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KarinEger

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Trümmerkind (ISBN: 9783426304921)

Bewertung zu "Trümmerkind" von Mechtild Borrmann

Trümmerkind
KarinEgervor 2 Jahren
Kurzmeinung: Ergreifende Geschichte, leider nicht so erzählt, dass sie mitreißt.
Nachkriegschaos, leider oberflächlich erzählt

Zweifellos eine tolle Story! Ich hab mir das Buch in Hamburg gekauft, um mir besser vorstellen zu können, aus welcher Asche die Stadt auferstanden ist. Obwohl sich der Plot raffiniert entfaltet baut sich leider keine starke Atmosphäre auf. Das liegt meines Erachtens am Schreibstil, der durchweg flach bleibt. Weder Figuren noch Kulissen werden emotional greifbar. Das hat mich irgendwann so frustriert, dass ich das Buch weggelegt hätte, wenn nicht die Geschichte so gut  wäre, dass man wissen muss wie sie ausgeht. Selbst als die Zusammenhänge klar werden, will man die Details wissen. Am Ende überwiegt trotzdem die Enttäuschung, dass die Beziehungen zwischen den Charakteren nicht nachfühlbar sind. 

Cover des Buches Libertie (ISBN: 9781432886530)

Bewertung zu "Libertie" von Kaitlyn Greenidge

Libertie
KarinEgervor 2 Jahren
Kurzmeinung: Ein brodelndes Stück US-Geschichte und ein Mädchen, das wissen will, was Freiheit wirklich heißt, vor allem für Frauen.
Eine aufreibende und symbolträchtige Erzählung, die noch nicht zu Ende scheint

Libertie wächst als frei geborenes Schwarzes Mädchen nach dem Bürgerkrieg in Brooklyn auf. Ihre Mutter ist eine renommierte Ärztin, stark und entschlossen, die Verhältnisse für Schwarze Frauen zu verbessern. Sie bildet Libertie als ihre Nachfolgerin aus und schickt sie auf eine der ersten Universitäten für Schwarze. Aber Libertie verliert sich in ihren eigenen Leidenschaften und scheitert in ihrem Medizinstudium. In einer Zeit, die Schwarzen Mädchen verschwindend wenig Möglichkeiten bietet, begibt sie sich auf die Suche nach dem Sinn ihres Daseins. Als ein junger Mann aus Haiti ihr das Versprechen macht, dass sie ihm als seine Ehefrau ebenbürtig sein wird, überlegt Libertie nicht lange und folgt ihm in seine Heimat. Doch in der vermeintlich neuen Welt muss sie sich mehr denn je unterordnen und Männer über ihr Leben bestimmen lassen. Libertie gibt sich dennoch nicht geschlagen. Sie muss herausfinden, was Freiheit für Schwarze Frauen bedeutet, nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihre Nachkommen. 

Rezension: 

Am besten konnte ich mich in Libertie in ihren Kindertagen hineinversetzen. Da ist der Sog in ihre Gefühlswelt voller Mythen und Symbole sehr stark. Der komplexe Charakter ihrer Mutter wird aus Liberties noch kindlich klarer Sicht aufgebaut, und dadurch sehr plastisch. Leider kommt, je älter sie wird, immer mehr unbarmherzige Vergangenheit und Gegenwart zum Vorschein, immer mehr Unbegreiflichkeit. Man möchte mehr von der Gesellschaft, in die Libertie geboren wurde, verstehen, von den Qualen ehemaliger Sklaven und ihren Nachfahren, aber es bleiben zahlreiche Fragen offen. 

Wenn Libertie ihre Wut formuliert, komme ich am besten an sie dran, Wut auf die Weißen, auf die Gräultaten der Geschichte und die Art, wie sich im Überwinden dieses dunklen Zeitalters die Männer behaupten und die Frauen wieder nicht frei sind. Doch je älter Libertie wird, desto mehr verwischt ihr Wesen und damit auch das Wesen ihrer Mutter und anderer Figuren. Ihr Ehemann bleibt ein Mann im Nebel. Hier spiegelt sich das Durcheinander, in dem Libertie ihn liebt, ablehnt, wieder liebt, wieder ablehnt. 

Die vielen Themen und Handlungsstränge beginnen sich im letzten Drittel zusammenzuketten, aber nicht so schlüssig, wie man es sich gewünscht hätte. Vieles, was am Anfang hochspannend ist, wird nicht wieder aufgegriffen, so zum Beispiel die Trauma-Verarbeitung ehemaliger Sklaven und die Entwicklung von Behandlungsmethoden gegen Angststörungen und Depressionen. 

