Karolien Berkvens

 4 Sterne bei 4 Bewertungen
Autor*in von Zimmermanns Stunde.

Lebenslauf

Karolien Berkvens, geboren 1986, studierte Theaterwissenschaften an der Universität von Amsterdam und verfasste mehrere Theaterstücke. Sie lebt in Berlin.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Karolien Berkvens

Cover des Buches Zimmermanns Stunde (ISBN: 9783426281727)

Zimmermanns Stunde

 (4)
Erschienen am 01.03.2018

Neue Rezensionen zu Karolien Berkvens

Cover des Buches Zimmermanns Stunde (ISBN: 9783426281727)
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Rezension zu "Zimmermanns Stunde" von Karolien Berkvens

Wenn Lebensstrategien scheitern...
pardenvor 4 Jahren

WENN LEBENSSTRATEGIEN SCHEITERN...

Vierzig Jahre im Fünfzig-Minuten-Takt: Loet Zimmermann ist aufgegangen in seinem Beruf an einer Schule, Stundenpläne zu koordinieren. Nun steht er vor dem Ruhestand und der schier unlösbaren Aufgabe, all die Zeit, die plötzlich ungeordnet vor ihm liegt, sinnvoll zu strukturieren. Doch bevor es so weit kommt, wird er auf offener Straße überfallen und der Uhr beraubt, die er von seinem Vater geerbt hat. Als wäre mit dem Messwerkzeug auch die klare Ordnung verschwunden, für die es stand, bricht Zimmermanns Leben auseinander. Schutzwälle geben nach, Furcht kriecht in Ritzen und Winkel – bis Zimmermann beschließt, ein für alle Mal aufzuräumen.

Loet Zimmermann ist ein korrekter Mann. Nie käme es ihm in den Sinn, unpünktlich zu erscheinen oder auch nur einen Jota von seinem gewohnten Tagesablauf abzuweichen. Doch nun ist es vorbei mit seinem Berufsleben, sein Abschied wurde gefeiert inmitten seiner Kollgen am Gymnasium, verbunden mit der Empfehlung, er solle seine neue Freiheit genießen. Doch ein Loet Zimmermann genießt nicht - er lebt.


"Zeit ist alles, was ihm jetzt noch bleibt. Beim Einteilen seiner letzten Jahre braucht er nichts einzukalkulieren, außer seinen Tod. Das wird vielleicht die größte Herausforderung..."


Ausgerechnet auf dem Heimweg von seiner Abschiedsfeier wird der alte Mann dann auch noch überfallen. Brutal niedergeschlagen und ausgeraubt bleibt er schwer verletzt am Boden liegen und findet sich schließlich im Krankenhaus wieder. Von da aus beginnt sein Niedergang...

Am meisten schmerzt Loet der Verlust seiner Armbanduhr, die er seinerzeit von seinem Vater zum 21. Geburtstag geschenkt bekommen und seither nie mehr abgenommen hat. Als Koordinator an der Schule war Loet zuständig für die Einteilung der Stundenpläne - und damit für die Einteilung der Zeit in 50-Minuten-Blöcke. Diese Einteilung hatte er auch für seinen eigenen Alltag übernommen: jede Handlung, jede Pflicht wurde so zu einer messbaren Größte, wobei ihm seine Armbanduhr unschätzbare Dienste leistete.

Doch nun - ohne seine Uhr - wirkt die Zeit wie eine willkürliche Anhäufung von Minuten und Stunden, die ohne sein Zutun vergehen, manchmal langsam, oft unbemerkt oder in Sprüngen. Loet wird zwar aus dem Krankenhaus entlassen, fasst aber in seinem Leben nicht mehr richtig Fuß. Seine Frau ist schon lange tot, sein Sohn Daniel längst ausgezogen und außerdem eher ein Mysterium denn ein Freund für Loet, so unterschiedlich wie sie sind. 

Und nun sitzt Loet ohne Zeitgefühl in seinem kleinen Haus, alleine mit der Angst vor seinem Peiniger, die täglich größer zu weden scheint. Wie kann Loet sich nur vor einem erneuten Angriff retten? Schließlich hat der Angreifer auch Loets Geldbörse gestohlen und weiß nun, wo er wohnt. Loet will vorbereitet sein, doch hat er keine Idee, wie er sich wirksam schützen soll.

Loets bisherige Lebensstrategien scheitern, er verliert sich in seiner Angst, gerät in Verzweiflung, die Einsamkeit ist greifbar, Tagträumereien stellen sich ein, er weiß oft nicht mehr ob er wach ist oder schläft. Wie kann das bloß enden?

Ein eindringliches Psychogramm hat Karolien Berkvens mit ihrem Debüt abgeliefert. Der Schreibstil eher nüchtern und distanziert, entsteht beim Lesen dennoch ein wachsendes Gefühl der Beklemmung. Die Aussichtslosigkeit, Hilflosigkeit, Verwirrung, Einsamkeit und Verzweiflung des alten Mannes greift über auf den Leser, und die nahende Katastrophe ist wohl unausweichlich. Oder nicht?

Ein beeindruckendes kleines Buch, das auch über das Lesen hinaus beschäftigt. Empfehlenswert!


