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FabianD

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Cover des Buches Vor meiner Ewigkeit (ISBN: 9783981509267)

Bewertung zu "Vor meiner Ewigkeit" von Alessandra Reß

Vor meiner Ewigkeit
FabianDvor 10 Jahren
Cover des Buches Hüter der Worte (ISBN: 9783426511114)

Bewertung zu "Hüter der Worte" von Diana Menschig

Hüter der Worte
FabianDvor 11 Jahren
Phantastik Roman der seinen Leser ernst nimmt

Wer hat sich nicht schon einmal gewundert, wie das Leben der Charaktere seines Lieblingsbuches aussieht, wenn der Autor nicht gerade über sie schreibt? Dieses Problem stand am Ende von »Sophies Welt«. Als ich diesen Roman damals las, stellte sich mir die Frage: Was wäre, wenn diese Erkenntnis nicht am Schluss einer Geschichte, sondern an ihrem Anfang stehen würde? Diana Menschig gab mir die Antwort in »Hüter der Worte«.
Im Zentrum der Handlung finden wir erstmal den Jungautoren Tom und den Grenzwächter Laryon. Sie stammen aus Welten, die verschiedener nicht sein könnten. Während Tom in unserem Münster lebt, kommt Laryon von der Insel Willerin, die sozusagen im Universum nebenan liegt. Die beiden sind sich nie begegnet. Doch wie kann es dann sein, das Tom sein Geld mit Büchern über Laryons Leben verdient? Sind Laryon und sein ganzes Leben seine Schöpfung? Oder steckt noch mehr dahinter? Verhält es sich vielleicht ganz anders?

Neben den sehr unterschiedlichen Charakteren, die dieses Buch bevölkern, sind solche und viele weitere Fragen ebenso große Protagonisten der Geschichte. Wer ihnen folgt, wird auch seine Antworten bekommen. Genau das zeichnet »Hüter der Worte« aus. Es ist äußerst durchdacht. Weltenbau, Charaktere und Plot gehören unabdingbar zusammen. Die zwei Universen sind nicht nur eine auswechselbare Bühne für Laryon und Tom, genauso wie die Mechaniken dieser Universen erst diese Charaktere und diese Geschichte möglich machen. Eine gelungene Abwechslung zu Romanen, die in jeder Welt spielen könnten oder wo die Besetzung völlig austauschbar erscheint. Doch ist dieser Plot auch gut? Unterhält er? Ja, absolut! Er behält sein Geheimnis lange für sich, versorgt einen aber am laufenden Band mit Hinweisen und zieht einen so immer voran. Spätestens nach dem ersten Drittel fiel es mir schwer, das Buch noch zu schließen. Selbstverständlich waren einige Ereignisse abzusehen, aber vieles andere überraschte und gerade bei den wichtigen Fragen bleibt es bis zum Ende spannend. Das funktioniert vor allem deswegen, weil zwar auch die Sicht von Handlungsträgern neben Tom und Laryon zur Sprache kommt, aber undurchsichtige Charaktere nicht entzaubert werden, indem ihnen eine Perspektive gegeben wird.

Dabei schreibt die Autorin in einem sehr konsistenten und flüssigen Stil, der einem beim Verständnis keine Hindernisse in den Weg legt. Gerade da das Buch auf inhaltlicher Ebene in Passagen sehr fordern sein kann, tut das gut. So zum Beispiel wenn einem die Geschichte die Frage näherbringt, ob Laryons Leben von ihm selbst oder von Tom bestimmt ist und einen in die Überlegungen schubst, ob Willerin tatsächlich eine literarische Welt ist oder nicht bzw. für wen sie das ist.

Neben all diesem Lob möchte ich natürlich nicht verschweigen, dass das Buch nicht perfekt ist, aber endgültig waren es nur ein, zwei Szenen, über die ich gestolpert bin. Nichts, was am Gesamteindruck kratzen würde. Und der war überragend. Eigentlich meine große Überraschung 2012 und es geschieht nicht oft (sprich: beinahe nie!), dass ich ein Buch innerhalb weniger Monate zwei Mal lese. Also eine unbedingte Leseempfehlung für alle, die ein Buch mögen, das sie ernst nimmt, intelligent ist und dabei noch unheimlich unterhält.

Cover des Buches Der lange Abschied (ISBN: 9783257202076)

Bewertung zu "Der lange Abschied" von Raymond Chandler

Der lange Abschied
FabianDvor 12 Jahren
Rezension zu "Der lange Abschied" von Raymond Chandler

Im Werk Raymond Chandlers ist ‚Der Lange Abschied‘ als das unvergleichliche Kronjuwel anzusehen. Darüber hinaus sprengt das Buch den Rahmen des üblichen Krimis, den wir lesen, um erneut die Lösung eines verwickelten Mordfalls zu erraten, wie so oft zuvor. Wir folgen Philip Marlowe bei dieser Gelegenheit nicht nur in die Schlangengrube eines weiteren Verbrechens, denn das ist nur das Gerüst; wir werden auch hineingezogen in die Schlammschlacht der Publicitiy, der Schönen und Reichen, der Polizei und der Schriftstellerei. Auf dieser Bühne spielt natürlich jeder Chandler Roman und der Hintergrund für jeden hard-boiled Kriminalroman hat so zu sein. Doch diesmal ist es mehr als gute Staffage, Garderobe oder Requisite. Diese Schlammschlacht bewegt ‚Den Langen Abschied‘ voran.