Der eine Faden, der sich nie verliert, ist die Frage: was ist Freiheit? Wann ist ein Mensch wirklich frei? In dieser großen Erörterung fliegt Libertie wie ein Bumerang umher – hin zu ihrer Mutter, einer unabhängigen aber leider auch unglücklichen Frau, und wieder weg von ihr. Bis die von Orientierungslosigkeit geplagte Tochter ihre eigene Antwort findet und auch lebt. 

Fazit: höchst lesenswert und aufwühlend, aber es fehlt der Handlung und der Figurenentwicklung an Konsequenz. Das nimmt zwar dem Leseerlebnis weder Tiefe noch Tempo, noch schadet es dem brodelnden Reichtum der zahlreichen Kulissen, doch es bleibt der Wunsch nach einer Auflösung. Vielleicht ist das aber auch ein genialer Zug der Autorin, denn die Geschichte, die hier erzählt wird, ist noch lange nicht gelöst. 


Cover des Buches Half of a Yellow Sun (ISBN: 9780007789955)

Bewertung zu "Half of a Yellow Sun" von Chimamanda Ngozi Adichie

Half of a Yellow Sun
KarinEgervor 2 Jahren
Kurzmeinung: Ein faszinierender und erschütternder Roman, der an die Wurzeln des Krieges führt
Tiefe Einsichten über Feindseligkeit und Krieg

„Ein ungeheuer aufrüttelnder Roman über Versprechungen, Hoffnungen und die Enttäuschungen des Krieges“, steht auf der Rückseite meiner Englischen Ausgabe. Ein Jahr lang stand dieser Roman in meinem Regal, bevor ich mich hin traute. Ich hatte einige Essays der Autorin gelesen und Videos ihrer Reden angeschaut. Warum Chimamanda Ngozi Adichie keinen Satz schreiben kann, der nicht faszinierend elegant ist, wird klar, wenn man ihr zuhört und zusieht. Sie strahlt diese natürliche Souveränität und Tiefe aus, vereint Scharfsinn mit Wärme und ist für mich eine echte Hoffnungsgeberin. Ich wollte mich schon lange mal an ein größeres Werk von ihr wagen. Außerdem hoffte ich auf eine Antwort auf die Fragen, die mich angesichts des vor Kurzem ausgebrochenen Krieges in der Ukraine quälten: Warum nur muss es diese Brutalität geben? Müssen wir wirklich in einer Welt leben, in der das Morden und Zerstören unausweichlich ist? Die Antwort kommt in „Half of a Yellow Sun“ auf leisen Sohlen und in Camouflage daher. 

Die Universitätsstadt Nnsuka in Nigeria in den frühen sechziger Jahren. Ein ungebildeter Dorfjunge kommt in den Haushalt eines Professors, um von nun an Ordnung zu halten und Essen zu kochen. Er liebt seinen „Master“ und lässt sich nicht austreiben, ihn „Sah“ zu nennen und damit seine Unterlegenheit auszudrücken. Der Lesestrom gleitet übergangslos vom Häuslichen ins Politische. Täglich kommt ein bunter, meinungsstarker Freundeskreis beim Professor vorbei. Sie essen, trinken und diskutieren über Kolonialherrschaft und den Rassismus, der ihr zugrunde liegt. Die Europäer sind ihre größten Feinde. Der Professor weigert sich, eine Identität anzunehmen, die von Weißen erfunden wurde: Schwarzer, Nigerianer, „Sah“. Diese Schubladen sieht er als Kulturdiktatur. 

Als zweite Protagonistin kommt die Freundin des Professors ins Spiel, eine bildschöne, kluge Frau, die keinerlei Identitätsprobleme zu haben scheint. Sie liebt den Professor und findet seine revolutionäre Ader sexy, aber sie teilt seine gespaltene Weltanschauung nicht. Sie sieht sich als Teil eines Ganzen und glaubt nicht an Fronten. Das ist umso erstaunlicher, weil sich Fronten durch ihr ganzes Leben ziehen. Sie verlaufen kreuz und quer durch ihre Ursprungsfamilie und auch ihre neue Familie, in der sie von der Schwiegermutter gedemütigt wird, und das obwohl sie zum selben Stamm gehört. Selbst zwischen ihr und ihrer geliebten Zwillingsschwester bricht ein Abgrund auf, der unüberwindbar scheint. 

