ist mal mehr und mal weniger interessant, aber immer nett zu lesen. Stilistisch ist es recht einfach gehalten und es bietet insgesamt keinen großen Mehrwert. Es ist ein Buch, dass man lesen kann, aber definitiv nicht muss. Als Sommer- oder Strandlektüre unterhält es auf jeden Fall!
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- 25.01.1977
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