Rezension zu "Alles und nichts sagen" von Eva Menasse
Ich stand dem Buch von Anfang an sehr ambivalent gegenüber.
Zum einen stört es mich, dass wir wieder keinerlei Quellenangaben haben und das obwohl sich hier durchaus auf Datenlagen gestützt wird, aber eben nie konkret, nie vertieft – so bleibt vieles letztlich eine reine Behauptung.
Ich nehme an, dass die meisten von uns der Autorin nicht widersprechen würden, wenn sie sagt, dass Massenmedien/Internet insbesondere geeignet sind Hysterien/Verschwörungen zu verbreiten/vermehren.
Es klingt richtig, man erlebt und fühlt das – und genau dort liegt die Krux! Denn genau so funktionieren doch Fakenews und Verschwörungsmythen – rein gefühlte Wahrheiten, die nicht belegt werden.
Dass die Autorin auf der einen Seite dies als Problem herausstellt und dann genau die gleichen Methoden verwendet, finde ich paradox – und das ist ein riesiges Problem, nicht nur, weil dieses Buch eben kein empirisches Sachbuch ist, sondern ein reines unbelegtes Meinungswerk.
Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass Digitalisierung rein verteufelt wird. Das ist nicht nur Irrsinn und pauschalisiertes Schwarz-Weiß-Denken, sondern auch unterkomplex.
Zwar lässt sie ein kurzes Hoch zu , in Form von der weltweiten Verknüpfung Wissenschaft zur Pandemiezeit, aber im privaten lässt sie kein gutes Haar am Internet.
Viele der Warnungen finde ich gar nicht falsch – wie z.B., dass gerade Panik und Hass (starke Emotionen) sich schnell verbreiten lassen und am meisten geklickt werden oder dass viele ihr Handy praktisch nicht mehr aus der Hand legen und sogar mit ins Bett oder auf Toilette nehmen, sprich länger auf einen Bildschirm starren, als in Gesichter ihrer Mitmenschen, Familie oder Freunde.
Trotzdem ist es schon krass überzogen Soziale Medien/Internet mit Radioaktivität in seiner Wirkung gleichzusetzen.
Es ist fast schon bedauerlich, weil der Eindruck erweckt wird, die Autorin wäre nie in den Genuss der positiven Seiten gekommen – wie das verbindende Element, das Gemeinschaftsstiftende, die Möglichkeit zur Vernetzung von Menschen, die sich sonst nie begegnet wären; den Blick über den Tellerrand hinaus, ein ganz neues Potential für Kreativität (um nur ein paar Vorteile zu nennen).
Es ist auch ärgerlich, dass viele der Behauptungen darauf basieren, dass behauptet wird, man könnte nichts gegen Hass im Internet tun, weil das Internet anonym ist oder ein Rechtsfreier Raum – was schlicht nicht stimmt.
Es fehlt durchaus an der Rechtsdurchsetzung, daran, dass gerade in Deutschland Strafverfolgungsbehörden bedauerlich schlecht ausgebildet sind, in Sachen „Internet“ und dies auch schlicht nicht ernst nehmen.
Es fehlt von mir aus auch an dem Willen zur Moderation der Plattformen in Chats – denn auch das macht einen Unterschied – denn es ist keineswegs so, dass in jedem Chat zwangsläufig Hasskommentare auftauchen oder der Ton kippen muss.
Gerade auch hinten raus schweift die Autorin weit ab, vom Thema Debattenkultur und wird plötzlich sehr persönlich.
Kurz gesagt, ich war leider sehr enttäuscht von dem Buch, weil ich mir sehr viel mehr erhofft hatte. Denn die Probleme sind ja unbestreitbar da – aber dieses Buch bietet einen nichts über die reine Behauptung und Benennung hinaus – es bietet keinen neuen Erkenntnisgewinn, keine Analyse, keine Vertiefung, kein Weg wie man es besser machen könnte.