Doch anders als üblich fällt der Tod in dieser Geschichte nicht mit der Tür ins Haus. Sein erstes Opfer holt er sich verhältnismäßig spät. Erst zeigt Chandler uns die verkappte Freundschaft von Marlowe und Terry Lennox, wie sie sich kennen lernen, wie sich ihre Routine einspielt, wie sie streiten. Dann zwingen die Umstände sie, sich zu verabschieden und dieser letzte Gruß dauert den ganzen Roman lang an. Erst hier setzt die eigentliche Handlung ein. Doch darüber sei nicht zu viel verraten. Es genügt zu wissen, dass die Erfahrung des Autors hier voll zur Geltung gelangt und jeder Zentimeter des Plots durchdacht ist, jede Szene zählt, jeder Dialog ist ein Schritt nach vorn, doch dabei kommt kein Gefühl der Hast auf und dem Leser bleibt genügend Raum sich in die frühen Fünfziger versinken zu lassen. Wir treiben durch die High Society Amerikas: da ist der züchtige Doktor, dort der Verleger aus New York, irgendwo im Hintergrund lauert der milliardenschwere Businessman mit einem Zeitungs-Imperium und zwischen den Gewalten zerreißt es einen genialen Schriftsteller. Das ist nicht nur Philip Marlowes Hollywood, es ist auch das von Raymond Chandler selbst.

Semi-biografische Elemente ziehen sich durch das ganze Buch. Allein schon die düstere Stimmung ist nicht nur Pose. Die Atmosphäre einer im Herbst stehenden, sterbenden Welt kommt aus einer allzu realen Quelle, die Chandler die Vergänglichkeit aller Dinge vor Augen führte - dem Tod seiner Frau. Die Trauer, die sich auch in seinen persönlichen Briefen dieser Zeit niederschlägt, verwandelt er in das starke Futter für Marlowes Melancholie und den endgültigen Schmerz eines letzten Abschiedes. Der Trotz dieses Ende zu akzeptieren treibt den Detektiv an. Chandler macht vor keiner Einzelheit seines Lebens halt, nicht vor dem Alkoholismus, der verschiedene Charaktere prägt, und nicht vor seinen eigenen Selbstmordversuchen. Letztere ziehen ihre traurige Spur durch die ganze Handlung, auch wenn der erste Eindruck der Suizide meist täuscht. All das fokussiert sich besonders im Charakter Roger Wades, einem Schriftsteller historischer Romane - in den Fünfzigern noch genauso verpönt, wie die Detektivgeschichte zu der Zeit als Chandler frisch die Szene betrat. Wade spielt das Sprachrohr für alles die Schriftstellerei betreffende; so auch für die Sorgen des Jobs und die Probleme mit den Verlagen. Ganz besonders gefallen hat mir die unterschwellige Meta-Ebene mit ihren satirischen Reflexionen über schlechten oder guten Stil. Da sind zum Beispiel Roger Wades im Suff verfasste Klagen über Vergleiche oder aber Howard Spencer, der mit (!) Punkt und Komma redet.

Diese psychologischen Studien bettet Chandler in einen Plot, der seines gleichen sucht. Er täuscht den Leser kräftig, baut erst einen großen Fall um den oben genannten Terry Lennox auf, lässt das dann fallen und wendet sich ganz anderem zu. Dabei zieht sich der Abschied von Lennox wie ein Leitthema durch alles Folgende und immer mehr zeichnet sich ab, dass doch alles zusammenhängt. Das Ende kommt mit Wucht, nach und nach zeigt uns Chandler/Marlowe die Geheimnisse, erklärt sie in überraschenden Wendungen. Er macht sozusagen eine Führung hinter der Bühne des Zauberstücks, dass er vorher ausführlichst inszeniert hat. Mir blieb danach nur Bewunderung für das bittersüße Ende (wobei die Bitternis deutlich dominiert).

Fünf Sterne für eines der besten Bücher dieses Genres, das ich je gelesen habe.

Cover des Buches Sturmnacht (ISBN: 9783867621113)

Bewertung zu "Sturmnacht" von Jim Butcher

Sturmnacht
FabianDvor 12 Jahren
Rezension zu "Sturmnacht" von Jim Butcher

Jim Butcher ist mittlerweile ein großer Name in der Urban Fantasy. Seine Dresden-Files Serie eroberte schnell eine treue Fan-Gemeinde, die jedes der mehr als zehn Bücher vergöttert. Im Mittelpunkt der Verehrung steht Harry Dresden, der Protagonist der Serie, ein Privatdetektiv aus Chicago und zudem Magier. Die Reihe wurde mir von verschiedensten Seiten empfohlen und immer war auffällig, dass niemand sagte: »genialer Plot!« - »grandioses Setting!« - »faszinierende Perspektiven!«; stets hieß es: »Harry ist so ein Teufelskerl!« - »Mensch hat der Hauptcharakter Witz und Sarkasmus!« - »Harry Dresden, Alter!!!« Da dachte ich schnell an Philip Marlowe, jenen einsamen Detektiv, der allein mit seinem losen Mundwerk und seinem speziellen Charme eine Geschichte dominieren konnte. Mit Marlowe bin ich aufgewachsen und in letzter Zeit verlangt es mich wieder mehr nach dem hard-boiled/noir Genre. Butchers Idee, das ganze mit einer ordentlichen Portion Phantastik zu würzen, machte mir die Dresden-Files umso reizvoller. Doch auch wenn die Verlage genau das als Werbe-Label auf die Bücher tun, erwartet einen doch etwas irgendwie anderes.

