Die Frage, ob wir allein im Universum sind, beschäftigt die Menschheit, seit sie über sich selbst hinausdenken kann. Man muss kein Wissenschaftler oder Akademiker sein, um sich darüber Gedanken zu machen, letztlich ist es eine zutiefst philosophische Fragestellung. Genau dieser widmet sich der renommierte Astrophysiker und Harvard-Professor Avi Loeb in seinem Buch „Außerirdisch“. Ausgangspunkt ist ein Ereignis, das im Oktober 2017 nicht nur die Fachwelt aufhorchen ließ: Das mysteriöse Objekt „Oumuamua“ durchquerte unser Sonnensystem – schnell, ungewöhnlich und ohne eindeutige Erklärung.
Bevor Loeb sich jedoch mit den wissenschaftlichen Details dieses interstellaren Besuchers beschäftigt, gibt er dem Leser einen Einblick in seine persönliche Geschichte. Er erzählt von seiner Kindheit in Israel, der Fluchtgeschichte seiner Familie, und seinem ungewöhnlichen Weg in die Welt der Wissenschaft. Ursprünglich auf einem ganz anderen Lebensweg, fand er durch die Unterstützung eines Professors schließlich zur Astronomie, ein Pfad, der ihn bis heute fasziniert. Als Oumuamua auftauchte, war Loeb sofort elektrisiert. Das Objekt widersprach in vielerlei Hinsicht den bisher bekannten Eigenschaften von Asteroiden oder Kometen: seine längliche Form, die Bahnbewegung und die Geschwindigkeit, all das passte nicht ins bisherige Bild. Loeb war einer der ersten, der öffentlich die Hypothese aufstellte, Oumuamua könne künstlichen Ursprungs sein, ein technisches Artefakt einer außerirdischen Zivilisation?
So einfach diese These klingen mag, so schwierig ist sie zu belegen oder zu widerlegen. Loeb untermauert seine Überlegungen mit wissenschaftlichen Daten und anschaulichen Abbildungen und erklärt seine Gedanken nachvollziehbar auch für ein nicht-akademisches Publikum. Doch das Buch beschränkt sich nicht allein auf diese faszinierende Theorie: Immer wieder schweift der Autor ab, erzählt aus seinem Leben, reflektiert über das Wissenschaftssystem, und bringt teils bekannte physikalische Theorien erneut zur Sprache, allerdings oft vermischt mit neuen Interpretationen im Licht von Oumuamua. Dies macht ihn als Mensch nahbar, kann aber stellenweise die wissenschaftliche Spannung dämpfen.
Gegen Ende des Buches nimmt die Erzählung einen philosophischeren Ton an. Loeb argumentiert, dass die Annahme, wir seien allein im Universum, angesichts der unvorstellbaren Größe und Vielfalt des Kosmos fast schon anmaßend ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass irgendwo da draußen intelligentes Leben existiert, vielleicht auf völlig anderer biologischer oder technologischer Grundlage, ist seiner Meinung nach nicht nur mathematisch nachvollziehbar, sondern auch eine Frage der intellektuellen Bescheidenheit. In diesem Sinne ist das Buch nicht nur eine wissenschaftliche Analyse, sondern auch ein Aufruf, unseren Horizont zu erweitern und die Möglichkeit des Anderen nicht vorschnell auszuschließen.
Fazit:
Die Sehnsucht der Suchenden! Avi Loeb hat sich der Astronomie mit Leib und Seele verschrieben und gilt als eine der spannendsten Stimmen in der modernen Astrophysik. Mit Außerirdisch
möchte er nicht nur seine Überzeugung teilen, dass Oumuamua mehr als nur ein „toter Stein“ im All sein könnte, sondern auch die Leserschaft zum Nachdenken anregen, über die Menschheit, ihren Platz im Universum und die Möglichkeit außerirdischer Intelligenz. Der wissenschaftliche Teil über Oumuamua ist informativ und regt zur Diskussion an, leidet jedoch durch Wiederholungen und thematischen Abschweifungen. Die privaten Anekdoten geben dem Buch eine persönliche Note, können aber den Lesefluss für Leser, die primär an den Fakten interessiert sind hemmen. Die Abbildungen im Buch sind eher schlicht und hätten in größerem, hochwertigerem Format sicher mehr Eindruck gemacht. Trotzdem: Wer sich für Astrophysik, außerirdisches Leben oder wissenschaftliches Querdenken interessiert, wird aus diesem Buch Inspiration schöpfen. Es ist kein klassisches Sachbuch, sondern vielmehr eine Mischung aus Memoir, populärwissenschaftlicher Analyse und philosophischer Betrachtung. Ein Werk für Neugierige, Träumer und kritische Denker.