Jene Zwillingsschwester ist mit einem Engländer zusammen, der die dritte Perspektive einbringt. Er ist fasziniert von der Igbo-Kultur und macht es sich zur Aufgabe, der westlichen Welt deren reiche Historie näherzubringen. Als er im intellektuellen Kreis des Professors seine Absichten äußert, wird er kritisiert. Warum muss man überhaupt betonen, dass ein Afrikanisches Volk eine hochentwickelte Kultur hat? Der Brite lernt, dass die Anerkennung von Stammeskultur von weißer Seite arrogant rüberkommt, und dass sie nur von deren Angehörigen transportiert werden darf. Egal in welchem Umfeld der Brite auftaucht, er bleibt ein ewiger Eindringling. 

Während man als Leser/in noch dabei ist, diese nörgelnde, sich gegenseitig anzickende Gesellschaft liebzugewinnen, bricht der Genozid an den Igbo herein, ein Religions- und Vernichtungskrieg folgt, und es wird so grausam, dass man nur noch raus will aus der Nummer. Aber man kommt nicht mehr los und nimmt den Überlebenskampf mit auf. Das neu formierte Biafra gibt Leuten wie dem Professor endlich eine Identität, doch diese ist nicht im Sinne der restlichen Welt. Während die Europäer Öl ins Feuer gießen und dann die Schlachten um Biafra als Gemetzel unter Barbaren abtun, zittert und hungert man mit seinen Bürgern und trauert um massenhaft sterbende Kinder. Man lässt sich von der korrupten Regierung in immer neue Selbstmordkommandos schicken, weil man an die Kraft in diesen Menschen glauben will, obwohl man hautnah erlebt hat, dass es in ihnen ebenso wenig Frieden gibt wie in ihren Feinden. 

Der Brite in der Gruppe schreibt über den gesamten Zeitraum an einem Buch. Er will der weißen Welt vor Augen zu führen, wie überheblich sie ist. Doch die „Enttäuschungen des Krieges“ (eine ungeheure Untertreibung) machen ihm klar, dass er dafür als Europäer der Falsche ist. Am Ende schreibt ein anderer dieses Buch und bringt die Geschichte damit an einen Punkt, an dem man als Leser/in doch noch spürt, dass etwas gewonnen wurde. Die neue Ordnung, die aus Tod, Niederlage und Chaos hervorgeht, verteilt auch die Chancen neu. 

Es bleibt eine große Erschütterung nach dieser Lektüre zurück, aber auch eine tiefe Bewunderung für die Seele der Menschen, die das Unüberwindware überwinden kann. Hat mir der Roman geholfen, mit der Realität des Krieges in Europa umzugehen? Sicherlich nicht. Aber ich habe eine Ahnung bekommen, wieviel Kriegspotential in unser aller Herzen schlummert. Das ist entsetzlich, aber im Umreißen dieser Wahrheit liegt ein Quäntchen Zukunft. Die Autorin, die mich bis ins Mark durchgerüttelt hat, und die ich mehr bewundere denn je, bleibt für mich eine Hoffnungsgeberin. 

Cover des Buches Bühlerhöhe (ISBN: 9783471351260)

Bewertung zu "Bühlerhöhe" von Brigitte Glaser

Bühlerhöhe
KarinEgervor 7 Jahren
Kurzmeinung: Drei Frauenschicksale nach dem Krieg, ein politischer Brandherd und jede Menge deutsch/jüdische Geschichte – lohnt sich!
Brillante Geschichte – leider sprachlich nicht so eindrucksvoll

Beim Stöbern im Buchladen hat mich dieses Buch magisch angezogen. Es interessiert mich brennend, wie sich die deutsche und jüdische Bevölkerung in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg mit ihrer grauenvollen Vergangenheit auseinander gesetzt hat. Ihren Lesern Studien dazu an die Hand zu geben, lag der Autorin spürbar am Herzen. Sehr spannend auch die Einblicke in die Geschichte der Staatsgründung von Israel, die Kämpfe mit der arabischen Bevölkerung, das Leben im Kibbuz. 

Die Handlung – eine mitreißende Agentengeschichte – spielt im tiefen Schwarzwald, einer Gegend, die ich gut kenne. Packend fängt Brigitte Glaser das Wechselspiel von lieblicher Hügellandschaft und bedrohlichen Wäldern ein. Das gestörte deutsch-französische Verhältnis, das zu dieser Zeit an diesem Ort wohl besonders deutlich erlebbar war, kommt sehr authentisch rüber. 