Tatsächlich macht am Anfang alles den Eindruck der verdorbenen Großstadt, wie Dashiell Hammett und Raymond Chandler sie uns beschrieben. Der erste Mord geschieht, es sind Mafiosi und Prostituierte involviert, die Polizei steht auf dem Schlauch und die Femme fatale horcht unseren Helden gegen sein Interesse aus. Dahinter lauert noch eine andere Welt, immer präsent, obwohl wir sie nie sehen - ich vermute erst in späteren Bänden - doch ihre Agenten sind bereits präsent. Das alles ist faszinierend, auch wenn ich dabei nie das Gefühl hatte in Chicago oder in einer speziellen Stadt zu sein. Harry Dresden könnte in jeder Stadt arbeiten, Chicago, New York, London, Paris, Berlin oder Moskau ... doch das ist eigentlich nicht schlimm. Es erzeugt sogar ein gewisses mondänes Gefühl.

Doch etwas stört. Harry selbst. Es mögen nur meine Erwartungen sein oder meine Faszination für Marlowe (ein interessanter Charakter, aber nicht unbedingt der beste Mensch, ein ziemlicher Chauvinist und Sexist bei Zeiten), doch Harry Dresden ist kein hard-boiled Detektiv der Schule Chandler. In dieser Hinsicht irren sich die Fans meiner Meinung nach. Dresden erscheint mehr wie ein Nerd, der versucht in zu große Fußstapfen zu treten. Ich will den Charakter damit nicht schlecht machen. In der Tat bringt ein Star Wars zitierender und gegenüber Frauen etwas eingeschüchterter Ermittler mal frischen Wind. Trotzdem wirkt er an einigen Stellen eher wie ein zu groß geratenes Kind, das sich hinter Kavaliers-Manieren und seinem Job als Polizei-Berater versteckt. Das ist erst irgendwie sympathisch, aber dann passt es nicht immer so ganz zu der düsteren Vergangenheit, die angedeutet wird und über die wir in diesem ersten Band noch nicht viel erfahren. Ich kann mich nicht entscheiden, ob Butcher wirklich will, dass Harry seine Rolle als harter Privatdetektiv, die dieser gerne spielt, zu groß ist oder ob es an seinem Können als Schriftsteller liegt. Denn einen so harten Kerl nicht nur einfach hart, sondern auch sympathisch erscheinen zu lassen, ist eine der schwersten Aufgaben für einen Autor. Ich vermag aber nicht zu sagen, ob sich das mit den späteren Büchern bessert.

Doch bei all dem sollte man nicht vergessen, dies ist ein Debüt-Roman. Es hätte bei weitem schlechter sein können. Klar ist der Fall, mit dem Dresden sich beschäftigt, ein wenig vorhersehbar und so wirklich tief in die Charaktere geht Butcher auch nicht; aber es macht Spaß zu lesen! Manchmal neigt der Stil noch etwas dazu, manches zu viel oder zu oft zu beschreiben, aber das sind Ausnahmen. Gute Unterhaltung mit kurzweiligen Szenen, die nie dämlich oder völlig platt daher kommen.

Das Buch glänzt schließlich in einem schreib-technischen Aspekt, den ich bei sehr vielen Autoren heute vermisse. Spätere Ereignisse werden in ‚Sturmnacht‘ mit kleinen Andeutungen, Details und Bemerkungen vorbereitet. Das zahlt sich dann auch aus, denn man wartet nicht eine Ewigkeit darauf, dass diese Kleinigkeiten wichtig werden und sie werden auch nicht so schnell wichtig, dass der Autor das Ereignis noch kurz vorher hektisch vorbereitet. Butcher hat ein gutes Gefühl dafür, zu welchem Zeitpunkt etwas zu geschehen hat und wie die Stimmung einer Szene zu sein hat.

Dafür gibt es vier Anfänger Sterne!!

Cover des Buches Der große Schlaf (ISBN: B002800PDC)

Bewertung zu "Der große Schlaf" von Raymond Chandler

Der große Schlaf
FabianDvor 12 Jahren
Rezension zu "Der große Schlaf" von Raymond Chandler

Philip Marlowe ist nicht irgendein Detektiv, er ist der hard-boiled Urtypus des Detektivs (natürlich zusammen mit Hammetts Sam Spade). Raymon Chandler lässt diesen bodenständigen und nüchternen Ermittler das erste Mal in seinem Debütroman ‚Der große Schlaf‘ 1939 auftreten. Bis heute einer der Klassiker des Krimis und immer noch absolut lesbar. Auch wenn Chandler meint, dass Marlowe sich schon in den Detektiven seiner vorhergehenden Kurzgeschichten abzeichnet, ist es hier, wo er seine unverwechselbare Stimme findet: Den klassischen Monolog eines oberflächlich zynischen Mannes, der hinter seiner Melancholie einen unbrechbaren Idealismus verbirgt. Diesen Charakter setzte schließlich Humphry Bogart sein Gesicht auf. Man braucht Marlowe nicht zu lieben oder auch nur zu mögen, heutzutage wäre er wohl ein ziemlicher Sexist, Chauvinist und auch ziemlich taktlos. Er konsumiert unwahrscheinliche Mengen Alkohol, die einem entweder die Augen übergehen oder lachen lassen, je nachdem mit wie viel Humor man es nehmen kann. Aber natürlich ist er ein Kind seiner Zeit. So muss man ihn auch nehmen. Aber sein Stil, die Stimme, der Sarkasmus und der Witz, den Chandler ihm gibt, sind unverwechselbar und - obwohl es oft versucht wurde - unnachahmbar.