© Parden

Cover des Buches Zimmermanns Stunde (ISBN: 9783426281727)
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Rezension zu "Zimmermanns Stunde" von Karolien Berkvens

Einen Stundenplan für den Ruhestand
ELSHAvor 6 Jahren

Ein schmales Büchlein mit gewaltigem Inhalt. Loet Zimmermann muss in den Ruhestand, dennoch hat er keinen Grund zur Freude. Er mochte es die Stundenpläne für das Gymnasium zu erstellen, freie Stunden auszufüllen. Nun kann er nur noch seine eigene Zeit einteilen, aber mit was? Bevor er sich jedoch darüber richtig Gedanken machen kann wird er überfallen. Seine Ihn schon seit der Kindheit begleitende Uhr seines Großvaters wird ihm geraubt. Nun hat er nicht nur nichts um seine Zeit zu füllen, er hat auch nichts mehr um die Zeit zu messen. Loet flüchtet sich in Erinnerung und Panikzustände, und so lässt die Autorin uns am Leben eines Mannes teilhaben der augenscheinlich immer alles korrekt gemacht hat, und am Ende doch gar nichts davon hat. Ein kleines Buch über den Sinn des Lebens und der Zeit. Kurze Lektüre mit Nachhall.



Stefanie Salmen Buchhändlerin C. RAUCH'sche Buchhandlung

Cover des Buches Zimmermanns Stunde (ISBN: 9783426281727)
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Rezension zu "Zimmermanns Stunde" von Karolien Berkvens

Wenn das Leben aus dem Takt gerät
19angelika63vor 6 Jahren

Rückentext
Vierzig Jahre hat er in einem festen Takt gelebt. Jetzt verabschiedet sich Loet Zimmermann aus dem Schuldienst in die Rente, die ihn vor eine schier unlösbare Aufgabe stellt. Von nun an muss er seinen Alltag ohne die tröstliche Sicherheit eines Stundenplans bewältigen. Doch sosehr sich Zimmermann um Struktur bemüht, immer weiter entgleiten ihm die Dinge. Nur ein entschlossener Plan kann ihn noch retten – und den hat Loet Zimmermann.



„Zeit ist alles, was ihm jetzt noch bleibt. Beim Einteilen seiner letzten Jahre braucht er nichts einzukalkulieren, außer seinen Tod. Das wird vielleicht die größte Herausforderung für ihn als Koordinator.“ (Seite 23)

Loet Zimmermann koordiniert seit vierzig Jahren die Stundenpläne an einer Schule. Sein ganzes Denken kreist um Fächer und die Aufteilung der Schulstunden in fünfzig Minuten Takte. Dann ist er da, der Tag, an dem er in den Ruhestand geht. Loet kann noch gar nicht glauben, dass sein getaktetes Leben nun so nicht mehr stattfinden soll. Doch er hat Pläne, wie er Struktur in seinen neuen Lebensabschnitt bekommt.

Auf dem Heimweg von seiner Verabschiedung wird Zimmermann überfallen, ausgeraubt und brutal verprügelt. Fortan quälen ihn die Bilder des Überfalls, er fühlt sich verfolgt und die Polizei unternimmt in Lotes Augen nichts, um den Täter zu finden. Sein bisher so durchgeplantes Leben gerät aus den Fugen.

„Den Abend, die Nacht, die nächsten Tage musste er in Stunden zerlegen und sie irgendwie füllen, um die Zeit zu überstehen.“ (Seite 52)

Mir hat dieses Buch der Autorin Karolien Berkvens sehr gut gefallen. Es ist die Geschichte eines Mannes, dem Struktur im Alltag wichtig ist. Das Leben ist durchgetaktet, die täglichen Dinge laufen immer nach dem gleichen Muster ab. Für Loet ist dies Lebenswichtig. Das merke ich als Leserin ganz stark, als nach dem Überfall Loets Tagesablauf verändert wird. Das fängt damit an, dass z.B. das Frühstück im Krankenhaus, anders als in seinem Tagesablauf, um 6 Uhr serviert wird. Und diese anfänglich kleinen Veränderungen im Tagesablauf bringen seine gewohnten Strukturen immer mehr ins Wanken. Das bedeutet für ihn Stress und Panik. Er verstrickt sich immer mehr in Hirngespinste und Vorstellungen, die voll am realen Leben vorbei gehen. Das Ganze spitzt sich im Laufe der Geschichte immer mehr zu.

Diese sehr eindringliche Geschichte über den Verlust von Kontrolle und der damit verbundenen Einsamkeit hat mich sehr berührt, und die Vorstellung, dass es da draußen Menschen gibt, die so tagtäglich leben sehr erschreckt.

Mich beschäftigt nach wie vor die Frage, kann man diesen Menschen helfen? Was braucht es um diese Strukturen zu durchbrechen, um diese Menschen aus ihrer Einsamkeit heraus zu holen?


„Sumpfige Gedanken schwappen wellenartig an seine Schädelwand. Was sind Gedanken wert, wenn der Denkende sie nicht im Griff hat? Kann man dann noch von Gedanken sprechen?“ (Seite 140)




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