Matthias Göbel
Autor:
Avi Loeb
Übersetzung: Jürgen Schröder
Taschenbuch: 272 Seiten
Verlag: Pantheon Verlag
Veröffentlichung: 23.05.2022
ISBN: 9783570554661
Jürgen Schröder
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Am 19. Oktober 2017 fand eine astronomische Sensation statt. Das Objekt 1I/ʻOumuamua wurde durch das Pan-STARRS-Teleskop auf Hawaii entdeckt. 1I bedeutet, dass es das erste interstellare Objekt ist, das jemals in unserem Sonnensystem entdeckt wurde. Damit nicht genug der Erstmaligkeit, benahm sich Oumuamua anders als erwartet und anders als alle anderen bisher beobachteten Himmelsobjekte. Die außerordentliche Form und unerwartete Flugeigenschaften, die Flugbahn zeigte nichtgravitative Einflüsse auf, beschleunigte also unerwartet, sind weitere Eigenschaften, die der Wissenschaft Rätsel aufgeben. Avi Loeb, Professor für Astrophysik an der Harvard University und einer der renommiertesten Astronomen, nimmt die Entdeckung des Objektes als Anlass darüber nachzudenken, dass wir vermutlich nicht allein im Universum sind. Könnte das Objekt etwa künstlich hergestellt worden sein? Ist Oumuamua etwa „Alien-Technologie, von einer außerirdischen Zivilisation entwickelt und auf Erkundungsflug“, wie es Verlag und Loeb etwas großspurig zu Marketingzwecken verkünden?
Von Anomalien und Singularitäten
1I wurde erst entdeckt als es bereits an der Sonne vorbeigeschossen war und sich wieder dem interstellaren Raum zubewegte. Fünf Tage zuvor war es in einer Entfernung von etwa 24 Millionen Kilometern an der Erde vorbeigeflogen. Zum Vergleich beträgt die Entfernung zwischen Sonne und Erde im Mittel 149,6 Millionen Kilometer und zum Mond sind es weniger als 400.000 Kilometer. Ursprünglich für einen Kometen, dann für einen Asteroiden gehalten, musste man anschließend aufgrund seiner Anomalien erstmal mit der Einordnung kapitulieren. Mittlerweile hat sich die Scientific Community wieder auf einen Kometen geeinigt, auch wenn man sich dazu etwas verrenken musste. Avi Loeb nutzt diese Anomalien für einige Gedankenspiele, die der orthodoxen Wissenschaft allerdings zuwiderlaufen. Loeb, der sich schon länger der Suche nach außerirdischem Leben widmet, zeigt anhand einiger Plausibilitäten und Ungereimtheiten, dass Oumuamua durchaus auch ein künstliches Objekt sein könnte.
Nichts ist wie es scheint
Natürlich sind einige seiner Thesen recht spekulativ, wenn auch nicht spekulativer als so manch andere Mainstream-These der Astrophysik (Multiversen, Dunkle Materie etc.). Und so nutzt Loeb das Gedankenexperiment zugleich als Generalabrechnung und Grundsatzkritik am Wissenschaftsbetrieb. Leider nimmt dabei die Auseinandersetzung mit Oumuamua nur etwa ein Drittel des Buches ein. Mich hätte da eine differenziertere Aufarbeitung weitaus besser gefallen. Loebs Gedanken sind dabei immer plausibel und nachvollziehbar beschrieben, aber er vermeidet es die dagegensprechenden Argumente durchzudeklinieren. Das schwächt seine Argumentation allerdings massiv. So führt er immer wieder die äußerst geringe Wahrscheinlichkeit ins Feld, die für ein natürliches Phänomen sprechen würde. Nun gut, aber wie hoch ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um „Alien-Technologie“ handelt? Oder wissenschaftlicher gefragt, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer Singularität? Da ein gewichtiger Teil seiner (zumindest populärwissenschaftlichen) Argumentation auf diesen Wahrscheinlichkeiten beruht, steht sein Konstrukt auf doch recht wackeligen Beinen.