Wir ziehen an der Seite dieses Haudegens durch das Los Angeles der späten 30er. Eine Welt, die das Buch mit wenigen, präzisen Worten in grandiosen Bildern festnagelt. Die Stadt ist zerrissen zwischen der Dekadenz Hollywoods und dem ärmlichen Rest, zwischen einer Polizei, die zu gern wegsieht, und Unternehmern für die Moral kein Hindernis ist. Marlowe passt in keine der Gruppen, die wir treffen; er ist stets der Außenseiter. Aus dieser Position heraus erlaubt er sich auch seine charakteristischen Kommentare und er hält sich vor wirklich niemandem zurück; weder gegenüber seinem Auftraggeber General Sternwood noch dessen Töchtern aber auch nicht vor dem Gangster Eddie Mars und schon gar nicht vor dessen Handlanger Canino.

Dabei tritt der Fall fast ganz in den Hintergrund. Marlowe jagt nicht kleinste Hinweise, wie ein Holmes, Dupin, Poirot oder eine Miss Marple die aus den Details des Tatorts ganze Tagesabläufe rekonstruieren. Stattdessen folgt er seinem Bauch, findet, trifft und verhört Verdächtige. Der ganze Roman setzt sich aus kurzen atmosphärischen Beschreibungen und grandiosen intelligenten Dialogen zusammen - auch wenn Chandler erst später in seinem Leben zu höchster Form aufläuft (ganz besonders in ‚Der lange Abschied‘), so schimmert sein Genie in ‚Der Große Schlaf‘ bereits durch. Noch fehlen Marlowe die Qualitäten des Literaturkenners und Schachspielers, auf die er in seinem Sarkasmus immer wieder Bezug nimmt; trotzdem verbirgt er hinter der Fassade des einfachen Mannes viel Intelligenz.

Unangenehm auffallen tut an dieser Abfolge von Dialogen nur, dass manchmal nicht ganz klar ist, was Marlowe von einem Ort zum anderen treibt. Gerade im Mittelstück des Romans konnte ich nicht allem gut folgen, das mag auch an Chandlers Art liegen seine Kurzgeschichten auszubeuten, um sie am Ende zu einem neuen Kriminalfall zusammenzufügen. Doch er entschädigt den Leser weitreichend. Gerade am Anfang und gegen Ende kreiert er Szenen, die in ihrer Einprägsamkeit und übertriebenen Ästhetik eines Ennio Moricone-Filmes würdig wären. Doch Marlowe ist und bleibt eine Figur Raymond Chandlers und nur seine Hände konnte ihn wirklich zum Leben erwecken.

Vier von fünf Sternen für diesen Roman, der fast mehr Charakterstudie als Kriminalfall ist. Den fehlenden Stern sichert sich Chandler erst mit seinem, meiner Meinung nach, größten Werk, ‚Der Lange Abschied‘.

Cover des Buches Der Meister und Margarita (ISBN: 9783630620930)

Bewertung zu "Der Meister und Margarita" von Michail Bulgakow

Der Meister und Margarita
FabianDvor 12 Jahren
Rezension zu "Der Meister und Margarita" von Michail Bulgakow

