Bewertung zu "Wer hat Bambi getötet?" von Monika Fagerholm
[Rezensionsexemplar:] Wer hat Bambi getötet?
[Triggerwarnung: Vergewaltigung, Suizid]
Das Buch der finnischen Schriftstellerin Monika Fagerholm mit dem provokanten Titel „Wer hat Bambi getötet?“ – wer hat die Unschuld getötet? – handelt von einer Gruppenvergewaltigung der damals 18-jährigen Sascha, die von ihren Ex-Freund Nathan und drei seiner Freunde stundenlang in einem Keller im Haus einer idyllischen und reichen Vorstadt von Helsinki gefesselt, gequält und vergewaltigt wurde. Es wird die Zeit nach diesem Ereignis geschildert, wobei die Eltern und Täter im Mittelpunkt der Erzählung stehen. Das Leben der Reichen, Schönen und Einflussreichen zerfällt immer mehr, verliert an Glanz und Einfluss, und mit Geld, Verleugnung und perfekten Medienauftritten ist nichts mehr zu retten. Neue (Liebes-)Beziehungen können nicht mehr bestehen, jahrelange Freundschaften zerbrechen, Familien entfremden sich, Leben wollen werden beendet. Die Schuld und der Wunsch auf eine angemessene Strafe sind die stets präsenten Gedanken Gustens, einen der Täter, der versucht, mit seiner Schuld umzugehen, sein Leben und seine Freundschaften reflektiert. Die Figuren haben keine Worte für das Ereignis, das ihr Leben so stark verändert hat. Sasha kommt nicht zur Sprache, sie still ist und schweigt und kann ihre eigene Geschichte und Perspektive nicht erzählen – Sprachlosigkeit und Fassungslosigkeit schwebt über allen Figuren, beeinflusst ihr Handeln und ihre Gefühle. Diese Sprachlosigkeit spiegelt sich im großartigen und experimentellen Sprachstil wider: Verschiedene Perspektiven und Zeitebenen überlagern sich, Ereignisse werden aus verschiedenen Perspektiven geschildert, filmische Einstellungen werden literarisch beschrieben, Lücken und Brüche im Text und der Erzählung lassen vieles ungesagt – es war eine sehr spannende Herausforderung.
Vielen Dank für das tolle und herausfordernde Buch an den Residenz-Verlag!!