Das Buch "Was ich nie gesagt habe - Gretchens Schicksalsfamilie" von Susanne Abel ist die Fortsetzung des Debütromans der Autorin "Stay Away from Gretchen" und schließt die im ersten Buch begonnene Familiengeschichte ab.
Das Buchcover ist in seiner Schlichtheit genau passend und sehr schön ausgewählt. Ein kleiner Kritikpunkt gilt dem Zusatztitel "Gretchens Schicksalsfamilie", der meiner Meinung nach überflüssig und auch nicht ganz passend ist (warum erkläre ich später). Ich vermute, man hat den Titel so gewählt, um deutlich zu machen, dass es sich um eine Fortsetzung handelt, von daher ist es in Ordnung.
Wie bereits im ersten Roman begleiten wir den Nachrichtenmoderator Tom Monderath im Jahr 2016, dessen Leben sich gerade wieder langsam stabilisiert hat. Kürzlich erst hat er erfahren, dass seine mittlerweile an Alzheimer erkrankte Mutter Greta Monderath bereits vor ihm eine Tochter hatte, welche der jungen Frau in den Nachkriegsjahren entrissen wurde und somit auch eine Erklärung für ihre jahrelangen Depressionen. Nun stellt sich ihm plötzlich ein Unbekannter als sein Halbbruder väterlicherseits vor. Wieder taucht Tom, nicht ganz freiwillig, ein in lang gehütete Geheimnisse seiner Eltern und die Leserschaft erfährt nun mehr über Konrad "Konny" Monderath, Toms Vater. Das ist auch der Grund, warum ich cen Titel nicht zu 100% passend finde, denn während in Band 1 Gretas Vergangenheit im Mittelpunkt der Handlung stand, ist es nun Konrads Geschichte, die erzählt wird.
Wie bereits in "Stay Away from Gretchen" springt der Erzählstrang in der Zeit hin und her. Zum einen verfolgen wir Toms Suche nach Antworten und erleben wie er mit den Lügen, Geheimnissen und teils erschreckenden Erkenntnissen über seine Familie hadert. Auf der anderen Seite lernen wir den kleinen Konrad kennen und begleiten ihn durch seine Kindheit in den 1930er Jahren, leiden mit ihm wegen seiner Verluste und kommen schließlich an den Punkt der Geschichte, wo sich die Lebenswege von Greta und Konrad treffen und langsam miteinander verwoben werden. Die Rückblenden führen uns nach und nach bis zu dem Zeitpunkt, als der junge Tom sein Elternhaus verlassen hat und Konrad stirbt. Es ist mitreißend wie Susanne Abel es schafft, die komplexe Lebensgeschichte der Familie Monderath über zwei Bücher hinweg zu erzählen und einzelne Handlungsstränge erst nach und nach miteinander zu einem Gesamtbild zu verweben. Am Ende ist alles erzählt, eine absolut runde Geschichte, die mich als Leserin bis zum Schluss gefesselt hat.
Bedrückend sind die Schilderungen aus einem der dunkelsten Kapitel der Geschichte. Mit viel Fingerspitzengefühl, gründlicher Recherche und der notwendigen Klarheit widmet sich die Autorin sensiblen Themen, wie der Rassenhygiene während des Nationalsozialismus und auch wie diese Denkweise auch nach Ende des zweiten Weltkrieges noch in einigen Köpfen fortbestand. Dabei wirft sie ein Blick auf das Euthanasie-Programm der Nazis, auf Lebensborn-Kliniken, medizinische Experimente in Konzentrationslagern und der Eugenik.
Ein weiteres großes Thema betrifft die Entwicklung der Gynäkologie in der Nachkriegszeit, vom Einsatz der Antibabypille, über Abtreinbungen bis zum großen Thema der künstlichen Befruchtung über Samenspenden.
Während Leser*innen in den Rückblenden viel über die Beweggründe und Entscheidungen der jungen Erwachsenen im Deutschland nach 1945 erfahren, wird in der gegenwärtigen Zeit das Ausmaß dieses Handelns für die Kinder der Kriegsgeneration klar.