Der Satan kommt nach Moskau und das, obwohl man ihn und seine Entourage in den 20ern doch eher im dekadenten Paris vermuten würde. Ist sein Ziel der Kreml? Will er jenen Mann besuchen, der sich dort ernsthaft anschickt, mit ihm zu konkurrieren? Josef Stalin? Nein, der Stalinismus tanzt zwar ständig im Hintergrund von ‚Meister und Margarita‘ umher, aber das Innere des Kremls sehen wir nicht. Nur einmal dürfen wir mit einer der Protagonistinnen, Margarita, an seiner roten Mauer sitzen. Das Ziel des Teufels ist stattdessen die Wohnung Nr. 50 in der Sadowaja 302b und eigentlich will er nur eine bescheidene Aufführung in schwarzer Magie geben und noch einen Ball feiern.
Doch die Anwesenheit des Teufels zieht für die ganze Stadt Konsequenzen nach sich. Ein Mann unterschätzt die ihm vorausgesagte Zukunft und verliert den Kopf, dank einer Kanne verschütteten Sonnenblümen-Öls, unter die Räder einer Straßenbahn - ein Dichter rennt halbnackt, bewaffnet mit einer Ikone und einer Kerze umher, bevor er in einem Restaurant jemanden niederschlägt - ein Theaterintendant findet sich erst in seinem Bett und wenige Minuten später an der Küste Jaltas wieder. Dazu kommen einige seltsame Gestalten, die überall aus dem Nichts auftauchen und Vorbereitungen treffen: eine Katze auf zwei Beinen, ein Mann, der stets einen Zwicker mit zerbrochenen Gläsern trägt, und ein rothaariger Kerl mit grauem Star und einem Hauer, der aus seinem Mund ragt.
Die Narrative von ‚Meister und Margarita‘ ist ungewöhnlich und sehr fordernd. Was anfangs aus kleinen Einzelepisoden um ganz unterschiedliche Charaktere besteht, beginnt schließlich zu einer Geschichte zusammenzuwachsen. Der Leser wird hier gezwungen, die Handlung immer wieder aus verschiedenen Standpunkten neu nachzuvollziehen. Bulgakov baut damit geschickt ein soziales Panorama des stalinistischen Moskaus als Bühne auf. Erst nach einem Drittel des Buches wird das namensgebende Paar eingeführt und erst ab der Hälfte bekommen wir eine (relativ) durchgehende Handlungsperspektive. Dabei erschließen sich drei große Handlungsstränge: Iwan Nikolajewitsch Ponyrew, auch „Besdomny“ genannt, der untalentierte Lyriker steht stellvertretend für das der Unordnung anheimfallende Moskau. Demgegenüber steht der nur als ‚Meister‘ betitelte Prosa-Autor, dessen Liebesgeschichte mit Margarita die zweite Ebene ausmacht. Dazwischen zeigen uns einige wenige entscheidende Kapitel Pontius Pilatus 2000 Jahre alte Geschichte, die aber immer verknüpft ist mit dem Moskau der Gegenwart.
Ich kann nicht sagen, ob es der beste russische Roman des 20. Jahrhunderts ist, wie oft behauptet wird. Meiner Meinung nach aber findet sich hier ein grandioses Stück Arbeit, wo phantastische, satirische und realistische Momente sich abwechseln und gekonnt vermengt werden.
‚Meister und Margarita‘ will viel und schafft viel, im Gegensatz zu anderen Büchern, welche die Feuilletons zuweilen als »intellektuell«, »wichtig« und »ganz besonders wertvoll« betiteln. Interessant ist, dass dieses Buch als einflussreicher Roman zur großen Weltliteratur gezählt wird, obwohl er sich gut in jedes aktuelle Fantasy-Programm eines Verlages einfügen würde. Wäre er aber dort erschienen, würde so mancher, der ihn jetzt lobt, mit skeptischem Blick am Geschmack seiner Leser zweifeln. Dabei ließe sich dieser Roman in einem Sub-Genre der gegenwärtigen Fantasy sehr gut verorten: der Urban Fantasy.
Doch von Genres und ihrem jeweils eigenen Standesdünkel losgelöst verfügt Bulgakovs Geschichte über einiges an Qualitäten. Da sind vor allem die anspruchsvollen Themen, die so behandelt werden, dass ich mich als Leser ernst genommen fühle. Einen großen Punkt macht die schon angedeutete Stalinismus-Kritik und der mit ihr verbundene Literaturbetrieb aus. Dabei ist zu beachten, dass in der Person des Meisters biografische und fiktive Elemente bis zur Unkenntlichkeit miteinander verschlungen sind: der von den öffentlichen Kritikern und dem Regime verschmähte Künstler und der vom Publikum hochgelobte Meisterschreiber. Denn so paradox, wie es klingt, Stalin selbst begeisterten die Stücke Bulgakovs und trotzdem untersagte er, sie aufzuführen oder zu publizieren.
Dann beschäftigt sich die Pilatus Ebene und natürlich auch die Figur Satans mit Religion. Dieser Komplex entspringt zwar der Kritik am Stalinismus, der einen nahezu klinisch reinen Atheismus in der Bevölkerung installieren wollte, geht aber darüber hinaus und entwickelt sich eigenständig. Neben der Liebesgeschichte und dem Leitthema, das Feigheit die größte Sünde sei, wahrscheinlich einer der aktuellsten Problematiken. Denn Bulgakov schreckt vor der Religiosität nicht zurück, wo eigentlich Atheismus gewünscht ist, und ist so frei zu zeigen, dass Religion nicht gleich Dogma ist. Er beleuchtet das Christentum positiv aber nicht predigend oder gar missionierend - schön zu sehen in einer Welt, die sich gern im Atheismus, als einzig richtigen Weg, sonnt. Nicht nur ein Symptom des Stalinismus.
Genauso wie vor der Religion schrecken Bulgakovs Charaktere auch nicht vor dem phantastischen Anderen zurück, das in ihre Welt eindringt - zumindest nicht die Helden der Geschichte, wie Margarita oder der Meister. Eine Tendenz, die ich viel lieber mag, als das übernatürliche Monster oder Ereignis, dem es zu entkommen gilt oder das wahlweise auch zu bekämpfen ist. Außerdem wird die magische Welt Bulgakovs oft mit einer guten Prise Humor gewürzt, besonders wenn der Kater Behemoth unterwegs ist (wer braucht schon die Cheshire-Cat aus Alice im Wunderland?).
Am Ende steht es so, dass mir kaum ein Wort der Kritik einfällt. Höchstens, dass ein paar Stellen noch nicht richtig zurecht geschliffen wirken, wie bei einem noch nicht ganz fertigen Manuskript. Doch genau das ist ‚Meister und Margarita‘ ja auch, zu einer letzten Überarbeitung ist es nie gekommen, denn Bulgakov starb vor einer Veröffentlichung. Lange Jahre setzte das Werk staub an, aber gute Geschichte gehen nicht verloren; sie finden ihre Leser. Oder um es mit den Worten des Romans zu sagen: »Manuskripte brennen nicht«

Cover des Buches Das Lied von Eis und Feuer 03 (ISBN: 9783442268221)

Bewertung zu "Das Lied von Eis und Feuer 03" von George R. R. Martin

Das Lied von Eis und Feuer 03
FabianDvor 12 Jahren
Rezension zu "Das Lied von Eis und Feuer 3: Der Thron der Sieben Königreiche" von George R. R. Martin

Diese Rezension bezieht sich auf die beiden Bände ‚Der Thron der Sieben Königreiche‘ und ‚Die Saat des goldenen Löwen‘, zu denen ‚A Clash of Kings‘ in der Übersetzung aufgeteilt wurde. Achtung Spoiler!

Der zweite Band des ‚Liedes von Eis und Feuer‘ lässt mich mit sehr gemischten Gefühlen zurück. ‚A Clash of Kings‘ (im Deutschen geteilt in die beiden Bände ‚Der Thron der Sieben Königreiche‘ und ‚Die Saat des goldenen Löwen‘) ist einer der Romane, die ungeheure Aufwärmzeit brauchen, um ihre eigentliche Geschichte zu erzählen.