Die Autorin legt ihre Spuren und baut mysteriöse Beziehungen zwischen ihren zahlreichen Haupt- und Nebenfiguren auf. Relativ früh gibt es schon eine Leiche im Wald. Doch später stellt sich heraus, dass deren Tod mit dem politischen Handlungsstrang nicht viel zu tun hat. Schade, ich hatte damit gerechnet, dass alle Stränge zum Schluss zusammen laufen. Warum hat es die Figur und ihren Tod überhaupt geben müssen? Wohl weil es weit mehr zu erzählen gibt, als nur die Aufregung um das drohende Attentat auf Adenauer. Drei Frauenschicksale weben sich durch den Hauptstrang – alle geschichtlich relevant. 

Ein brillant aufgebauter, auf vielen Ebenen interessanter Roman. Würde jetzt noch die Sprache der Tiefe und Verwobenheit der Erzählung gerecht werden, wäre der Lesegenuss noch größer. Leider fehlt es an der atmosphärisch passenden Melodie. Gerade dann, wenn es um den Gedankenstrom der Protagonisten geht, der auf stille Weise verschiedene Punkte verbindet, bleibt die Sprache immer sehr starr und flach. 
 
Die starke Frau im Zentrum, Rosa Silbermann, bleibt durchweg leicht schwammig. Geschunden und geprüft durch Krieg und Flucht, gestählt durch den Kampf um Israel und um das Überleben im Kibbuz sollte sie doch mehr Biss haben. Aber keiner zweifelt so konsequent an ihren Fähigkeiten wie sie selbst. Sind das die tiefen, unüberwindbaren Ängste, die all die Grauen in ihr hinterlassen haben? In ihren Handlungen sieht man keine Spur davon, da macht sie alles richtig. Am Ende ist Rosa eine wahre Heldin, der man gratulieren möchte. Doch sie selbst zeigt keine Siegermentalität. Sie will nur schnell und für immer weg aus Deutschland.

Cover des Buches Swing Time (ISBN: 9780241247310)

Bewertung zu "Swing Time" von Zadie Smith

Swing Time
KarinEgervor 7 Jahren
Kurzmeinung: Jedes Kapitel, jede Szene ist ein Kunstwerk in sich. Ich bin voller Bewunderung für diese Autorin. Der Roman lebt, fesselt und überrascht.
Mein neuer Favorit von Zadie Smith.

Zadie Smith schreckt wie immer vor einem Überangebot an Erzählsträngen und Charakteren nicht zurück. Die Geschichte ist mit zahlreichen Nebenfiguren aufgebaut, aber sie macht das geschickt und zeichnet die Persönlichkeiten in lockerem Plauderton aber scharf und immer leicht zynisch. Wer in einem Buch gerne schnell vorwärts kommt, findet hier nicht seinen Stoff. Man muss sich Zeit nehmen und das Verweilen in einer gewissen Zeit und Situation genießen, denn kein einziges Mal wird man um den tiefen Sinn und schließlich den spitzen und klärenden Höhepunkt einer Szene betrogen. Jede Szene hat ihren Platz im Gesamtbild, wenn sich dieses auch sehr lebensnah, sprich eher chaotisch, aufbaut. Diesem Prozess muss man vertrauen und sich dann einfach reinfallen lassen – mit viel Zeit und Neugierde. 

Die letzten zwanzig bis dreißig Seiten nerven regelrecht in ihrer blanken Ehrlichkeit. Die Wut beider Freundinnen auf das Leben und aufeinander wird gnadenlos auf die Spitze getrieben. Wirklich schön: es wird eine Versöhnung angedeutet, die man doch trotz aller Widrigkeiten so herbeigesehnt hat. Und diese Versöhnung hat mit der Faszination für Musik und Tanz zu tun, mit einer gemeinsamen Leidenschaft, die alle Kleinheit menschlicher Rivalität und alle Feindlichkeit unbedeutend dastehen lässt. 

Cover des Buches Quasikristalle (ISBN: 9783442714513)

Bewertung zu "Quasikristalle" von Eva Menasse

Quasikristalle
KarinEgervor 7 Jahren
Kurzmeinung: Lauter kostbare Erzählfragmente aus diversen Zeiten und Perspektiven enthüllen Stück für Stück eine sehr zeitgemäße Frauengeschichte.

Über mich

Mit meinen Romanen über starke Frauen unserer Zeit möchte ich zu mehr Entfaltungsfreiheit und Chancengleichheit in der Gesellschaft beitragen.

Lieblingsgenres

Biografien, Literatur, Unterhaltung

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