Frau Abel verliert dabei nie das große Ganze aus dem Auge, spricht in viele wichtige Themen an und schafft es gleichzeitig eine großartige Geschichte zu erzählen.
Mein Fazit: "Was ich nie gesagt habe - Gretchens Schicksalsfamilie" ist eine wunderbare Mischung aus historischer Aufarbeitung des Nationalsozialismus auf ganz persönlicher Ebene und zugleich eine berührende Familiengeschichte. Sie zeigt auf, wie sehr Lügen und Geheimnisse der Vergangenheit zur Belastung der folgenden Generationen werden können und macht deutlich wie wichtig es ist, offen miteinander umzugehen.
MinnieMay
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Bewertung zu "Yadriel und Julian. Cemetery Boys" von Aiden Thomas
Auf das Buch "Cemetery Boys" (im dt. Yadriel und Julian) von Aiden Thomas habe ich mich besonders gefreut. Ein Buch mit einem transsexuellen Hauptprotagonisten und vielen Einblicken in die LGBTQ+ Community bedeutet für mich persönlich etwas, denn die Repräsentation nicht heteronormativer Lebensweisen ist wichtig für eine breitere gesellschaftliche Anerkennung. Besonders berührend finde ich, dass der Autor - wie man im Nachwort erfährt - teils biographisch gearbeitet hat bei der Entstehung seiner Figuren und viel seiner eigenen Idendität, Kultur und Gefühlswelt in Yadriel wiederzufinden ist. Nun aber zum Buch selbst: Auch wenn mir das amerikanische Cover ein wenig besser gefällt, zeigt es doch die beiden wichtigsten Personen der Geschichte, ist auch die deutsche Ausgabe wunderschön gestaltet. Typische Symbole und Bilder der Latinx-Gemeinschaft schmücken den sonst schwarzen Untergrund. Schlägt man das Buch auf, erwartet einen ein hübsches Lesezeichen und eine Rezeptkarte für "Pan de Muerto", eine mexikanische Spezialität, welche zur Feier des "dia de los muertos" gebacken wird. Neben vielen anderen Köstlichkeiten wird dieses Gebäck den Leser oft im Buch begegnen.
Der Schreibstil ist angenehm unkompliziert und spricht auch eine junge Leserschaft an. Man lernt zuerst Yadriel kennen und erlebt das fast komplette Abenteuer aus seiner Perspektive. Nach und nach werden auch die anderen Figuren eingeführt und vorgestellt und der Autor schafft es nicht nur den beiden Hauptprotagonisten, sondern auch wichtigen Nebencharakteren wie Maritza oder Rio Tiefe zu verleihen. Mir gefällt besonders die Entwicklung von Yadriels Vater, auch wenn ich mir hier gewünscht hätte mehr zu seinen Beweggründen und Gedanken zu lesen.
Der Spannungsbogen baut sich nicht langsam auf, denn man startet mitten im Geschehen und dann überschlagen sich die Ereignisse. Am Ende war ich als Leserin selbst verblüfft, dass während der Handlung nur etwa 3 Tage vergangen sind. Da ich nicht zu viel verraten möchte beschreibe ich es mal so: Yadriel erlebt eine emotionale Achterbahnfahrt mit Geistern, uralten Legenden, einem Kriminalfall, gruseligen Riten und das alles im Alltag eines Teenagers, der versucht seinen Platz in der Welt und Anerkennung seiner Identität zu finden.
Mir gefällt neben dem Plot und der Erzählweise, dass Leser*innen viel über die Traditionen der Latinx-Gemeinschaft erfahren, über deren Umgang mit dem Tod und wie dabei nicht die Trauer überhand nimmt, sondern das Leben gefeiert und die Unvergänglichkeit der Liebe untereinander betont wird.
Ich empfehle dieses Buch Jugendlichen und Erwachsenen, die Lust auf eine spannende, chaotische und auch romantische Geschichte haben und offen für queere Themen sind.
Bewertung zu "Die unglaubliche Reise des Fakirs, der in einem Ikea-Schrank feststeckte" von Romain Puértolas
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Über mich
- 15.10.1984
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