Für mich war diese Geschichte in diesem Band vor allem die Konflikte von Stannis und Renly, Aryas moralisch fragwürdige Entscheidungen, Tyrions Kampf alles zusammenzuhalten und nicht zuletzt Theons Verrat. Doch bis wir dort anlangen, dauert es das halbe Buch! In dieser Zeit geschieht rein gar nichts. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden: Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ab der ersten Seite gleich Gefechte, Verfolgungsjagden und Explosionen brauchen und auch nicht sofort einen nervenaufreibenden Konflikt. Tatsächlich ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher Tolstojs ‚Krieg und Frieden‘ und jeder, der auch nur die ersten hundert Seiten gelesen hat, wird mir zustimmen, dass die Dramatik dort nicht auf einem Schlachtfeld entsteht. Doch was mir an ‚Clash of Kings‘ missfällt, ist, dass es in der ersten Hälfte nur darum geht, die Charaktere in die richtige Position für die Handlung zu schieben oder uns neue Akteure vorzustellen. Ich denke, das hätte Martin deutlich besser bzw. kürzer händeln können, speziell, wenn man den ersten Band, ‚A Game of Thrones‘, bedenkt. Ich habe in der Zeit kaum Charakterentwicklung gesehen und auch nicht genug Interessantes von Westeros, das die erste Hälfte rechtfertigt. Besonders heraus stach in dieser Hinsicht Daenarys - im Grunde war nur ihr Besuch im Haus der Unsterblichen handlungsrelavant, vielleicht noch das letzte Kapitel, in dem sie den Graubart trifft. Beides jedoch hätte sich für meinen Geschmack auch noch im nächsten Buch gut gemacht (das ich noch nicht gelesen habe, weswegen meiner Meinung nicht zu viel Wert zukommen sollte).

Doch genug gemeckert für den Moment.

Die zweite Hälfte des Buches trumpft mit einigen außerordentlichen Höhepunkten auf. Zum Beispiel die Handlungsebene von Davos - zumindest solange er sich mit Melisandre und Stannis rumtreibt. Es gefällt mir, wie es mich tatsächlich zum Beobachter macht und Stannis und Melisandre tatsächlich so unnahbar und undurchdringlich scheinen, wie sie auf ihre Umgebung wirken. Eine Szene blieb mir besonders im Kopf: Davos und Melisandres Fahrt in die Gebeine von Sturmkap, wo sie den Schatten gebiert (obwohl der Ekelfaktor hier nicht hätte sein müssen, nach meinem Geschmack). Geschickt wird hier mehr angedeutet als ausgesprochen, trotzdem ist alles klar.

Ein anderer Charakter, dem ich gerne folge, ist Tyrion, dem letzten geistig gesunden in dem ganzen Haufen. Wie der Rest trifft er schwierige Entscheidungen und macht Fehler, aber seine Moral ist weniger ambivalent, als der Augenschein verrät. Westeros Gesellschaft befindet sich immerhin in einem Stadium, das wir als spätes Mittelalter bezeichnen würden. Tyrion scheint in so einer Welt beinahe der strahlende Ritter, nach dem es Sansa immer verlangt und es sind so viele Aspekte, die ihn sympathisch machen: Seine Hingabe zu Shae, oder auch sein Entsetzen über Cerseis Behandlung von Alayaya und sein Einschreiten bei Joffreys Ungerechtigkeit gegenüber Sansa.

Der letzte wirklich interessante Komplex ist der »Tod« von Bran und Rikkon. Es ist genial, wie Martin es aufbaut und uns über Kapitel hinweg nur die Reaktionen der Leute zeigt, die davon erfahren (Cats Trauer war hier besonders beeindruckend). Selbst im darauffolgenden Theon-Kapitel lässt er uns bis zum letzten Satz im Unklaren und das, nachdem er uns im ersten Band durch Eddard Starks Tod gezeigt hat, wie weit er als Erzähler bereit ist zu gehen. Das war jedoch das Einzige, was mich in der Theon-auf-Winterfell-Handlung überzeugt hat. Ehrlich gesagt habe ich mich über Theon - oder eher seine Schilderung - geärgert. Sein Wandel von ‚A Game of Thrones‘ zu ‚A Clash of Kings‘ fand ich schwer nachzuvollziehen. Ich weiß, viele Fans lieben es gerade am ‚Lied von Eis und Feuer‘, wie man einen Charakter »besser versteht«, nachdem er als Point-of-View eingeführt wird. Das mag stimmen, trifft hier aber meiner Meinung nach nicht zu. Theon ist ein ganz anderer als im ersten Band. Die Ausrede, wir konnten vorher nur nicht in seinen Kopf sehen, zählt für mich nicht, denn ‚A Clash of Kings‘ ist eine Geschichte und nicht das wahre Leben. Da will ich begreifen, warum ein Charakter so handelt, wie er handelt. Geschichten sollten zwar überraschen, aber ich will doch verstehen, wie ich überrascht wurde.

Alles in allem ist mir wegen der schwachen ersten Hälfte ‚A Clash of King‘ aber doch nur solide drei von fünf Sternen wert, obwohl ich der ersten Hälfte dabei zwei Sterne geben würde und der zweiten vier. Sich durch die langen Kapitel des langweiligen Umherwanderns in Westeros zu schlagen lohnt sich, denn gerade im Endspurt zeigt Georg R. R. Martin, dass er ein wirklich großer Schriftsteller sein kann, und macht definitiv Lust auf mehr!

