Bewertung zu "Die Legende von Shikanoko – Herrscher der acht Inseln" von Lian Hearn
Gewöhnlich kann man nach dem Schema Gewöhnlich bewerten. Aber was macht man, wenn man etwas Ungewöhnliches vor sich hat? Ich versuche es mal.
Das Werk sieht aus wie ein Roman: Übrigens möchte ich hier anmerken, dass das Cover extrem gelungen ist. Eine Augenweide. Die tanzenden Kirschblüten, die zu dem japanischen Inhalt passen, sind in Gold gehalten und schillern im Licht, als würden sie sich wirklich bewegen. Wer also auf tolle Covers steht… hier ist eins.
Dann die inneren Werte. Das Buch ist vom Lesestil her wie ein Märchen. Sprich, man sieht die Ereignisse von außen, weiß auch, welche grundlegende Emotion vorhanden ist – und dennoch: man bleibt Beobachter der Welt, die faszinierend ist, wird aber nicht in sie hineingezogen. Dinge werden nicht hinterfragt, weil sie einfach so sind. Und das Schicksal nimmt seinen Lauf, weil es das Schicksal ist. Man ist also der Gast, der über allem schwebt und das Schicksal nacherzählt bekommt. Hier auch gleich meine erste Kritik: Ich liebe Märchen. Aber die sind kürzer. Das Ganze auf hunderten von Seiten? Zu viel. Manchmal liest man einfach zu teilnahmslos mit. Ich behaupte nicht, dass das schlecht wäre – es ist nur ein anderer Erzählstil, der mir subjektiv in der Länge nicht zusagt.
Man wird auch förmlich mit Namen erschlagen. Zwar kann man bald gut zuordnen, was zu wem gehört, braucht aber bei jedem Kapitel ein bisschen, da die Figuren, wie Märchenfiguren, nur ein relativ vages Profil haben. Problematisch könnte natürlich auch gewesen sein, dass mir die japanischen Namen nicht so geläufig sind. Da fällt das Merken schwer.
Nach ca. 300 Seiten wurde mir alles schlagartig zu abstrus ("Eierkinder" und so) und ich hätte mir einen inneren Konflikt der Figuren mit Entscheidungswegen gewünscht. Stattdessen nahm das Schicksal nur weiter geradlinig und nicht immmer nachvollziehbar seinen Verlauf. Ab da hat sich der Roman für mich gezogen. Zuvor war es ein ruhiger Fluss, der auf seinem Weg interessantes gezeigt hat, danach eher ein Rinnsal, das kurz vor dem Vertrocknen war. Ab da war das Lesen für mich dann auch nicht mehr interessant, sondern eher eine Qual.
Elemente, die dieses Buch auch noch hat sind durchaus kritische Kriegsmomente - also nicht im Sinne von anschaulichen Beschreibungen von Angriffen oder Action, sondern nur die Tatsache, dass zur Abschreckung eben Köpfe ausgestellt werden. Da das aber so nebensächlich gesagt wird, fällt es weniger auf. Dennoch ist es mir ein Räsel, wie man das Buch (Roman!) unter "Kinderbücher" einordnen kann. Zumal auch eine reichlich verdrehte Art von Liebe - Vergewaltigung im Nebensatz hin und wieder - vorkommt. Da die Liebe ja auch vom Schicksal vorgegeben wird, braucht es keine Entwicklung von Charakteren oder Beziehungen in der Hinsicht. Sie ist einfach da oder eben nicht. Ich fands schade.
Versöhnlich hat mich dann wieder das Ende gestimmt, dass actionreicher und vor allem nicht konfliktfrei und emotional rund war. So sollte es sein (auch wenn man hier wieder an Schicksal und plötzlich auftretenden Wundern hätte sparen können...)! Wegen der langen Durststrecke dazwischen aber für mich kein Must-Read.