Wer nicht sucht, kann nichts finden
Aber Omuamua ist für Loeb auch nur Anlass und nicht Grund seiner Gedanken zu Außerirdischen. Den weitaus größeren Teil nimmt dann auch die Kritik am Wissenschaftsbetrieb ein. Dieser ist grundsätzlich nicht zu widersprechen und stimmt mit (soziologischen) Wissenschaftstheoretischen und (philosophischen) Erkenntnistheoretischen Überlegungen überein. Aber und da liegt dann auch wieder die Krux, gibt es eben weitaus treffendere Kritik aus den eben erwähnten Fachdisziplinen. Zumal Loeb es mehrfach verweigert den kapitalistischen und drittmittelgetriebenen wettbewerblichen Betrieb auch nur als kritikwürdig zu benennen. Vielmehr sucht er die Beweggründe vor allem in Status, Macht und Prestige, was auch äußerst zutreffend ist, aber eben nur ein Aspekt ist.
Sein Forderung nach Demut und Abkehr vom (wissenschaftlichen) Narzissmus ist zwar äußerst löblich, wirkt aber an der ein oder anderen Stelle etwas seltsam, vor allem wenn sich Loeb mehr oder weniger willentlich mit Galileo Galilei vergleicht oder immer wieder beginnt von sich zu erzählen. Gerade letzteres wirkt recht penetrant und vollkommen überflüssig. Das wird nur noch übertroffen von seiner herzensguten aber vollkommen irrealen Annahme, dass die Kenntnisnahme der Menschheit von Außerirdischen zu mehr Kooperation und Frieden führen würde. Die Argumente für diese Überzeugung sind dermaßen dünn, dass man sie als Wunschdenken abtun kann. Weitaus plausibler wäre die Annahme, dass das Militär aufgerüstet wird und nicht das Willkommenskomitee (man möge sich nur den US-Haushalt als Beispiel ansehen).
I want to believe
In Gänze ist es aber ein sehr spannend zu lesendes Buch über Astrophysik, der Möglichkeit außerirdischen Lebens und einer gut gemeinten Kritik am Wissenschaftsbetrieb. Und gerade die Kritik von Physikern an der eigenen Zunft ist doch recht selten. Meist hält man sich selbst und das Werkzeug Mathematik für Unfehlbar. Neben Loeb habe ich bisher nur noch von Neil deGrasse Tyson solch demütige und selbstreflektierte Sätze gelesen. Darüber hinaus sind Loebs Gedanken zur notwendigen wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Existenz von intelligentem leben im Universum äußerst anregend. Und hier beißt sich die argumentative Katze in den Schwanz, ist Loeb doch schon seit Jahrzehnten auf der Suche nach Außerirdischen. Und so hat der Spiegel vielleicht ganz recht: Wer nur einen Hammer hat, sieht überall Nägel. Nichtsdestotrotz: Zum Thema Außerirdische gibt es wenig ernstzunehmende Literatur von renommierten Wissenschaftlern. Wie lohnens- und lesenswert ist da doch Avi Loeb.
„Wie mächtige Ströme Reiche schufen, Kulturen zerstörten und unsere Zivilisation prägen“ Dieser Untertitel klingt erstmal überaus spannend und vielversprechend. Doch leider konnte das Buch meine Erwartungen nicht erfüllen. Schon nach wenigen Kapiteln merkte ich, dass es zwar durchaus interessante Infos enthält, aber die Zugrichtung doch eine andere ist, als der Titel vorgibt. Denn der Autor ist Professor für Geowissenschaften und Umweltstudien, was dem Buch auch seine eigentlich thematische Prägung gibt. Die geschichtlichen Aspekte bleiben leider etwas unter der Oberfläche verborgen und werden oftmals nur angekratzt, da dem Autor einfach die fachliche Tiefe fehlt. (Das unterstelle ich ihm jetzt einfach mal). Eine klar erkennbare Konstante ist jedoch, dass die Story vor sich hin mäandert, genauso wie es Flüsse tun. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, das kann jeder für sich selbst entscheiden. Denn der Autor schweift gerne immer wieder in persönliche Anekdoten ab, die dem Inhalt keinen richtigen Mehrwert geben. An sich nicht verwerflich, doch stören sie den Lesefluss ungemein. So jedenfalls mein Empfinden. Auch ein Grund, weshalb ich das Buch vor Monaten schon mittendrin zur Seite gelegt habe, um mich später wieder damit zu befassen. Doch auch jetzt merke ich, dass es mich nicht wirklich zieht und es nicht nur an meiner Lesestimmung hängt. Vielleicht gebe ich ihm in der Zukunft noch einmal einen Versuch, denn es ist nicht uninteressant, aber leider nicht so interessant wie erhofft.
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