Cover des Buches Das Lied von Eis und Feuer 04 (ISBN: 9783442268214)

Bewertung zu "Das Lied von Eis und Feuer 04" von George R. R. Martin

Das Lied von Eis und Feuer 04
FabianDvor 12 Jahren
Rezension zu "Das Lied von Eis und Feuer 4: Die Saat des goldenen Löwen" von George R. R. Martin

Diese Rezension bezieht sich auf die beiden Bände ‚Der Thron der Sieben Königreiche‘ und ‚Die Saat des goldenen Löwen‘, zu denen ‚A Clash of Kings‘ in der Übersetzung aufgeteilt wurde. Achtung Spoiler!

Der zweite Band des ‚Liedes von Eis und Feuer‘ lässt mich mit sehr gemischten Gefühlen zurück. ‚A Clash of Kings‘ (im Deutschen geteilt in die beiden Bände ‚Der Thron der Sieben Königreiche‘ und ‚Die Saat des goldenen Löwen‘) ist einer der Romane, die ungeheure Aufwärmzeit brauchen, um ihre eigentliche Geschichte zu erzählen.
Für mich war diese Geschichte in diesem Band vor allem die Konflikte von Stannis und Renly, Aryas moralisch fragwürdige Entscheidungen, Tyrions Kampf alles zusammenzuhalten und nicht zuletzt Theons Verrat. Doch bis wir dort anlangen, dauert es das halbe Buch! In dieser Zeit geschieht rein gar nichts. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden: Ich gehöre nicht zu den Leuten, die ab der ersten Seite gleich Gefechte, Verfolgungsjagden und Explosionen brauchen und auch nicht sofort einen nervenaufreibenden Konflikt. Tatsächlich ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher Tolstojs ‚Krieg und Frieden‘ und jeder, der auch nur die ersten hundert Seiten gelesen hat, wird mir zustimmen, dass die Dramatik dort nicht auf einem Schlachtfeld entsteht. Doch was mir an ‚Clash of Kings‘ missfällt, ist, dass es in der ersten Hälfte nur darum geht, die Charaktere in die richtige Position für die Handlung zu schieben oder uns neue Akteure vorzustellen. Ich denke, das hätte Martin deutlich besser bzw. kürzer händeln können, speziell, wenn man den ersten Band, ‚A Game of Thrones‘, bedenkt. Ich habe in der Zeit kaum Charakterentwicklung gesehen und auch nicht genug Interessantes von Westeros, das die erste Hälfte rechtfertigt. Besonders heraus stach in dieser Hinsicht Daenarys - im Grunde war nur ihr Besuch im Haus der Unsterblichen handlungsrelavant, vielleicht noch das letzte Kapitel, in dem sie den Graubart trifft. Beides jedoch hätte sich für meinen Geschmack auch noch im nächsten Buch gut gemacht (das ich noch nicht gelesen habe, weswegen meiner Meinung nicht zu viel Wert zukommen sollte).

Doch genug gemeckert für den Moment.

Die zweite Hälfte des Buches trumpft mit einigen außerordentlichen Höhepunkten auf. Zum Beispiel die Handlungsebene von Davos - zumindest solange er sich mit Melisandre und Stannis rumtreibt. Es gefällt mir, wie es mich tatsächlich zum Beobachter macht und Stannis und Melisandre tatsächlich so unnahbar und undurchdringlich scheinen, wie sie auf ihre Umgebung wirken. Eine Szene blieb mir besonders im Kopf: Davos und Melisandres Fahrt in die Gebeine von Sturmkap, wo sie den Schatten gebiert (obwohl der Ekelfaktor hier nicht hätte sein müssen, nach meinem Geschmack). Geschickt wird hier mehr angedeutet als ausgesprochen, trotzdem ist alles klar.

Ein anderer Charakter, dem ich gerne folge, ist Tyrion, dem letzten geistig gesunden in dem ganzen Haufen. Wie der Rest trifft er schwierige Entscheidungen und macht Fehler, aber seine Moral ist weniger ambivalent, als der Augenschein verrät. Westeros Gesellschaft befindet sich immerhin in einem Stadium, das wir als spätes Mittelalter bezeichnen würden. Tyrion scheint in so einer Welt beinahe der strahlende Ritter, nach dem es Sansa immer verlangt und es sind so viele Aspekte, die ihn sympathisch machen: Seine Hingabe zu Shae, oder auch sein Entsetzen über Cerseis Behandlung von Alayaya und sein Einschreiten bei Joffreys Ungerechtigkeit gegenüber Sansa.

Der letzte wirklich interessante Komplex ist der »Tod« von Bran und Rikkon. Es ist genial, wie Martin es aufbaut und uns über Kapitel hinweg nur die Reaktionen der Leute zeigt, die davon erfahren (Cats Trauer war hier besonders beeindruckend). Selbst im darauffolgenden Theon-Kapitel lässt er uns bis zum letzten Satz im Unklaren und das, nachdem er uns im ersten Band durch Eddard Starks Tod gezeigt hat, wie weit er als Erzähler bereit ist zu gehen. Das war jedoch das Einzige, was mich in der Theon-auf-Winterfell-Handlung überzeugt hat. Ehrlich gesagt habe ich mich über Theon - oder eher seine Schilderung - geärgert. Sein Wandel von ‚A Game of Thrones‘ zu ‚A Clash of Kings‘ fand ich schwer nachzuvollziehen. Ich weiß, viele Fans lieben es gerade am ‚Lied von Eis und Feuer‘, wie man einen Charakter »besser versteht«, nachdem er als Point-of-View eingeführt wird. Das mag stimmen, trifft hier aber meiner Meinung nach nicht zu. Theon ist ein ganz anderer als im ersten Band. Die Ausrede, wir konnten vorher nur nicht in seinen Kopf sehen, zählt für mich nicht, denn ‚A Clash of Kings‘ ist eine Geschichte und nicht das wahre Leben. Da will ich begreifen, warum ein Charakter so handelt, wie er handelt. Geschichten sollten zwar überraschen, aber ich will doch verstehen, wie ich überrascht wurde.

