Dieser Roman hat mich sehr begeisert. Der bulgarische Autor Gospodinov erzählt von der Scheidung des Protagonisten von seiner ehebrecherischen Frau. Die Form ist experimentell, hochgeradig selbstreferentiell, es wird nicht klassisch erzählt, im Sinne einer chronologischen Folge der Ereignisse. Dennoch oder eben deshalb macht es großen Spaß, den Roman zu lesen. Er zeichnet auch durch einen tollen Humor aus und schafft es, selbst den Klogang zum literarischen Sujet zu erheben. Die Sprache ist trotz der experimentellen Form eher einfach, stellenweise sehr poetisch und wunderschön. Viele Sätze, die man sich abschreiben und einrahmen möchte. "Ich ließ meine Augen Wolken grasen", notiert der Protagonist nach dem Blick aus dem Flugzeugfenster.
Eine klare Empfehlung!
Freakerike
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Im Roman wird ein Mädchen gezeigt, dass sich trotz aller Widrigkeiten nicht zum Opfer machen lässt und sich nimmt, was sie braucht. Der Vater ein Säufer, der sich vor allem durch Abwesenheit auszeichnet, die Mutter lässt ihre unbändige Wut an ihren beiden Kindern aus. Im Suff werden daraus schon mal barbarische Folterspiele. Zum Kindsein ist in einer solchen Umgebung wenig Platz. Der kleine Bruder wird immer merkwürdiger, entwickelt Ticks. Das Mädchen erträgt die Demütigungen, verschlingt Romane, Märchen und Brehms Tierleben und träumt von einem Haus im Wald. In der Schule ist sie unbeliebt und für die Lehrer dient sie immer als Beispiel einer verwahrlosten Existenz. Sie reißt mehrmals aus und landet schlussendlich in einem Kinderheim, wo sie endlich ein Leben führen kann, was dem einer Heranwachsenden entspricht; sie macht ihre erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht und findet Freunde. Doch auch in ihr keimt die unkontrollierbare Wut der Mutter, die sie regelmäßig an ihren Heimkameradinnen auslässt.
Die Sprache des Romans ist sehr trocken und schlicht, die Sätze kurz und ohne Ausschmückungen. Die Schrecklichkeiten, die dem Mädchen wiederfahren, werden wie nebenbei erzählt. Auf diese Weise wird das Mädchen nicht zur klischeehaften Opferfigur. Es wird kein Mitleid erzeugt, sondern das Bild einer Heranwachsenden, der man zutraut, dass sie ihren Weg finden wird. Ein ungewöhnlicher Roman.
Ein typischer Genazino. Wenig Geschichte, viele schöne Datailbeobachtungen von Tauben, Menschen, Kürbiskernen etc., aus denen viele tiefsinnige, komische, oft böse und lebensphilosophische Gedanken resultieren. Dazu die Probleme eines Mitvierzigers im Umgang mit der Sinnlosigkeit und Tristess des Lebens, den Frauen und dem Sex sowie dem Drang, dem unoriginellen Alltag von Arbeit, Wohnung, Urlaub und Beziehungen entwischen zu wollen, auch wenn man dafür im Gefängnis laden kann.
In den Detailbeobachtungen und Weisheiten kann man versinken und jeder findet etwas von sich selbst in Genazinos Texten. Allerdings fangen die immer gleichen Probleme des im Altwerden begriffenen Mannes mit dem Leben an, uninteressant zu werden.