Alles in allem ist mir wegen der schwachen ersten Hälfte ‚A Clash of King‘ aber doch nur solide drei von fünf Sternen wert, obwohl ich der ersten Hälfte dabei zwei Sterne geben würde und der zweiten vier. Sich durch die langen Kapitel des langweiligen Umherwanderns in Westeros zu schlagen lohnt sich, denn gerade im Endspurt zeigt Georg R. R. Martin, dass er ein wirklich großer Schriftsteller sein kann, und macht definitiv Lust auf mehr!

Cover des Buches Der Kristallpalast: Ein Steampunk Roman (ISBN: 9783867620765)

Bewertung zu "Der Kristallpalast: Ein Steampunk Roman" von Oliver Plaschka

Der Kristallpalast: Ein Steampunk Roman
FabianDvor 12 Jahren
Rezension zu "Der Kristallpalast" von Oliver Plaschka

Nachdem mir schon die vorigen Bücher des Autors Oliver Plaschka sehr gut gefielen, war es nur logisch auch sein drittes Werk zu lesen. Den ‚Kristallpalast‘ hat er zusammen mit zwei seiner Kollegen aus der Literaturwissenschaft geschrieben, Alexander Flory und Matthias Mösch. Die drei traten sozusagen an, einen Gegenbeweis zu führen gegen die »oft unterstellte Unfähigkeit von Akademikern, ihr Theoriewissen auch in die Praxis umzusetzen« (S.397). Das ist wohl gelungen.

Der Roman spielt im Jahre 1851, in London wird gerade die erste Weltausstellung eröffnet und mit ihr der Kristallpalast. Letzterer steht - wer hätt‘s gedacht - im Mittelpunkt der Handlung. Er ist das Zentrum, um das sich die drei Protagonisten ständig drehen und das sie immer mehr in seinen Bann schlägt. Da treffen wir einerseits die geheimnisvolle Miss Niobe, eine Inderin im Dienste einer okkulten Loge; der Ingenieur Franz hingegen arbeitet für eine Organisation, die es längst nicht mehr geben dürfte; der Agent Sokrates Royle zuletzt ist im Auftrag ihrer Majestät unterwegs, was in seinem Falle heißt: Einer Sonderabteilung noch geheimer als jeglicher Geheimdienst.

Gleich drei Geheimbünde?

Manchem mag das zuviel sein. Ich bin normalerweise einer der Ersten, den Übertreibung in dieser Hinsicht abschreckt. Gerade bei einem nicht-mal-vierhundert-Seiten-Buch ist nicht viel Raum hinter jede Ecke eine Verschwörung unterzubringen. Doch die Autoren bringen es elegant über die Bühne. Sie verzichten auf unnötigen Expositions-Ballast und vermeiden so den Eindruck eines zu vollgestopften Textes, lieber geben sie ihren Charakteren mehr Raum sich zu entfalten. Dafür nehmen sie auch gerne etwas Tempo raus, damit der Leser einen Spaziergang durch ein authentisch geschildertes London der 1850er genießen kann.
Die Handlung zeigt sich uns in der ersten Person durch die Augen der drei Protagonisten. In immer wieder derselben Reihenfolge erzählen sie abwechselnd von geheimnisvollen Kräften, die vom Palast ausgehen. Durchbrochen wird dieses Schema unregelmäßig von dem Bericht einer Expedition in den asiatischen Dschungel als zweite Handlungsebene. Was anfangs wenig Bezug hat, zeichnet sich später als Schlüssel für das Geschehen in London ab und enthüllt, was für eine Bedrohung da heraufdämmert. Besonders gefallen hat mir, dass ein aufmerksamer Leser zwischen den beiden Ebenen stets versteckte Verweise aufeinander entdeckt, die kurze Blicke hinter die Fassaden der offensichtlichen Handlung gewähren. Selbst wenn später die Zusammenhänge klarer werden, finden sich überall noch weitere kleine Puzzleteile. Ein Roman zum Mitdenken also, der nicht alles auf dem Silbertablet serviert. Über Flory und Mösch kann ich wenig sagen, aber bei Plaschka zeichnete genau das schon ‚Die Magier von Montparnasse‘ und speziell ‚Fairwater‘ aus.

Einige Kritikpunkte sind aber dann doch dabei: Zum Beispiel wirkt der Charakter Sokrates Royle immer etwas losgelöst von der eng verstrickten Handlung der anderen beiden Charaktere. Stellenweise glaubte ich eher, er kreuzt zufällig ihren Weg. Außerdem bleiben bei den Nebencharakteren dieses Strangs die Motivationen oft unklar und gerade für Royles Partner und Vorgesetzten scheint manches unvollständig. Dafür kommt die Entschädigung aber in Form einer wunderbaren Hintergrund-Geschichte - die fast ein eigenes Buch verdient hätte. Das Kapitel ‚die Gestade des Yong‘ ist das erinnerungswürdigste des ganzen Werkes.

Summa summarum erwartet einen ein faszinierender Fantasy-Roman vor dem (meiner Einschätzung nach) akkuraten und gekonnt geschilderten Hintergrund Londons. Zwar hat er nicht den Zauber von ‚Fairwater‘ oder ‚Die Magier von Montparnasse‘, aber in diese Richtung wollen die Autoren auch nicht. Stattdessen gibt es eine Agenten-Story, die weder an Geheimnissen noch an Magie geizt.

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